Europäische Berufsausweise sollen Arbeitnehmer mobiler machen  

erstellt am
10. 05. 05

Gemeinsamer Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen
Brüssel (europarl) - Wer auf Dauer in einem anderen EU-Land arbeiten will, wird von einer neuen Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen profitieren. Mehr als 40 Jahre lang existierte kein System, das es den EU-Bürgern erlaubte, ihren Beruf problemlos in einem anderen Mitgliedsstaat auszuüben. Das Parlament beschäftigt sich nun in zweiter Lesung mit dem Bericht zu einer Richtlinie, die auf die europaweite gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen zielt.

Die neue Richtlinie soll für alle Arbeitnehmer gelten, egal ob abhängig Beschäftigte, Selbstständige, Freiberufler oder Berufstätige, die eine bestimmte Ausbildung nachweisen oder eine bestimmte Lizenz erwerben müssen. In diese Kategorie der "regulierten" Berufe fallen etwa Ärzte, Krankenschwestern oder Architekten. Die Parlamentarier fordern, dass die Richtlinie jedoch nicht für Berufe gilt, in denen öffentliche Gewalt ausgeübt wird. Auch Notare sollen unter diese Ausnahmeregelung fallen. Im Gegensatz zum Rat wollen die Parlamentarier die automatische Anerkennung von medizinischen und zahnmedizinischen Spezialisierungen beibehalten, die in mindestens zwei Mitgliedsstaaten identisch sind.

Künftig sollen Berufsqualifikationen auf der Basis eines zwischen den EU-Ländern abgestimmten Systems von Mindeststandards anerkannt werden. Jeder Bürger, der in einem anderen EU-Land einen "regulierten" Beruf ausüben will, muss über dieselben Qualifikationen verfügen wie die in diesem Beruf tätigen Staatsangehörigen des Gastlandes. Ist das Ausbildungsniveau in Heimat- und Gastland nicht identisch, muss der Arbeitnehmer mindestens über ein Qualifikationslevel verfügen, das direkt unter dem liegt, welches er für das Ausüben seines Berufes im Gastland benötigt.

Die Richtlinie legt entsprechende Ausbildungs- und Trainingsstandards fest, die es umgekehrt ermöglichen sollen, gemeinsame Nenner für die Qualifikationsstandards der einzelnen Länder zu etablieren. Noch umstritten ist die endgültige Zahl der Standards zum Nachweis der Berufsqualifikationen: Während der Rat vier vorsieht, sind die Abgeordneten der Ansicht, dass fünf Standards der Realität der Ausbildungszyklen in den Mitgliedstaaten besser entsprechen.

Ein gemeinsamer Ausschuss soll künftig die derzeit zahlreichen Ausschüsse zur Anerkennung von Berufsqualifikationen ersetzen. Angesichts der unterschiedlichen nationalen Systeme und der Anzahl der Qualifikationen verlangen die Abgeordneten, dass Vertreter aller Berufsgruppen in die Arbeit und Entscheidungsfindung des gemeinsamen Gremiums einbezogen werden.

Um die Mobilität der Arbeitnehmer zu fördern, schlagen die Ausschussmitglieder vor, europaweit gültige Berufsausweise einzuführen. Ausgestellt werden könnten sie von auf EU-Ebene vertretenen Berufsverbänden oder -vereinigungen. Die Ausweise würden umfassende Angaben über den beruflichen Lebenslauf des Arbeitnehmers enthalten und könnten damit den Informationsaustausch zwischen Heimat- und Gastland beschleunigen.

Darüber hinaus soll das allgemeine System zur Anerkennung nicht einen Mitgliedstaat davon abhalten, jeder Person, die einen Beruf in diesem Mitgliedstaat ausübt, spezifische Erfordernisse vorzuschreiben, die durch die Anwendung der gerechtfertigten Berufsregeln begründet sind. Diese betreffen insbesondere die Regeln hinsichtlich der Organisation des Berufs, die beruflichen Standards, die Vorschriften für die Kontrolle und die Haftung.

Die Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen ist eng mit der Dienstleistungsrichtlinie verbunden. Ziel ist es, EU-weite Dienstleistungen zu vereinfachen, gleichzeitig aber die Mitgliedsstaaten mit Instrumenten auszustatten, um die Bedingungen zu kontrollieren, unter denen Arbeitnehmer aus anderen EU-Ländern tätig sein dürfen. Das allgemeine System zur Anerkennung von Berufsqualifikationen soll die Mitgliedstaaten nicht davon abhalten, jedem EU-Bürger, der einen Beruf in diesem Land ausübt, spezifische Erfordernisse vorzuschreiben, die durch gerechtfertigte Berufsregeln begründet sind. Diese betreffen vor allem die Organisation des Berufs, berufliche Standards sowie Vorschriften für Kontrolle und Haftung.

Nach der Annahme des Berichtes im Ausschuss haben der Berichterstatter, der Rat und die Kommission einen Kompromiss ausgehandelt, der fast alle heiklen Punkte dieser Gesetzgebung regelt. Nur bezüglich der Anzahl der Ausbildungsniveaus gibt es noch keine Übereinstimmung. Damit aber das Vermittlungsverfahren vermieden werden kann, muss es auch bei diesem Punkt vor der Abstimmung im Plenum zur Einigung kommen. Der genaue Wortlaut des Kompromisses lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
     
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