Volksabstimmung über EU-Verfassung?  

erstellt am
10. 05. 05

 Baumgartner-Gabitzer: "Nicht notwendig!"
Verfassungsjuristen bestätigen: Keine gesamtändernde Wirkung des Verfassungsvertrages, somit kein Zwang zur Volksabstimmung in Österreich
Wien (övp-pk) - Der EU-Verfassungsvertrag bringt eine Vereinfachung der Texte, eine Erleichterung der Entscheidungsfindung, eine Stärkung des Parlamentarismus, eine Klärung der Kompetenzen und eine neue Grundrechtscharta. Das betonte ÖVP-Verfassungssprecherin Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer am Montag (09. 05.). "Leider gehen diese positiven Inhalte aber in der laufenden Diskussion über eine Volksabstimmung unter." Baumgartner-Gabitzer tritt damit auch jenen Meinungen entgegen, die durch die EU-Verfassung eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung sehen. "Das ist nicht der Fall. Es gibt keine Gesamtänderung und daher auch keinen Zwang zu einer Volksabstimmung."

Baumgartner-Gabitzer beruft sich in ihrer Argumentation auf die Meinung namhafter Verfassungsjuristen, unter anderem auf Dr. Stefan Griller, Universitätsprofessor am Europainstitut der Wirtschaftsuniversität Wien, und widerspricht der oft zitierten Meinung von Prof. Öhlinger, der die Notwendigkeit einer Volksabstimmung in Österreich wegen der Normierung des Vorrangs von EU-Recht vor dem Recht der Mitgliedsstaaten argumentiert. "Öhlinger bleibt die Begründung für die angebliche umwälzende Änderung durch den EU-Verfassungsvertrag allerdings schuldig. Der Europäische Gerichtshof hat schon bisher keinen Vorbehalt zugunsten nationaler Verfassungskerne gemacht. Trotzdem können diese - etwa ein Mindeststandard im Grundrechtsschutz, das Demokratieprinzip oder der Aufbau unseres Bundesstaates - von den nationalen Höchstgerichten verteidigt werden. Daran ändert sich durch den Verfassungsvertrag nichts", erläuterte Baumgartner-Gabitzer. "Erst eine künftige Vertragsänderung, die unter Ausnützung des Vorranggebots Bauprinzipien der österreichischen Bundesverfassung verändert oder beseitigt, wäre gesamtändernd. Dann müsste sie einer Volksabstimmung unterzogen werden. Ein derartiger Inhalt kann aber dem EU-Verfassungsvertrag nicht entnommen werden."

Das bedeute, dass sich der nunmehr normierte Vorrang von EU-Recht nur auf das durch den Verfassungsvertrag in Österreich in Geltung gesetzte EU-Recht beziehen kann, fuhr die ÖVP-Verfassungssprecherin fort. "Seine Kraft vermag sich nicht auf eventuell zukünftige, eventuell in Österreich rechtswidrig zustande gekommene Änderungen zu erstrecken, um die diesbezügliche Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes schon jetzt zu beseitigen." Daher ist für Baumgartner-Gabitzer eine gesamtändernde Wirkung des Verfassungsvertrages und somit der Zwang zu einer Volksabstimmung in Österreich nicht nachvollziehbar.

 

Haider für Volksabstimmung über EU-Verfassung
Haider: "Dürfen nicht über Köpfe der österreichischen Bevölkerung hinweg entscheiden"
Klagenfurt (ots) - Artikel 1 der Österreichischen Bundesverfassung lautet: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." Gerade in der Frage einer gemeinsamen Europäischen Verfassung müsse daher auch das Volk im Rahmen einer Volksabstimmung befragt werden, sagte BZÖ-Obmann Jörg Haider Ende vergangener Woche.

Schließlich werde mit der EU-Verfassung europäisches Recht vor österreichischem Recht gelten. Dies sei im ersten Teilstück, nämlich im Artikel 6 der Europäischen Verfassung, eindeutig so festgelegt. Für eine solche weitreichende Gesamtänderung der Österreichischen Bundesverfassung sei eine Volksabstimmung zwingend vorgesehen, begründete der Obmann des Bündnis Zukunft Österreich.

Er, Haider, trete daher dafür ein, dass nach Beschlussfassung im Parlament eine Volksabstimmung durchgeführt wird. "Wir können und dürfen in solch einer essentiellen, ja schicksalshaften Frage nicht über die Köpfe der Österreicherinnen und Österreicher hinweg entscheiden", schloss Haider.

 

 Strache: Bei Verweigerung jedenfalls VfGH einschalten
Schüssel und Co. sollen vom hohen Ross herunter
Wien (fpd) - Der Bundesparteiobmann der FPÖ, Heinz-Christian Strache, schlägt als Notbremse in Sachen EU-Verfassung ein Einschreiten des Verfassungsgerichtshof vor. Er bezieht sich dabei auf Aussagen des renommierten Verfassungsexperten Theo Öhlinger, der diese Option als gegeben ansieht. Strache: "Das wäre dann eine Art Notbremse, die jedenfalls gezogen werden kann, wenn Schüssel und Co. die Österreicherinnen und Österreicher einmal mehr gegen ihren Willen mit Vollgas vor vollendete Tatsachen stellen wollen." Der Verfassungsgerichtshof habe schließlich dafür zu sorgen, dass die Verfassung eingehalten werden.

Strache sieht in den Aussagen Öhlingers, dass eine Annahme der EU-Verfassung durch Österreich nur auf Basis einer Volksabstimmung rechtlich möglich sei, eine volle Bestätigung des bisherigen Kurses der FPÖ in dieser Frage. Die Freiheitlichen seien bei der EU-Verfassung genauso wie bei der Abstimmung über eine Aufnahme der Türkei zur EU im klaren Unterschied zu allen anderen Parteien in erster Linie der österreichischen Bevölkerung verpflichtet. Schüssel und Co. dagegen hätten Machtinteressen zu erfüllen. Strache: "Für die FPÖ ist "Österreich Zuerst" das Grundprinzip des politischen Handelns und keine Frage einer Tagesbefindlichkeit, wie etwa beim BZÖ."

Angesichts der Aussage Öhlingers, der ja für den Fall der Umsetzung des Regierungsplans de facto einen Verfassungsbruch durch die Bundesregierung konstatiere, erwarte sich Strache jetzt ein Kommando "Maschinen Stopp" und einen Abstieg vom hohen Ross durch Schüssel und Co. Strache: "Die ÖVP kann jetzt beweisen, wie ernst es ihr mit ihrem Verfassungsbogen ist. Es kann nicht so sein, dass eine derart weitreichende Entscheidung auf Biegen und Brechen durchgepeitscht werden soll, nur weil die Regierung Angst davor hat, mit der Bevölkerung in eine inhaltliche Diskussion einzutreten. Die FPÖ bleibt jedenfalls auch in dieser Frage glaubhafter Anwalt der Bürger."

 

 Glawischnig: Grüne für Ratifizierung und gegen BZÖ/FPÖ
Die stellvertretende Grünen-Chefin plädiert wieder für europaweites Referendum
Wien (grüne) - Eva Glawischnig hat am Montag (09. 05.) nochmals die Zustimmung ihrer Partei zur EU-Verfassung deponiert. In einer Pressekonferenz meinte sie: "Eine Verfassung ist immer besser als keine Verfassung." Daher werde ihre Partei am Mittwoch im Nationalrat der Ratifizierung nichts in den Weg legen. Scharfe Kritik übte Glawischnig an BZÖ und FPÖ wegen deren Wunsch nach einer nationalen Volksabstimmung.

Wie die Grünen-Vize betonte, hätten SpitzenrepräsentantInnen der Freiheitlichen über Monate nicht nur nichts für solch ein Referendum getan, sondern sich vom Klubobmann abwärts sogar explizit dagegen ausgesprochen. Wenn nun am Ende des Prozesses etwa von BZÖ-Chef Jörg Haider die Forderung nach einer Volksabstimmung komme, sei das "letztklassig und jenseits jeder politischen Kultur".

Die Grünen bleiben ihrerseits bei der Position, dass eine gesamt-europäische Befragung der richtige Modus wäre. Man werde auch noch einmal an BK Schüssel herantreten, dass sich dieser auf EU-Ebene für solch ein Projekt einsetzen möge, erklärte Glawischnig.

Die EU-Verfassung bewertete die Grün-Politikern als Meilenstein. Einige Punkte lehnt man freilich trotzdem ab. So beklagte Glawischnig etwa, dass es seitens der Regierungsparteien keine Unterstützung für die Grünen Forderungen gegeben habe, ein Nein zur Teilnahme an der strukturierten (militärischen) Zusammenarbeit sowie zur Partizipation an Auslandseinsätzen ohne UNO-Mandat festzulegen.
     

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

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