Bielefeld (idw) - Viele Insekten ertasten ihre nähere Umgebung mit beweglichen Fühlern. Dieses
aktive Erkennen von Objekten im Raum haben Forscher in einen neuen, mechatronischen Sensortyp umgesetzt. Er könnte
bald mobile Roboter bei ihrer Orientierung unterstützen.
Wenn Menschen im Finsteren durch einen unbekannten Raum gehen, strecken sie automatisch die Arme aus und verlassen
sich auf ihren Tastsinn. Zusätzlich die Arme zu bewegen, verringert die Gefahr, gegen ein Hindernis zu rumpeln.
Insekten haben dieses Prinzip optimiert: Mit langen Fühlern tasten sie in kreisenden Bewegungen ihre Umgebung
ab und finden sich dadurch selbst im unwegsamen Gelände zurecht. Stabheuschrecken etwa hangeln sich auf diese
Weise durch das Geäst. Einen technischen Tastsensor nach diesem Vorbild entwickelten Forscher des Fraunhofer-Instituts
für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg und der Universität Bielefeld. Er liefert mehr
Informationen über sein Umfeld als herkömmliche Tastsensoren und ist robuster und preiswerter als optische
Messverfahren, die mit Kameras arbeiten.
Ein Prototyp des künstlichen Fühlers ist zurzeit an einem autonom laufenden Insektenroboter der Universität
Bielefeld installiert. Zwei Motoren veranlassen den Stab zu oval kreisenden Bewegungen. An der frei schwingenden
Spitze sitzt ein Beschleunigungssensor. Anders als herkömmliche Tastsensoren, die nur an der Spitze auf Druck
reagieren, lässt sich der Fühler auf seiner ganzen Länge als Sensor nutzen. Abhängig von dem
Punkt, an dem der Fühler einen Gegenstand berührt - etwa in der Mitte oder im vorderen Drittel - misst
der Sensor an der Spitze eine andere Schwingungsfrequenz. "Ist das Hindernis nah am Sensor, so ist die Frequenz
hoch. Wenn es weit entfernt ist, schwingt die Spitze langsamer", erklärt Oliver Lange vom IFF das Messprinzip,
"ganz ähnlich wie bei einem Lineal, das an einem Ende am Tisch festgehalten wird und mit dem anderen
frei schwingen kann." Frequenz und Steuersignale der Motoren - also der Winkel des Stabs zum Zeitpunkt der
Berührung - liefern die Position des Hindernisses im Raum. "Mit einer Feedbackschleife könnte der
Sensor nach einem ersten Kontakt sogar sein Tastverhalten ändern und die Umgebung in einer Ecke genauer erforschen",
sagt Lange. "Das hätte den Vorteil, dass nur dann viele Daten anfallen, wenn eine Begegnung stattfindet."
Der Prototyp des Tasters ist in seiner Reichweite und Bewegung genau auf den Insektenroboter zugeschnitten. Das
zum Patent angemeldete Prinzip lasse sich aber einfach auf andere Anwendungen übertragen und auf die jeweiligen
Anforderungen anpassen, meint der Forscher. "Man könnte etwa mobile Roboter mit dem Sensor ausstatten",
schlägt Lange vor, "denn gerade in staubigen oder schmutzigen Umgebungen versagen viele optische Sensoren
und Kamerasysteme." |