Zwei neue Bürger in alter Heimat  

erstellt am
03. 06. 05

Eberle als Patin bei Bartgeierfreilassung an der Glocknerstraße
Salzburg (lk) - Im Alpenraum wurde der Bartgeier während des 19. Jahrhunderts intensiv verfolgt und schließlich ausgerottet. Die Hohen Tauern und die Westalpen waren schon damals sein hartnäckiges Rückzugsgebiet, doch auch hier wurde der 1935 im Felbertal der letzte Bartgeier erlegt. In Europa überlebten Bartgeier nur in den Pyrenäen, auf Korsika und Kreta, sowie in sehr geringer Zahl auf dem griechischen Festland. Die Bestände sind aber auch dort heute als sehr gefährdet einzustufen.

Mit der Freilassung von zwei Bartgeiern am Donnerstag (02. 06.) nahe der Fuscherlacke an der Großglockner Hochalpenstraße ist freilich nur ein weiterer kleiner Schritt in Richtung der nachhaltigen Wiederansiedlung der Bartgeier im Alpenraum getan, ist sich Nationalpark Landesrätin Doraja Eberle bewusst. Landesrätin Eberle ist Patin eines der heute freigelassenen zwei Tiere, die Patenschaft über den zweiten Bartgeier haben die Österreichischen Lotterien übernommen.

Die heutige Freilassung der beiden Bartgeier ist Teil eines Gemeinschaftsprojektes des Nationalparks Hohe Tauern mit dem WWF Österreich, der Veterinärmedizinischen Universität Wien, der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt und des Vereins Eulen- und Greifvögelschutz Österreich. Neben dem Land Salzburg unterstützen dieses Projekt: die Salzburger Jägerschaft, die Foundation for Conservation of the Bearded Vulture, die Freunde des Nationalparks Hohe Tauern, die Österreichischen Lotterien, das Lebensministerium und die Europäische Union. Landesrätin Eberle dankt allen Projektträgern und Förderern. Bartgeier kennen weder Landes- noch Staatsgrenzen, diesem Umstand wird die breite Zusammenarbeit im Sinne eines internationalen Natur- und Artenschutzes bestens gerecht.

Wiederansiedlung seit 1978
Die Geschichte des Wiederansiedlungsprojektes, eines der bedeutendsten Artenschutzprojekte Österreichs, reicht bis ins Jahr 1978 zurück. Eine internationale Kooperation von Naturschutzorganisationen, Behörden, Universitäten, Zoos und Nationalparks war der Grundstein. Schließlich ist es im Alpenzoo Innsbruck gelungen, die ersten Bartgeier aufzuziehen.

Im Jahr 1986 wurden nach Aufbau eines Zuchtnetzes unter Beteiligung von 30 Tiergärten, sowie nach umfangreichen Studien im Rauriser Krumltal, im Salzburger Anteil des Nationalparks Hohe Tauern, die ersten jungen Bartgeier freigelassen. Weitere Freilassungen folgten in Frankreich (Hochsavoyen, Mercantour), in der Schweiz (Graubünden) und in Italien (Stilfserjoch, Alpi Marittime). Insgesamt wurden im Alpenraum 129 Tiere ausgewildert, 39 davon im Nationalpark Hohe Tauern, ist Landesrätin Eberle stolz auf den österreichischen Beitrag.

Mit der Aufzucht und der Freilassung junger Bartgeier beginnt aber erst eine weitere aufwendige Arbeit, ohne die an eine erfolgreiche Wiederansiedlung nicht zu denken wäre, berichtet Landesrätin Eberle. Um den weiteren Weg und das Verhalten der Bartgeier verfolgen zu können, wurde ein wissenschaftliches Monitoring eingerichtet. Über den ganzen Alpenraum besteht ein Netzwerk freiwilliger Beobachter: Menschen aus der Region, Jäger, Ornithologen, Bauern, Nationalpark Mitarbeiter, etc. Das Monitoring wird in Österreich seitens des Nationalparks Hohe Tauern betreut, auch die Federführung der internationalen Koordination liegt beim Nationalpark Hohe Tauern. Gelder aus dem LIFE-Programm der Europäischen Union ergänzen deren nationale Finanzierung.

Größter Greifvogel der Alpen
Mit Flügelspannweiten bis zu 3 Metern ist der Bartgeier der größte Greifvogel in den Alpen. Als hervorragender Segler bewohnen Bartgeier die Gebirgsregion oberhalb der Waldgrenze, ihre Reviere sind 100 bis 400 Quadratkilometer groß. In Horsten, in Felsnischen angelegt, werden während des Winters zumeist zwei Eier ausgebrütet. Nach rund 54 Tagen schlüpfen die Jungtiere, wobei nur eines aufgezogen wird. Die ungewöhnliche Brutzeit hängt mit dem Nahrungsangebot zusammen. Bartgeier sind Aasfresser und am Ende des Winters ist im Gebirge dieses Nahrungsangebot eben sehr groß.

Bis zu 80 Prozent der Nahrung der Bartgeier besteht aus Knochen, Sehnen und Bändern, also bereits aus dem, was andere Aasfresser über lassen. Nur ein leistungsstarker Verdauungsapparat und entsprechende Magensäfte sind in der Lage die darin enthaltenen Nährstoffe nutzbar zu machen. Typisch für die Bartgeier ist, dass zu große Knochen auf schräge Felsplatten fallen gelassen werden, wo sie zersplittern.

Als sich der Bartgeier im 19. Jahrhundert noch einer gesunden Population erfreuen konnte wurde er vom Menschen zu einer gefährlichen Bestie hochstilisiert, wie zahlreiche Fabeln und Legenden nachvollziehbar machen. Nicht nur Lämmer-, sondern auch Kinderraub wurde dem Bartgeier nach dem Volksmund angedichtet („Lämmergeier“). Die Verfolgung des Bartgeiers wurde mancherorts sogar mit der Bezahlung von Prämien forciert und ging bis zum Einsatz von Giftködern.
     
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