MONSAF- intelligente Ursachenforschung für Piloten  

erstellt am
03. 06. 05

Graz (fh joanneum) - Die Flugsicherheit rückt in der zivilen Luftfahrt durch das steigende Verkehrsaufkommen und neue, größere Flugzeugmuster immer stärker in den Vordergrund. Dabei geht es schon längst nicht mehr nur um technische Verbesserungen an den Luftfahrzeugen selbst, sondern verstärkt um die Möglichkeit, Flugverläufe umfassender als heute zu analysieren, zu kategorisieren und zu dokumentieren. Der Studiengang „Luftfahrt/Aviation“ an der FH Joanneum leitet das Projekt MONSAF, das es Piloten und Fluglinien erleichtern soll, Ursachen für Flüge mit Überschreitungen vom betrieblichen Limit im Nachhinein zu kommentieren und auszuwerten.

Ein Flugzeug im Landeanflug: durch die Verkehrssituation bedingt wird die Freigabe zum weiteren Sinkflug erst sehr spät erteilt. Die Maschine gerät allmählich deutlich über den idealen Sinkpfad. Endlich der weitere Sinkflug, der nun sehr steil erfolgt. Das Flugzeug ist schwer und baut trotz Klappen und Fahrwerk nur sehr langsam Fahrt ab. Nun dreht der Wind auch noch auf Rückenwind! Es ist schwierig für die Piloten, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Bis kurz vor dem Aufsetzen sind die Triebwerke in Leerlauf, das Flugzeug überfliegt den Pistenanfang viel zu hoch und ist immer noch einige Knoten zu schnell. Eigentlich sollte spätestens jetzt durchgestartet werden. Der Anflug war in der Endphase nicht innerhalb der vom Hersteller oder von der Fluggesellschaft vorgegebenen operationellen Limits. Das ergibt die nachträgliche durchgeführte routinemäßige Auswertung der Flugdaten, die aufgrund von Datenschutzforderungen selbstverständlich anonym bleiben. Sämtliche Werte wie Steuerkurs, Abweichungen vom Sollflugpfad, Ruderstellungen, Fluglage oder Steuereingaben der Piloten werden bereits heute von einer Flugdatenerfassungseinheit protokolliert und von den Flugsicherheitsspezialisten der Fluggesellschaften Flug für Flug ausgewertet. Hierzu wird eine spezielle Software der österreichischen Softwareschmiede Rotheneder GmbH eingesetzt. Aus den abertausenden Daten werden aufgetretene Überschreitungen, sogenannte „exceedances“ detektiert. Was fehlt ist die Schnittstelle zum Piloten. Warum ist es zu der Überschreitung gekommen? Was war die Ursache? Gab es äußere Einwirkungen, wie Verkehrssituation, Wetter - sogenannte „Threats“?

Im Rahmen des Projekts MONSAF wird nach Möglichkeiten gesucht, auf genau diese Fragen eine Antwort zu liefern. MONSAF steht für „Monitoring Safety Relevant Data for Risk Reduction“. Als Erweiterung des bestehenden Auswertesystems soll den Piloten gleich nach dem Flug die Möglichkeit gegeben werden, die von der Auswertesoftware detektierten Überschreitungen der flugbetrieblichen Grenzen zu kommentieren, zu anonymisieren und anhand eines psychologisch basierten Kategorisierungsverfahrens in eine Reihe von vordefinierten events einzuordnen.

Diese oft auch rein subjektiven Kommentare enthalten die derzeit noch häufig fehlenden Hintergrundinformationen zum Flugverlauf und ergänzen die objektiven Flugdaten zu einem umfassenderen Gesamtbild. Im obigen Beispiel wäre es auf Grundlage nur der Aufzeichnungen der Flugdatenerfassungseinheit allein nicht nachvollziehbar, warum ein Pilot den Landeanflug in der gewählten Art und Weise durchgeführt hat. Denn äußere Einflüsse, welche die Entscheidung des Piloten beeinflusst haben könnten (Verkehrsaufkommen, Anweisungen von der Flugsicherung, meteorologische Erscheinungen wie beispielsweise Gewitterwolken etc.), werden während des Flugs nicht aufgezeichnet. Mithilfe der neuen Technologie können häufiger auftretende Flugszenarien mit exceedances und events künftig nicht nur visualisiert werden, sondern dienen auch als Grundlage für die Entwicklung eines realistischen Szenarios für halbjährlich stattfindende Überprüfungsflüge in einem Flugsimulator trainiert werden. Das Forschungsprojekt richtet sich sowohl an die für Piloten wichtige Nachbearbeitung und Dokumentation der Parameterüberschreitungen als auch an die Sicherheitsabteilungen der Fluglinien durch die verbesserte Erkennung von Ursachen für Gefahrensituationen. Aufbauend darauf können in weiterer Folge gezielt Techniken („threat management“) zur Minderung der Risikofaktoren erarbeitet werden.

„Für den Studiengang Luftfahrt eröffnen sich im Rahmen dieses Projekts neue Perspektiven, vor allem was das Gebiet der Humanfaktoren in der Luftfahrt betrifft“, freut sich Studiengangsleiter Hannes Fogt. „Studierende profitieren vom Wissen aus der Praxis, weil Wissensgebiete wie Flugpsychologie, Telematik und Nachrichtentechnik vom Projekt direkt in den Unterricht einfließen“. Neben dem Wissenstransfer kommt das Projekt Studierenden aber auch auf andere Weise zugute. „Unsere Studierenden werden in das Projekt laufend einbezogen, auch ein Praxissemester bei den Projektpartnern ist möglich“, so Holger Flühr, MONSAF-Projektleiter und hauptberuflich Lehrender am Studiengang. „Zudem verfolgen beide Projektmitarbeiter neben ihrer Tätigkeit im Rahmen von MONSAF ein Doktorats-Studium an der Karl-Franzens- Universität bzw. der Technischen Universität in Graz“. Das Projekt MONSAF, gefördert durch das FHplus-Programm und in Kooperation mit den Firmen Rotheneder und der Lauda Air (Austrian Airlines Gruppe), wird auf längere Sicht auch für andere Luftfahrtunternehmen von Interesse sein. Eine internationale Vermarktung steht in Diskussion.

Informationen: http://www.fh-joanneum.at/lav
     
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