Neues Gesetz gegen Kartellunwesen  

erstellt am
19. 05. 05

Wien (pk) - Zusammenschlüsse von Marktteilnehmern, die mit der Absicht gebildet werden, Monopolgewinne zu lukrieren, wurden lange Zeit als bedauerliche, aber unvermeidliche Erscheinungen des Geschäftslebens betrachtet. Die Gesetzgebung zielte darauf ab, Kartelle unter bestimmten Voraussetzungen zu genehmigen, in weiterer Folge zu beaufsichtigen und durch die Institution des Kartellbevollmächtigten zu "verwalten". Das geltende Kartellgesetz trägt dementsprechend den Titel "Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen". Die geänderte Zielsetzung eines kürzlich von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs für ein neu konzipiertes Kartellgesetz kommt schon im Titel zum Ausdruck: "Bundesgesetz gegen Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen".

Obwohl dazu nicht ausdrücklich verpflichtet, schlägt die Bundesregierung vor, das neue Kartell- gesetz weitgehend an das Gemeinschaftsrecht anzugleichen (Artikel 81 und 82 EG-Vertrag: Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen, Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und Durchführungsverordnung aus dem Jahr 2004). Bewährte institutionelle Regelungen und Verfahrensvorschriften des alten Gesetzes sollen mit geringen technischen Anpassungen weitgehend unverändert bleiben. Von der Vereinheitlichung des Kartellrechts erwarten sich Regierung und Wirtschaft Verwaltungsvereinfachungen und Vorteile für die Unternehmen. Mehrbelastungen des Bundes und anderer Gebietskörperschaften seien ebenso wenig zu erwarten wie ein Entfall von Gerichtsgebühren, heißt es dazu in den Erläuterungen.

Kartelle werden grundsätzlich verboten. Das nicht mehr zeitgemäße System der "Kartellverwaltung", die Regelung unverbindlicher Verbandsempfehlungen, das Kartellregister und das Verbot unverbindlicher Preisempfehlungen ("Mondpreisverordnungen") sowie die Sonderbehandlung vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen können entfallen. Über das Gemeinschaftsrecht hinaus wird das Kartellverbot auf einseitige Wettbewerbsbeschränkungen ausgedehnt.

Für bestimmte Wettbewerbsbeschränkungen kann das Kartellverbot unter bestimmten Voraussetzungen in Einzelfällen wie auch für Gruppen als nicht anwendbar erklärt werden. Dazu zählen Bagatellkartelle von Unternehmern, deren inländischer Marktanteil unter 5 % liegt, die "Buchpreisbindung" und Wettbewerbsbeschränkungen bei der Förderung von Genossenschaften sowie im Banken- und Agrarbereich. Gruppenfreistellungen obliegen der Kommission. Bei Freistellungen im Einzelfall entscheiden Kommission und Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten nebeneinander. Die Kommission behält aber ihren Vorrang: Die Zuständigkeit nationaler Wettbewerbsbehörden fällt weg, wenn die Kommission ein Verfahren in einem Einzelfall einleitet.

Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz soll Anlegervertrauen verbessern
Angesichts Aufsehen erregender Konzernzusammenbrüche hat der Nationalrat am 29. Jänner 2004 in einer Entschließung von der Bundesregierung Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in börsenotierte Unternehmen und in die Finanzmärkte verlangt. Kürzlich hat der Ministerrat einen Entwurf für ein Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz verabschiedet, mit dem Regelungen des Österreichischen Corporate Governance Kodex ("ÖCGK") in das Aktienrecht übernommen werden sollen. Konkret geht es um eine höhere Qualität der Abschlussprüfung, um bessere Finanzinformationen und um den Kampf gegen den Insiderhandel ( 927 d.B.).

Personen, die zur Wahl in den Aufsichtsrat antreten, sollen künftig die Hauptversammlung über alle Umstände informieren müssen, die die Besorgnis einer Befangenheit begründen könnten. Dasselbe gilt für Abschlussprüfer. Beraterverträge von Aufsichtsratsmitgliedern mit ihren Unternehmen müssen künftig vom jeweiligen Aufsichtsrat genehmigt werden. Die Zahl von Aufsichtsratsmandaten pro Person bleibt auf zehn beschränkt, ein Aufsichtsrats-Vorsitz soll aber doppelt zählen. Eine reduzierte, "privilegierte" Anrechnung von Aufsichtsrats-Mandaten gilt bei mehreren Aufsichtsrats-Positionen innerhalb eines Konzerns sowie bei der Wahrnehmung von Interessen öffentlich-rechtlicher Körperschaften und von beteiligten Unternehmen.

Der Aufsichtsrat eines börsenotierten Unternehmens muss künftig einen Prüfungsausschuss bestellen, dem auch ein "Finanzexperte" angehören muss. Geschäftsführer und leitende Angestellter dürfen den Prüfungsauschuss frühestens drei Jahre nach ihrem Ausscheiden aus ihrer Funktion führen.

In großen Gesellschaften sind künftig Abschlussprüfer ausgeschlossen, die Anteile an der geprüften Gesellschaft haben oder an der Führung ihrer Bücher, an der internen Revision, an Managemententscheidungen, an der Erstellung von Bewertungsgutachten oder an versicherungsmathematischen Leistungen beteiligt sind. Bei großen Gesellschaften umfasst das Verbot auch Dienstleistungen bei der Einführung von Rechnungslegungssystemen und die strategische Steuerberatung.

Statt der bisherigen "externen" Rotation des Abschlussprüfers nach sechs Jahren sieht die nunmehrige "interne" Rotation für große Gesellschaften nicht mehr den Wechsel des Wirtschaftsprüfer-Unternehmens, sondern der Person des Prüfers vor.

Die Stellung des Aufsichtsrats gegenüber dem Abschlussprüfer wird durch weitere Informationspflichten des Prüfers und durch die Zuständigkeit des Aufsichtsrates zur Honorarvereinbarung gestärkt. Die Verlässlichkeit von Finanzinformationen soll gesichert werden, indem der Emittent, also das Unternehmen, bei Schadenersatz gegenüber geschädigten Anlegern auf verantwortliche Organmitglieder zurückgreifen kann.

Kronzeugenprogramm für informationswillige Kartell-Aussteiger
Die 2004 in Kraft getretene EU-Verordnung zur Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln (Artikel 81 und 82 des EG-Vertrags) macht Anpassungen der österreichischen Rechtslage zweckmäßig. Die diesbezügliche Regierungsvorlage ( 942 d.B.) für eine Wettbewerbsgesetznovelle stellt die Zuständigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde für die Unterstützung der EU-Kommission und deren Zusammenwirken mit der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten klar. Bei der Anmeldung von Zusammenschlüssen wird die Bundeswettbewerbsbehörde künftig eine Pauschalgebühr einheben. Mehr Transparenz erwartet die Bundesregierung von Informationen über Anträge an das Kartellgericht von Seiten der Bundeswettbewerbsbehörde. Um die Aufdeckung von Kartellen zu erleichtern, wird nach dem Vorbild vieler EU-Mitgliedstaaten auch in Österreich ein Kronzeugenprogramm eingeführt. Es sieht als Gegenleistung für die "uneingeschränkt aus freien Stücken erfolgte Offenlegung von Informationen zu einem Kartell" entweder völlige Straffreiheit oder eine wesentlichen Reduzierung der Strafe vor.
     
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