Wirtschaftspolitik / Rekordgewinne und Rekordgehälter  

erstellt am
30. 05. 05

 Moser: "Geiz macht arm" - Mehr Investitionen für mehr Wachstum
SPÖ-Wirtschaftssprecher kritisiert Rekorde bei Managergehältern und Gewinnen bei gleichzeitiger Rekordarbeitslosigkeit
Wien (sk) - SPÖ-Wirtschaftssprecher Johann Moser hat am Freitag (27. 05.) in einer Pressekonferenz auf gravierende Fehlentwicklungen im Wirtschaftsgeschehen aufmerksam gemacht, die zu einer immer ungleicheren Verteilung von Einkommen zwischen Reich und Arm führen. Moser hält es für ethisch nicht mehr vertretbar, wenn durchschnittliche Arbeitnehmer 100 bis 150 Jahre lang arbeiten müssten, um ein Jahresgehalt des Vorstandsvorsitzenden ihres Unternehmens zu verdienen. Die ungleiche Verteilung der Einkommen - Löhne stagnieren, Gewinne steigen - hätten auch negative Auswirkungen auf Nachfrage und Wachstum, erklärte Moser. Er spricht sich einerseits für eine stärkere Verpflichtung von Managern auf das Gemeinwohl aus, andererseits soll die Wirtschaftspolitik Sachinvestitionen besser fördern.

Moser machte die von ihm kritisierte Fehlentwicklung an einer Reihe von Merkmalen fest: Auf der einen Seite stehen Rekordgewinne bei Unternehmen, Rekordgagen von Managern, Rekorddividenden, Finanzinvestitionen nehmen zu - auf der anderen Seite stehen steigende Arbeitslosigkeit, stagnierenden Realeinkommen, sinkende Lohnquoten, Ausverkauf von Volksvermögen und: "Die Wirtschafts stottert." Immer mehr Menschen würden ärmer, während sich ein paar Leute bereichern, so Moser.

Er belegte seine Thesen mit einer Reihe von Zitaten "unverdächtiger" Zeugen. So hat der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geissler gesagt: "Die Gier zerfrisst den Herrschern ihre Gehirne", Porsche-Chef Wendelin Wedekind hat gemeint: "Geiz ist eine Todsünde"; und der Schriftsteller Günther Grass beklagte: "Fragen nach den Gründen für die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich werden als Neiddebatte abgetan."

Anhand einiger österreichischer Unternehmen machte der SPÖ-Wirtschaftssprecher die enorme Diskrepanz zwischen den Gagen der Topmanager und den Arbeitnehmern deutlich. Ein Facharbeiter bei Magna müsste 155 Jahre lang arbeiten, um soviel zu verdienen wie der Europavorstand in einem Jahr; oder eine Kassierin der Erste Bank müsste 120 Jahre lang tätig sein, um so viel zu verdienen wie ihr Chef. Dabei betonten Moser, dass er die Manager der genannten Unternehmen sämtlich für erfolgreiche und international anerkannte Persönlichkeiten hält.

Die "Kernfrage" ist nach Ansicht des SPÖ-Wirtschaftssprechers freilich, wie werden die Gewinne verteilt, was machen die Unternehmen mit den Gewinnen. Denn jedes Unternehmen müsse Gewinne machen, um seinen Fortbestand zu sichern. Die aktuelle Entwicklung, dass die Gagen der Manager ungebremst steigen und die Ausschüttungen ebenfalls, gehe letztlich auf Kosten des Unternehmens. Notwendig wären Sachinvestitionen.

Unter der geschilderten Entwicklung - die immer ungleichere Verteilung von Einkommen und der immer geringer Neigung der Unternehmen zu Sachinvestitionen - leidet die Nachfrage; dabei sei die herrschende Wachstumsschwäche überwiegend auf die zu geringe Inlandsnachfrage zurückzuführen, erläuterte Moser.

Für eine Besserung sieht Moser derzeit keine Anzeichen; denn die Unternehmen investieren, wenn überhaupt, immer stärker in Finanzwerte, die Sachinvestitionen gehen gleichzeitig zurück. Damit wird auch kein Wachstum geschaffen. Moser veranschaulichte das am Beispiel der Übernahme der VA-Tech durch Siemens. "Damit entsteht kein einziger zusätzlicher Arbeitsplatz", so Moser, "im Gegenteil: In Summe ist volkswirtschaftlich für die Österreicher weniger da als vorher."

Unter den gegebenen Bedingungen sei keine Besserung am Arbeitsmarkt zu erwarten. Für heuer erwartet Moser 300.000 Arbeitslose im Jahresdurchschnitt (inklusive Schulungen); für bedenklich hält es der SPÖ-Wirtschaftssprecher, dass die Reallöhne seit dem Jahr 2000 nur um 0,2 Prozent, also praktisch gar nicht, gestiegen sind. Das zeigt sich auch an der Lohnquote am BIP, die von 54,2 Prozent 1993 auf 51,6 Prozent im Jahr 2003 gesunken ist. Neben den Arbeitnehmern seien auch zahlreiche Klein- und Mittelbetriebe Leidtragende stagnierender Löhne. Denn den Rekordergebnissen mancher Großbetriebe steht mit 30 Konkursen pro Tag auch ein Rekordwert gegenüber.

Der SPÖ-Wirtschaftssprecher hat auch eine Reihe von Lösungsansätzen präsentiert, für eine gerechtere Verteilung der Einkommen, für Vollbeschäftigung und Wachstum. Am Anfang stehe die Einsicht: "Nur wenn es den Menschen gut geht, geht es auch der Wirtschaft gut". Vollbeschäftigung ist ein deklariertes Ziel der SPÖ. Die SPÖ habe eine fertiges Konjunkturprogramm, mit dem das Wirtschaftswachstum sofort um 1,5 bis 2 Prozentpunkte gesteigert würde. Damit könnte auch sehr rasch die Arbeitslosenzahl um 30.000 bis 40.000 gesenkt werden, betonte Moser.

Außerdem schlägt Moser vor, das "Eigentümervakuum" zu füllen; es fehle in Österreich eine funktionierende Kernaktionärsstruktur, die für eine nachhaltige Entwicklung der Unternehmer wichtig sei. In "eigentümerlosen" Unternehmen liege der Focus zu stark auf der kurzfristigen Gewinn- und Kursentwicklung. Moser will daher in eine zu schaffende Infrastrukturholding die noch verblieben ÖIAG-Anteile einbringen.

Weiters will die SPÖ Investitionen fördern: Einerseits mit direkter Förderung über einen Risikokapitalfonds, andererseits steuerlich mit der Wiedereinführung des Investitionsfreibetrags und der Ausweitung der steuerlichen Begünstigung nicht ausgeschütteter Gewinne auf Kapitalgesellschaften (dabei soll freilich die steuerfreie Ausschüttung nach sieben Jahre gestrichen werden).

Für Manager schlägt Moser so etwas wie einen "hippokratischen Eid" vor, um die Orientierung am Gemeinwohl zu verstärken. Weiters fordert Moser, dass börsennotierte Unternehmen die Vorstandsgehälter veröffentlichen. Außerdem soll der gesamte Aufsichtsrat in Gehaltverhandlungen einbezogen werden; und die steuerliche Begünstigung von Stock Options soll gestrichen werden. So will Moser eine "Korrektur des aus dem Ruder laufenden Austro-Kapitalismus" erreichen.

Angesprochen auf die sogenannte Kapitalismus-Debatte, die vor einigen Wochen in Deutschland ihren Anfang genommen hat, meinte Moser: "In Österreich läuft alles immer etwas gemütlicher ab" - zumindest die Debatte. In der Sache stellte er klar, dass es hier keineswegs um einen neuen Klassenkampf gehe, im Gegenteil: "Wir brauchen dynamische, gewinnorientierte Unternehmen." Aber der Markt brauche in manchen Bereichen Korrekturen und Ergänzungen.

 

 Kopf: Nein zum Import der populistischen Kapitalismusdebatte
Soziale Marktwirtschaft hat sich durchgesetzt, weil es die Menschen so wollen, SPÖ einmal mehr in der Rolle des Angstmachers
Wien (övp-pk) - "Österreich ist anders. Wir lassen keine populistische und polemische Kapitalismusdebatte aus Deutschland importieren, so wie das SPÖ-Wirtschaftssprecher Moser versucht", sagte Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karlheinz Kopf am Freitag (27. 05.). In Österreich gelte das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. "Und das ist gut so, denn dieses Modell hat sich als das entscheidende europäische Wirtschaftsmodell durchgesetzt. Und zwar nicht, weil es nur die Unternehmer wollen, sondern weil es vor allem die Menschen so wollen", betonte Kopf. Die Geschichte habe längst ein Urteil über die Alternativen zum marktwirtschaftlichen System gefällt, nämlich jenes, dass es keine Alternative gebe.

"Die Kapitalismusdebatte, so wie sie in Deutschland geführt wird, kritisiert das Fundament unseres Wohlstands und damit auch die Tatsache, dass es den Menschen in Österreich grundsätzlich gut geht", sagte Kopf. Mit dieser Form der Kapitalismuskritik werde den Menschen Angst gemacht und schade dem einzelnen ebenso wie der gesamten Wirtschaft. "Mit einer derartigen Kritik sägt man daher am eigenen Ast des österreichischen Wohlstands", so Kopf.

Kopf betonte in seinen Ausführungen weiters, "dass die Menschen ein freies und soziales Wirtschaftssystem wollen, in dem sie mitentscheiden und teilnehmen können. Sowohl die Jammerei als auch die damit verbundene wenig konstruktive Kritik am Kapitalismus schaffen keinen einzigen Arbeitsplatz. Statt der alten Hüte aus der sozialistischen Mottenkiste sind Mut und Offenheit gefragt. Anstatt Ängste zu verbreiten, sollten wir daher gemeinsam an der Zukunft des heimischen Standortes arbeiten und unsere nationalstaatlichen Spielräume für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik nutzen", so Kopf abschließend.
     

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