Hilfe für traumatisierte Kinder und Jugendliche  

erstellt am
25. 05. 05

Buchinger präsentierte länderübergreifendes Forschungsprogramm
Salzburg (lk) - Unter dem Titel „Es passiert täglich – Körperliche und seelische Gewalt, Unfälle, Tod und Sterben führen zu Traumatisierungen bei Kinder und Jugendlichen“ wurde am Dienstag (24. 05.) in Linz bei einem Informationsgespräch ein länderübergreifendes Fortbildungsprogramm präsentiert. Der Salzburger Sozialreferent Landesrat Dr. Erwin Buchinger präsentierte gemeinsam mit seinem Kollegen Josef Ackerl aus Oberösterreich das Projekt des Ambulatoriums „Boje“ zur besseren Betreuung von Traumatisierungsopfern. Ziel ist es, im Bereich der Krisenintervention Traumatisierungen von Kindern frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. „Ich finde es gut, dass hier eine länderübergreifenden Kooperation stattfindet – schließlich machen die Probleme ja auch nicht an den Landesgrenzen halt“, betonte Buchinger.

Vergleichszahlen aus Deutschland zeigen, dass knapp 23 Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren ein traumatisches Erlebnis verarbeiten müssen – sei es jetzt Gewalt, Unfälle oder den Tod nahe stehender Personen. Die Folgen unbearbeiteter traumatischer Erlebnisse sind in gelinderen Fällen Angst, Schlaflosigkeit und psychosomatische Beschwerden, in schwierigen Fällen Depressionen und Angstzustände, die sich bis ins Erwachsenenalter hinziehen. Die schwersten psychischen Störungen weisen Kinder auf, die Gewalterfahrungen hatten beziehungsweise sexuell missbraucht wurden. Hier geht die Bremer Studie in 35 Prozent beziehungsweise 58 Prozent der Fälle (sexueller Missbrauch) von schwersten psychischen Schäden aus. Aber auch Kinder, die Unfälle, lebensbedrohliche Krankheiten oder den Tod nahe stehender Personen erleben, sind von Traumatisierungen betroffen.

Hilfe und Fortbildung
Die Mitarbeiter für solche Traumatisierungen zu sensibilisieren, ist das Ziel des länderübergreifenden Fortbildungsangebotes. Das Know-how kommt dabei vom Ambulatorium „Boje“ aus Wien. Bei diesem Projekt werden qualitativ hochwertige Fortbildungskurse für Sozialpädagog/innen, Lehrer/innen oder Beamte aus der Jugendwohlfahrt im Kolpinghaus in Salzburg durchgeführt. „Früherkennung ist ein Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung traumatischer Ereignisse. Die Schulung soll den Schlüsselkräften Möglichkeiten zur Früherkennung vermitteln, ihnen dann aber auch Wege zeigen, wie man mit den Traumatisierungen behutsam und professionell umgeht“, erläuterte Buchinger das Ausbildungsziel.

Verschärfte soziale Lage verursacht Druck auf Kinder
Der zunehmende soziale Druck (stärkere Belastung am Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit, sozialer Abstieg) wirke sich auch in zunehmendem Ausmaß auf die Kinder aus, warnte Landesrat Buchinger. „In den vergangenen Jahren sind die Fallzahlen in der Jugendwohlfahrt kontinuierlich gestiegen – obwohl unsere Gesellschaft eher älter wird. Momentan sind die jetzigen Kapazitäten des Landes Salzburg bis zum letzten Platz ausgeschöpft.“ Zum Teil sind die steigenden Fallzahlen durch die gestiegene Sensibilität in der Bevölkerung zu erklären – etwa was Themen wie sexuellen Missbrauch betrifft. Aber auch „klassische“ Fälle wie Verwahrlosung, Gewalt und Armut spielen eine immer größere Rolle. Noch reichen die Betreuungskapazitäten des Landes, aber wenn der Trend anhält, muss das Land mehr Plätze anbieten, warnte Buchinger.

Fallbeispiel
Ein Fallbeispiel: Der Vater des zehnjährigen Florian beging Selbstmord. Um das Kind zu schützen, erzählte die Mutter dem Sohn, dass der Vater an Herzinfarkt gestorben sei. Der Bub kam rund ein halbes Jahr nach diesem Ereignis wegen des massiven Leistungsabfalls in der Schule und Schlafstörungen in die Beratungsstelle. Florian wusste nämlich genau, dass sein Vater sich vor den Zug geworfen hatte, und meinte: „Ich weiß, woran der Papa gestorben ist, aber die Mama weiß nicht, dass ich es weiß, und, sie wäre auch unglücklich, wenn sie wüsste, dass ich es weiß.“ In der Folge ermöglichten gemeinsame Gespräche, gemeinsames Trauern einen anderen Umgang mit dem Verlust des Vaters und konnten die Beziehung zwischen Mutter und Sohn von den belastenden Heimlichkeiten befreien. Offenheit und Ehrlichkeit sind für Kinder viel leichter zu ertragen als beschönigende, gut gemeinte Unwahrheiten, hieß es beim Informationsgespräch.
     
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