Vom Experten-Workshop "Selbstbestimmte und persönliche Entwicklung unter den Bedingungen
des Wandels" an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Jena (idw) - Jugendliche, die in Zeiten von Wirtschaftskrisen aufwachsen, gehören nicht zwangs-
läufig zu einer verlorenen Generation. Sie können sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen, hat
am Sonntag (05. 06.) Glen H. Elder bei einem Workshop von Entwicklungspsychologen und Transformationsforschern
der Friedrich-Schiller-Universität Jena dargestellt.
Elder ist Soziologie-Professor an der University of North Carolina at Chapel Hill (USA) und hat in einer ausführlichen
Studie die Entwicklung Jugendlicher untersucht, die die Farmkrise in Iowa während der 1970er Jahre miterlebt
haben. Damals brach in diesem Korngürtel der USA aufgrund der politischen Bedingungen der Absatz ein, die
Farmen verloren etwa die Hälfte ihres Wertes. Schließungen und Abwanderungen - sowie Absturz der Farmer
in Alkoholismus bis hin zu verstärkten Selbstmorden - waren die Folge. Vermutet hat die Wissenschaft bei einer
solchen Krisenkonstellation, die an die Bedingungen der Bauern in der DDR zu Wendezeiten erinnert, dass die Jugendlichen
ins Abseits geraten, zur "verlorenen Generation" werden würden.
Doch Prof. Elder ermittelte ganz andere, Mut machende Ergebnisse, wie er bei der Tagung darstellte, die vom Jenaer
"Center for Applied Developmental Science" (CADS) und dem Sonderforschungsbereich der Universität
zur Transformationsforschung (SFB 580) ausgerichtet wird. Vier bis fünf Jahre nach der Krise wandelten sich
die Effekte ins Gegenteil: Statt Depression bildete sich Unverwüstlichkeit. Die Kinder entwickelten sich positiv,
gehörten in der Schule zu den Besten und nahmen auch bei anderen Aktivitäten - von Sport bis Kirche -
führende Positionen ein.
Ursachen für diese unerwartete Entwicklung fand Prof. Elder vor allem in einem neuen Sozialverhalten der Farmer.
Während sie früher eher einzeln und alleine agierten, schlossen sich die Farmerfamilien nun verstärkt
mit anderen Einheiten zusammen. Zum Teil waren dies andere Farmer, mit denen man gemeinsam den Boden bewirtschaftete,
aber auch der Kontakt zu anderen Familien oder Einrichtungen wurde verstärkt. "Es bildeten sich Netzwerke
der Hilfe", erläuterte Elder. Diese Netzwerke wuchsen zu einer Größe und führten damit
zu erhöhtem Einfluss, der wiederum dem beteiligten Individuum zugute kam.
Die aus der Krise gewachsene Größe zeigte sich auch in den einzelnen Familien. Dort blieb der Familienverband
häufig länger zusammen, die jungen Erwachsenen zogen nicht weg, sondern blieben im Familienverband, der
von den Großeltern über drei bis vier Generationen reichte. Dies wiederum half gerade den Jugendlichen,
denn sie hatten mit den Großeltern andere Gesprächspartner als die Eltern, gegen die pubertierende Kinder
eher rebellieren. "Die Größe führte zum Erfolg", fasst Elder zusammen und ergänzt,
dass die Vorfahren der Farmer in der untersuchten Region vor allem aus Deutschland stammten. Das habe die Bildung
der Netzwerke erleichtert, erläutert er, da auf einer Gemeinsamkeit leichter aufgebaut werden kann. |