Burgstaller: 60 Jahre Konsens der politischen Eliten / Am 24. Mai 1945 erste Sitzung der Landesregierung
nach dem 2. Weltkrieg
Salzburg (lk) - Eingangs der Beratungen der Salzburger Landesregierung am Montag (23. 05.) hat
Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller namens der Regierung an die Konstituierung der Landesregierung am 24. Mai
vor 60 Jahren erinnert. Die demokratischen Parteien hätten bei ihrer Zusammenarbeit 1945 an die Konsensbereitschaft
der maßgeblichen politischen Akteure der Zwischenkriegszeit anknüpfen können, die in Salzburg dem
Ringen der politischen Lager manches an Heftigkeit genommen hatten, so Burgstaller. Die in Salzburg schon über
weite Strecken der Ersten Republik praktizierte Bereitschaft zum Konsens der politischen Eliten konnte dann nach
dem Wiedererstehen Österreichs im Mai 1945 trotz nach wie vor fragmentierter Basis und trotz der gegebenen
weltanschaulichen Differenzen sogar als bundesweites Modell dienen, so Burgstaller. Alle staatstragenden Kräfte
hätten damals in der schwierigen Zeit des Neubeginns und des Wiederaufbaues zum Wohle des Landes und zum Besten
für Österreich das Verbindende über das Trennende gestellt. Dieses Vermächtnis der Männer
und Frauen der ersten Stunde gelte über das Heute hinaus.
Bereits Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner in Salzburg hätten sich Vertreter der Christlichsozialen Partei
und der Sozialdemokratischen Partei informell über die Zusammenarbeit und die Bildung einer Landesregierung
nach dem Zusammenbruch der Nazi-Herrschaft in Salzburg geeinigt, unterstrich Burgstaller. Bereits einen Tag nach
dem Einmarsch der Amerikaner am 4. Mai 1945 sei versucht worden, mit dem amerikanischen Militärkommandanten
zwecks Bildung einer Landesregierung Kontakt aufzunehmen, was zunächst nicht gelang. Dessen ungeachtet bezogen
aber die Mitarbeiter/innen der demokratischen Parteien provisorisch Sekretariate im Chiemseehof und instruierten
den als Landesamtsdirektor bestimmten Hofrat Dr. Karl Stemberger dafür zu sorgen, dass die "untragbaren
Nazibeamten aus den Ämtern entfernt und diese so organisiert werden, dass sie von der Militärregierung
als brauchbares Instrument für die Verwaltung des Landes anerkannt und verwendet werden können".
Parallel zu den Bestrebungen der Christlichsozialen und der Sozialdemokraten liefen Versuche eines 20er-Komitees,
den in der Widerstandsbewegung aufgetretenen Kommunisten Lipp als Landeshauptmann einzusetzen und ihm Vertreter
der früheren in der Landesregierung vertretenen Parteien als Mitglieder beizugeben. Diese Variante wurde jedoch
von den Christlichsozialen und den Sozialdemokraten abgelehnt.
Am 15. Mai fand unter Vorsitz des Bürgermeisters der Stadt Salzburg, Ing. Richard Hildmann, eine Besprechung
statt, bei der man vereinbarte, dem amerikanischen Kommandanten in Salzburg, Gouverneur Oberst Russel v. D. Janzan,
einvernehmlich Dr. Adolf von Schemel (Christlichsoziale) als Landeshauptmann, Anton Neumayr (Sozialdemokraten)
als Landeshauptmann-Stellvertreter, Hans Meißnitzer (Kommunist) als Landesrat, Bartholomäus Hasenauer
(Christlichsoziale) als Landesrat, Herbert Gross (parteilos) als Landesrat und Franz Peyerl (Sozialdemokraten)
als Landesrat vorzuschlagen. Dieser Vorschlag war getragen von der Überzeugung, "dass diese Regierung
vom ganzen Volke Salzburgs gestützt sein müsse".
Begründet wurde die Auswahl dieser Personen damit, "dass die aufgestellten Herren Opfer der Naziregierung
sind, in Kerkern und Konzentrationslagern von den Nazi-Terroristen eingesperrt worden waren und durch ihre Tätigkeit
in der Widerstandsbewegung gegen die Naziherrschaft und in ihren Erfahrungen auf dem Wirtschafts- und Verwaltungsgebiet
allgemeines Ansehen genießen, sodass mit Recht gesagt werden kann, dass das ganze antinazistisch gesinnte
Volk hinter Ihnen steht".
Am 23. Mai wurden die genannten Personen als Regierungsmitglieder vom amerikanischen Militär-Gouverneur anerkannt.
Am 24. Mai konstituierte sich sodann die Landesregierung. Eine entsprechende Mitteilung erging an die Bundesregierung
in Wien nicht ohne den Hinweis, "dass sie, (die Landesregierung, Anm.), nach Anerkennung der Bundesregierung
durch die Alliierten, in verfassungsmäßiger Weise sich der Bundesregierung unterstellen wird".
Festgehalten wurde ferner, dass man bei der Bildung der Landesregierung sich vom Grundsatz leiten ließ, dass
"die in Salzburg bestehenden Parteien Berücksichtigung finden müssen".
Die Tagebuch-Notizen von Landeshauptmann Adolf Schemel belegten, wie sich bereits im März/April 1945 die früheren
politischen Eliten im Lande auf einen demokratischen Neubeginn vorbereiteten. Zunächst von der Militärregierung
vielfach behindert, so Burgstaller, sei ein Ringen zwischen den sich etablierenden Parteien und der Widerstandsbewegung
um den Anspruch auf die politische Repräsentanz der Salzburger Bevölkerung entbrannt. In diesem Ringen
seien die politischen Parteien siegreich geblieben. Sie errichteten Dreier-Ausschüsse für verschiedene
lebenswichtige Belange, beginnend mit dem Aufbau einer Landesverwaltung, versuchten eine weitgehende personelle
Einbindung der Widerstandsbewegung und reaktivierten die alten Interessenvertretungen. Der mühsame Lernweg
in Richtung Demokratie hatte begonnen. Im Sommer und Frühherbst 1945 sei Salzburg aufgrund seiner günstigen
geografischen Lage auch zum Mittelpunkt der Bemühungen um die Wiedervereinigung der westlichen und östlichen
Bundesländer geworden. |