Neue Regierung Großbritanniens plant große Investitionen in den Infrastrukturausbau
– UK ist fünftgrößter Handelspartner Österreichs
Wien (pwk) - Seit dieser Woche steht das Regierungsteam der neuen britischen Regierung unter Tony
Blair fest. Bereits während des Wahlkampfes hat sich Blairs Labourpartei vor allem Wirtschaftanliegen zum
Thema gemacht. Folgenden Prioritäten stehen für die nächsten fünf Jahre an: Stärkung der
Wirtschaft, höherer Lebensstandard, schnellerer Zugang zu Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens,
Verbesserung des Schulsystems, Sicherheit in den Gemeinden, Verlängerung der Elternkarenz, Kinderbetreuung
sowie Entwicklungshilfe.
Ziel ist, aus Steuereinnahmen die notwendigen Investitionen in die britische Infrastruktur zu finanzieren. Trotz
mehrfacher Ankündigungen, dass keine Steuererhöhungen geplant sind, wird die Umsetzung des Regierungsprogramms
aber kaum ohne Steuererhöhungen finanzierbar sein. Dies vor allem auch angesichts der selbst auferlegten ‚Golden
Rule’, welche es der Regierung nicht erlaubt, Kredite aufzunehmen, um laufende Ausgaben zu finanzieren. „Die geplanten
Investitionen in die Infrastruktur bergen auch eine Menge Chancen für österreichische Unternehmen“, sagt
Gerhard Müller, österreichischer Handelsdelegierter in London. Weitere Punkte der neuen Regierung betreffen
Änderungen im Ausbildungssystem. Universitäten dürfen etwa ab dem kommenden Wintersemester Studiengebühren
bis zur Höhe von GBP 3.000,-- einführen (mit Ausnahme von Schottland). Das Pensionssystem soll reformiert
werden und der Plan einer verpflichtenden Privatversicherung wird wieder aufgenommen.
Großbritannien wird im zweiten Halbjahr 2005 die EU-Präsidentschaft von Luxemburg übernehmen. Das
anstehende Referendum über die EU-Verfassung wird die erste Bewährungsprobe des proeuropäischen
Premiers darstellen. Müller: „Da nach dem Vereinigten Königreich Österreich die EU-Präsidentschaft
im ersten Halbjahr 2006 übernehmen wird, kann erwartet werden, dass sich die hervorragend laufenden wirtschaftlichen
Beziehungen zwischen Österreich und Großbritannien noch intensivieren werden.“ Die in den letzten Jahren
für Österreich positive Entwicklung des bilateralen Handels mit Großbritannien hat 2004 zum bisherigen
Höchstwert bei den österreichischen Exporten (EUR 3,75 Mrd.) und auch zum weltweit zweithöchsten
Handelsbilanzaktivum (EUR 2,02 Mrd.) geführt. Großbritannien hält Rang 5 unter den bedeutendsten
Exportmärkten Österreichs. Gemäß Österreichischer Nationalbank betrug der Kapitalbestand
der österreichischen Direktinvestitionen (FDI) zum Jahreswechsel 2003/04 EUR 2.082 Mio. (5,1% des Kapitals
aller österreichischen FDI im Ausland). Im Laufe des vergangenen Jahres wurden österreichische FDI in
Höhe von EUR 190 Mio. getätigt. Dazu zählen u.a. der Kauf der drittgrößten Ziegelgruppe
durch die Wienerberger AG und der Erwerb des Jaguar Formel 1 Rennteams durch Red Bull. Großbritannien liegt
an fünfter Stelle der FDI-Zielländer und ca. 200 österreichische Tochtergesellschaften sind vor
Ort tätig.
Österreichische Firmen konnten 2004 v.a. im Investitionsgüter- und Infrastrukturbereich interessante
Großaufträge erhalten, die sich positiv auf die österreichischen Ausfuhren auswirken sollten: Fassadenbau
und Dachkonstruktionen (Waagner-Biro, GIG, Eckelt Glas), Sprachkommunikations-Systeme für öffentliche
Sicherheitsdienste und Eisenbahn (Frequentis), Büro- und Geschäftseinrichtungen: London Stock Exchange,
Reuters, Selfridges (Bene, Umdasch), Gleisreinigungs- und Instandhaltungsmaschinen (Plasser & Theurer), Biodieselanlage
mit einer Kapazität von 250.000 t/Jahr - bisher die größte Anlage weltweit - (ENERGEA Umwelttechnologie),
Biodieselanlage für Altölaufbereitung (BDI-Anlagenbau), Rahmenvertrag des britischen Verteidigungsministeriums
für die Lieferung von 5.000 Militär-LKW-Fahrgestellen (MAN-Sonderfahrzeuge).
Die Außenhandelsstelle London setzt alles daran, österreichischen Unternehmen den britischen Markt schmackhaft
zu machen. Unter anderem werden folgende Messebeteiligungen mit österreichischen Gruppenausstellungen veranstaltet:
Lebensmittelfachmesse („IFE“), Fachmesse für den Bedarf von Kreuzfahrt-Schiffen u. Fähren („Cruise &
Ferry“), Weinfachmesse („LIWSF“), Offshore Erdöl- und Erdgasförderung (Offshore Europe 2005) u. die Militärfachmesse
„DSEi“. Weiters werden österreichische Firmen auf die Geschäftschancen in den Bereichen „Umwelttechnik“
und „Automatisierung“ in Form von Marktstudien und Informationsveranstaltungen aufmerksam gemacht. Erstmals wird
auch der Sektor „Creative Industries“ nach Geschäfts- und Kooperationsmöglichkeiten für österreichische
Firmen durchleuchtet. Weiters soll ein Investitionsseminar die im Vereinigten Königreich tätigen Europazentralen
nordamerikanischer und asiatischer Konzerne über die Bedeutung des Standorts Österreich für den
Vertrieb in die zentral- und osteuropäischen Länder informieren.
Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens ist positiv. Auch im abgelaufenen Jahr konnte
mit einem realen Wirtschaftswachstum von 3,1% (2003: +2,2%) wieder das beste Wirtschaftswachstum innerhalb der
großen EU-Länder erzielt werden. Hauptantriebsmotor war vor allem die starke Inlandsnachfrage. Die privaten
Konsumausgaben der britischen Haushalte sind aber schneller angewachsen sind als die Durchschnittseinkommen. Der
Privatkonsum ist somit groß teils kreditfinanziert. Die Privatverschuldung beträgt derzeit ca. GBP 1,07
Billionen (136% der verfügbaren Haushaltseinkommen) und hat somit den höchsten Verschuldungsstand seit
den späten 80er-Jahren erreicht. Einen beachtlichen Beitrag zum britischen BIP leistet auch der Bausektor.
Verantwortlich dafür sind die hohen Staatsausgaben für Ausbau und Erneuerung der Infrastruktur. Das Vereinigte
Königreich punktet derzeit mit den besten Arbeitsmarktzahlen europaweit. Die Beschäftigungsquote lag
Ende 2004 bei 74,7% und mit einer Arbeitslosenquote von 4,8 % (2003: 5 %) weist UK die niedrigste Quote innerhalb
der G7-Staaten (Ausnahme Japan) auf. |