Wien (pk) - Zusammenschlüsse von Marktteilnehmern, die mit der Absicht gebildet werden, Monopolgewinne
zu lukrieren, wurden lange Zeit als bedauerliche, aber unvermeidliche Erscheinungen des Geschäftslebens betrachtet.
Die Gesetzgebung zielte darauf ab, Kartelle unter bestimmten Voraussetzungen zu genehmigen, in weiterer Folge zu
beaufsichtigen und durch die Institution des Kartellbevollmächtigten zu "verwalten". Das geltende
Kartellgesetz trägt dementsprechend den Titel "Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen".
Die geänderte Zielsetzung eines kürzlich von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs für ein neu
konzipiertes Kartellgesetz kommt schon im Titel zum Ausdruck: "Bundesgesetz gegen Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen".
Obwohl dazu nicht ausdrücklich verpflichtet, schlägt die Bundesregierung vor, das neue Kartell- gesetz
weitgehend an das Gemeinschaftsrecht anzugleichen (Artikel 81 und 82 EG-Vertrag: Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen,
Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und Durchführungsverordnung aus dem Jahr 2004).
Bewährte institutionelle Regelungen und Verfahrensvorschriften des alten Gesetzes sollen mit geringen technischen
Anpassungen weitgehend unverändert bleiben. Von der Vereinheitlichung des Kartellrechts erwarten sich Regierung
und Wirtschaft Verwaltungsvereinfachungen und Vorteile für die Unternehmen. Mehrbelastungen des Bundes und
anderer Gebietskörperschaften seien ebenso wenig zu erwarten wie ein Entfall von Gerichtsgebühren, heißt
es dazu in den Erläuterungen.
Kartelle werden grundsätzlich verboten. Das nicht mehr zeitgemäße System der "Kartellverwaltung",
die Regelung unverbindlicher Verbandsempfehlungen, das Kartellregister und das Verbot unverbindlicher Preisempfehlungen
("Mondpreisverordnungen") sowie die Sonderbehandlung vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen können
entfallen. Über das Gemeinschaftsrecht hinaus wird das Kartellverbot auf einseitige Wettbewerbsbeschränkungen
ausgedehnt.
Für bestimmte Wettbewerbsbeschränkungen kann das Kartellverbot unter bestimmten Voraussetzungen in Einzelfällen
wie auch für Gruppen als nicht anwendbar erklärt werden. Dazu zählen Bagatellkartelle von Unternehmern,
deren inländischer Marktanteil unter 5 % liegt, die "Buchpreisbindung" und Wettbewerbsbeschränkungen
bei der Förderung von Genossenschaften sowie im Banken- und Agrarbereich. Gruppenfreistellungen obliegen der
Kommission. Bei Freistellungen im Einzelfall entscheiden Kommission und Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten
nebeneinander. Die Kommission behält aber ihren Vorrang: Die Zuständigkeit nationaler Wettbewerbsbehörden
fällt weg, wenn die Kommission ein Verfahren in einem Einzelfall einleitet.
Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz soll Anlegervertrauen verbessern
Angesichts Aufsehen erregender Konzernzusammenbrüche hat der Nationalrat am 29. Jänner 2004 in einer
Entschließung von der Bundesregierung Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in börsenotierte
Unternehmen und in die Finanzmärkte verlangt. Kürzlich hat der Ministerrat einen Entwurf für ein
Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz verabschiedet, mit dem Regelungen des Österreichischen Corporate Governance
Kodex ("ÖCGK") in das Aktienrecht übernommen werden sollen. Konkret geht es um eine höhere
Qualität der Abschlussprüfung, um bessere Finanzinformationen und um den Kampf gegen den Insiderhandel
( 927 d.B.).
Personen, die zur Wahl in den Aufsichtsrat antreten, sollen künftig die Hauptversammlung über alle Umstände
informieren müssen, die die Besorgnis einer Befangenheit begründen könnten. Dasselbe gilt für
Abschlussprüfer. Beraterverträge von Aufsichtsratsmitgliedern mit ihren Unternehmen müssen künftig
vom jeweiligen Aufsichtsrat genehmigt werden. Die Zahl von Aufsichtsratsmandaten pro Person bleibt auf zehn beschränkt,
ein Aufsichtsrats-Vorsitz soll aber doppelt zählen. Eine reduzierte, "privilegierte" Anrechnung
von Aufsichtsrats-Mandaten gilt bei mehreren Aufsichtsrats-Positionen innerhalb eines Konzerns sowie bei der Wahrnehmung
von Interessen öffentlich-rechtlicher Körperschaften und von beteiligten Unternehmen.
Der Aufsichtsrat eines börsenotierten Unternehmens muss künftig einen Prüfungsausschuss bestellen,
dem auch ein "Finanzexperte" angehören muss. Geschäftsführer und leitende Angestellter
dürfen den Prüfungsauschuss frühestens drei Jahre nach ihrem Ausscheiden aus ihrer Funktion führen.
In großen Gesellschaften sind künftig Abschlussprüfer ausgeschlossen, die Anteile an der geprüften
Gesellschaft haben oder an der Führung ihrer Bücher, an der internen Revision, an Managemententscheidungen,
an der Erstellung von Bewertungsgutachten oder an versicherungsmathematischen Leistungen beteiligt sind. Bei großen
Gesellschaften umfasst das Verbot auch Dienstleistungen bei der Einführung von Rechnungslegungssystemen und
die strategische Steuerberatung.
Statt der bisherigen "externen" Rotation des Abschlussprüfers nach sechs Jahren sieht die nunmehrige
"interne" Rotation für große Gesellschaften nicht mehr den Wechsel des Wirtschaftsprüfer-Unternehmens,
sondern der Person des Prüfers vor.
Die Stellung des Aufsichtsrats gegenüber dem Abschlussprüfer wird durch weitere Informationspflichten
des Prüfers und durch die Zuständigkeit des Aufsichtsrates zur Honorarvereinbarung gestärkt. Die
Verlässlichkeit von Finanzinformationen soll gesichert werden, indem der Emittent, also das Unternehmen, bei
Schadenersatz gegenüber geschädigten Anlegern auf verantwortliche Organmitglieder zurückgreifen
kann.
Kronzeugenprogramm für informationswillige Kartell-Aussteiger
Die 2004 in Kraft getretene EU-Verordnung zur Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln (Artikel
81 und 82 des EG-Vertrags) macht Anpassungen der österreichischen Rechtslage zweckmäßig. Die diesbezügliche
Regierungsvorlage ( 942 d.B.) für eine Wettbewerbsgesetznovelle stellt die Zuständigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde
für die Unterstützung der EU-Kommission und deren Zusammenwirken mit der Kommission und den Wettbewerbsbehörden
der Mitgliedstaaten klar. Bei der Anmeldung von Zusammenschlüssen wird die Bundeswettbewerbsbehörde künftig
eine Pauschalgebühr einheben. Mehr Transparenz erwartet die Bundesregierung von Informationen über Anträge
an das Kartellgericht von Seiten der Bundeswettbewerbsbehörde. Um die Aufdeckung von Kartellen zu erleichtern,
wird nach dem Vorbild vieler EU-Mitgliedstaaten auch in Österreich ein Kronzeugenprogramm eingeführt.
Es sieht als Gegenleistung für die "uneingeschränkt aus freien Stücken erfolgte Offenlegung
von Informationen zu einem Kartell" entweder völlige Straffreiheit oder eine wesentlichen Reduzierung
der Strafe vor. |