EU-Verfassung / Ablehnung durch Franzosen  

erstellt am
31. 05. 05

 Plassnik: "Nach massivem Nein der Franzosen zur Verfassung ist Nüchternheit gefordert"
Außenministerin betont: Europa darf nicht zum Sündenbock für diffuse Ängste oder nationales Bauchgrimmen gemacht werden
Wien (bmaa) - "Das massive Nein der Franzosen schafft keine Klarheit über Ziele und Ursachen dieses Nein", sagte Außenministerin Plassnik zum Ausgang des Referendums in Frankreich. Jetzt sei Nüchternheit gefragt.

"Unterschiedliche Gründe haben zu diesem Volksentscheid geführt", so Plassnik, "zum Teil waren offenbar innenpolitische Motive für diese Entscheidung maßgeblich".

Man brauche zunächst eine kluge Analyse, die Franzosen müssten sich darüber klar werden, was dieses Votum ausdrücken wolle. "Es ist an ihnen, ihren europäischen Partnern eine Erklärung zu geben", sagt Plassnik.

Jedenfalls weise das französische Ergebnis als solches keinen Weg in die Zukunft. Und Plassnik warnt: "Europa darf nicht zum Sündenbock für diffuse Ängste oder nationales Bauchgrimmen gemacht werden."

Rasche Patentrezepte seien fehl am Platz. Plassnik abschließend: "Neun EU-Länder haben die neue EU-Verfassung schon angenommen. Ihre Entscheidung darf nicht in den Hintergrund gedrängt werden".

 

 Cap fordert neuen Verfassungskonvent und vorläufigen Erweiterungsstopp
Frankreichs "Nein" auch Absage an neoliberale EU-Politik
Wien (sk) - Für einen neuen Verfassungskonvent und einen vorläufigen Erweiterungsstopp als Konsequenz aus dem "Nein" Frankreichs zur EU-Verfassung sprach sich der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Josef Cap am Montag (30. 05.) gegenüber dem Pressedienst der SPÖ aus. Schnelle Lösungen seien jetzt nicht möglich, die EU müsse sich nun zunächst politisch konsolidieren und die Konsequenzen aus dem französischen Volksentscheid ziehen. Als Ursache des negativen Ausgangs des Referendums sieht Cap eine tiefe Unzufriedenheit mit der Politik, die die Regierungen in der EU betreiben.

Die Regierungen, die die Politik der EU bestimmen, haben, das habe sich nun gezeigt, zu wenig Rücksicht auf die berechtigten Anliegen und die Ängste der Bevölkerung genommen. Die EU werde von vielen Regierungen, auch der österreichischen, als neoliberales Projekt betrieben, sagte Cap unter Verweis auf die Diskussion um die EU-Dienstleistungsrichtlinie, die EU-Arbeitszeitrichtlinie, aber auch den Steuerwettbewerb innerhalb der EU. Auch das Tempo der Erweiterungen werden von den Menschen als viel zu schnell wahrgenommen. Zu Recht haben viele Menschen in Europa das Gefühl, dass in dieser EU die soziale Komponente, die Sorge um Arbeitsplätze weniger wichtig genommen werden als andere Interessen. Es gehe nicht darum, die EU "an sich" zum Sündenbock zu machen, sondern darum zu erkennen, warum "diese EU" von vielen mit Misstrauen betrachtet wird. Ein Misstrauen, das zum "Nein" der Franzosen zum EU-Verfassungsvertrag führte, obwohl dieser viele positive Elemente enthält.

Die EU müsse nun innehalten und erkennen, worin die berechtigte Kritik an ihrer gegenwärtigen Politik besteht und die richtigen Konsequenzen daraus ziehen. Das bedeute einen vorläufigen Stopp des Erweiterungsprozesses, die Einberufung einen neuen Verfassungskonvents und eine soziale und auf mehr Beschäftigung ausgerichtete Politik. Nur dann werde die EU jenes Vertrauen wiedergewinnen, das sie in den letzten Jahren sukzessive verspielt hat, schloss Cap.

 

 FP-Bösch: Europaweite Volksabstimmung unabdingbar
EU-Verfassung muß neu verhandelt werden
Wien (fpd) - Der freiheitliche Klubobmann-Stellvertreter und Europasprecher, Dr. Reinhard E. Bösch, nahm das Nein der Franzosen zur EU-Verfassung gelassen zur Kenntnis.

Den Grund sieht Bösch in der überhöhten Geschwindigkeit, in der die Integration in vielen Bereichen betrieben wurde und wird, selbst wenn die Staaten bzw. deren Bevölkerungen nicht über die nötige Bereitschaft oder Voraussetzungen für weitere Schritte verfügten. Ein Beispiel sei die Erweiterung, wobei klar sei, daß die EU mit der um Rumänien, Bulgarien und Kroatien geplanten Erweiterung ihre größtmögliche Ausdehnung erreicht habe. Dies gelte insbesondere für die Türkei, mit der ein besonderer Vertrag abgeschlossen werden müßte, welcher Modellcharakter für das Verhältnis mit anderen Ländern wie zum Beispiel der Ukraine und Weißrußland haben sollte. Länder mit denen die EU gute Beziehungen haben müsse, welche aber nie Mitglied werden könnten.

"Bislang war die europäische Einigung eine Integration von oben, jetzt muß es Aufgabe sein, die europäischen Völker direkt in die Entscheidungsfindung über die Integration mit einzubinden. Es ist daher unumgehbar - wann auch immer die nun neu zu verhandelnde Verfassung ratifiziert werden wird - am Ende das Volk in einer Volksabstimmung die letzte Entscheidung treffen zu lassen. Ich sehe dies als willkommene Chance der hoch bejubelten Bürgernähe und Transparenz in einem zweiten Anlauf nun endlich Leben einzuhauchen", so der freiheitliche Europasprecher abschließend.

 

 Strache: EU-weite Volksabstimmung kommt für FPÖ nicht in Frage
Gusenbauer und Co. kommen jetzt mit nächstem Hintertürl.
Wien (fpö) - Am Tag nach dem eindeutigen Nein der Franzosen zur EU-Verfassung bekräftigte HC Strache am Montag (30. 05.) nochmals seine massive Kritik an der EU in der bestehenden Form. Diese Mischung aus Zentralismus, Ignoranz den Bürgern gegenüber, politischer Selbstgefälligkeit und immer höheren Kosten habe sich überlebt. Was seit langem unterschwellig nicht nur in Frankreich brodle, sei gestern an einer Stelle aufgebrochen. Jetzt gelte es, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Für Strache ist die wichtigste Schlußfolgerung ein intensives Einbinden der eigenen Bevölkerung in alle EU-Angelegenheiten und EU-Entscheidungen.

Dem Ansinnen von SPÖ-Chef Gusenbauer und BZÖ Scheibner u. a., eine gesamteuropäische Volksabstimmung durchzuführen, erteilte Strache eine klare Absage. Gusenbauer habe es, wie andere auch, offenbar noch immer nicht begriffen. Denn eine EU-weite Abstimmung würde denselben Fehler, den die EU seit langem begehe, nämlich die Interessen der Bürger in den einzelnen Mitgliedsstaaten nicht ernst zu nehmen, wiederholen. Es sei ein neuerlicher Versuch einer Flucht durch die Hintertür. Warum sollte ein Portugiese über die Aufhebung der Österreichischen Verfassung abstimmen dürfen? Solches zu fordern sei Unsinn.

Die FPÖ werde sich mit aller Vehemenz für eine Abstimmung in Österreich einsetzen. Jetzt habe man die Zeit dazu. In dieser Frage werde sich die Spreu um Weizen in Sachen Österreich-Gesinnung trennen.

 

 Voggenhuber: Französisches Nein hat neues Europa unmöglich gemacht
Verfassungsentwurf von nationalen Regierungen "beschädigt"
Wien (grüne/apa) - "Der Aufstand der BürgerInnen gegen das bestehende Europa hat das neue Europa unmöglich gemacht", erklärte der Europasprecher Johannes Voggenhuber zum Sieg des Nein beim Referendum über die EU-Verfassung in Frankreich. Dafür verantwortlich macht der Europaabgeordnete an erster Stelle die nationalen Führungen. "Die Regierungen müssen endlich die europäischen BürgerInnen aus der Geiselhaft ihrer Machtansprüche entlassen. Sonst wird es kein soziales Europa und keine europäische Demokratie geben."

Er habe sich die deutliche Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrages durch 55 Prozent Franzosen erwartet, sagte Voggenhuber, der als Mitglied des EU-Konvents den Text des Regelwerkes mit ausgearbeitet hatte, der APA am Sonntagabend (29. 05.). Die Kampagnen in Frankreich gegen das Gesetzeswerk seien in den vergangenen Woche "einfallsreich, präsent und aggressiv" gewesen. Das Votum bezeichnete er als "tragisches Ereignis".

Voggenhuber kritisierte die Informationspolitik zur gemeinsamen Verfassung in den EU-Staaten. In keinem Land außer Spanien, wo 76,7 Prozent der Bürger bei einer Volksabstimmung im Februar mit Ja votierten, habe es eine öffentliche Debatte gegeben. In Frankreich seien die Befürworter zu spät auf den Plan getreten.

Nachdem der EU-Konvent den Verfassungsentwurf fertig gestellt habe, sei die Zustimmung in der EU bei 75 Prozent gelegen, führte der Europasprecher aus. Danach sei die Vorlage von der Konferenz der EU-Staats- und Regierungschef jedoch in puncto sozialer und demokratiepolitischer Bestimmungen "beschädigt" worden.

In den nächsten Monaten dürfe man den Gegnern der EU-Verfassung nicht das politische Feld überlassen. "Die Verfassung kann nicht gescheitert sein, die Ratifizierung muss weiter gehen", erklärte Voggenhuber. Das Referendum in Frankreich müsse wiederholt werden, er könne sich keiner anderen Ausweg vorstellen. Die Frage sei nur, was man den französischen BürgerInnen anbieten könne, ohne dass eine Wiederholung des Ratifizierungsprozesses in den andern EU-Mitgliedstaaten nötig sei.

 

Leitl: Endlich Dialog mit Bürgern starten
Verfassung breit kommunizieren und gesamteuropäisch abstimmen lassen
Wien (pwk) - Mit großem Bedauern reagiert Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und der Europäischen Wirtschaftskammern EUROCHAMBRES, auf den deutlich negativen Ausgang des französischen Referendums über die EU-Verfassung: „Als Gründungsmitglied und tragende Säule des europäischen Einigungsprozesses kommt Frankreich in der EU eine besondere Rolle zu: Ohne Frankreich gäbe es die EU heute nicht. Um so betroffener macht es, dass die französische Bevölkerung der Verfassung eine Absage erteilt hat.“ Ungeachtet der schwierigen Lage, in der sich die gesamte EU nach dem französischen „Nein“ befindet, mahnt Leitl dazu, kühlen Kopf zu bewahren, daraus zu lernen, klug zu analysieren und umzudenken: „An diesem Punkt ist es angebracht, die Verfassung breit und ernsthaft zu kommunizieren und darüber gesamteuropäisch abstimmen zu lassen. Dann müssen nicht alle bei jedem Referendum zittern, sondern man hat mit einem Bürgervotum alles unter Dach und Fach“, zeigt sich der Wirtschaftskammerpräsident überzeugt.

Man müsse dem Bürger neben innerer und äußerer Sicherheit auch das Gefühl geben, dass Europa nicht nur eine Vernunfts-, sondern auch eine Herzensangelegenheit ist. Die von 9 Staaten ratifizierte EU-Verfassung hatte bereits deutliche Verbesserungen gegenüber den jetzigen EU-Verträgen beinhaltet, die gerade die Ängste der EU-Skeptiker zerstreuen hätten müssen, unterstreicht Leitl: „Die Einflussmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger auf das europäische Geschehen werden nicht kleiner sondern größer. Die Entscheidungsverfahren werden transparenter und einfacher. Und die EU wird in die Lage versetzt, auch mit 25 und mehr Mitgliedern handlungsfähig zu bleiben und damit etwa auf die Herausforderungen der Globalisierung zu reagieren.“ Für die österreichische und die europäische Wirtschaft sei der Verfassungsvertrag deshalb jedenfalls ein Fortschritt gegenüber dem bestehenden Vertrag von Nizza. Leitl macht kein Hehl daraus, dass er persönlich den derzeit geltenden Vertrag von Nizza für nicht ausreichend hält, um die EU zukunftsfähig zu machen. „Europa wird seine wirtschaftlichen, sozialen und politischen Herausforderungen nur bewältigen können, wenn sich das Rad der Integration fortbewegt“, so Leitl. Auch neuerliche Erweiterungen seien nur unter der Voraussetzung einer Konsolidierung der inneren Strukturen verkraftbar.

Die – vielfach irrational geführten – EU-Debatten auf nationaler Ebene, in denen innen- und europapolitische Themen auf eine Art und Weise verquickt werden, die mit der Verfassung nichts zu tun haben, zeigten, so der Wirtschaftskammer-Chef abschließend, dass ein neuer Europa-Dialog mit der europäischen Bevölkerung dringend notwendig sei. „Eine der Lehren aus der Niederlage in Frankreich ist: Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger wieder für das europäische Friedens- und Sicherheitsprojekt begeistern. Europa ist eine Idee, die fasziniert und es ist für die nächste Generation eine Lebensversicherungspolizze – in wirtschaftlicher, aber auch in politischer und sozialer Hinsicht. Diese Vision müssen wir vermitteln – in Brüssel, auf der Ebene der Regierungen, aber auch in den Regionen und Gemeinden.“

 

Sorger für Nützen der Nachdenkphase
IV-Präsident Sorger: An starker EU führt kein Weg vorbei - Nur dadurch kann Europa im Globalisierungswettbewerb bestehen können
Wien (PdI) - „Ein starkes Europa braucht eine starke Basis. Deshalb ist das Europa der Zukunft vor allem auch eine Kommunikationsaufgabe, an der sich alle konstruktiven Kräfte auf nationaler und europäischer Ebene, beteiligen müssen“, betonte und appellierte der Präsident der Industriellenvereinigung (IV) und Vizepräsident des europäischen Arbeitgeberdach- verbandes UNICE, Dr. Veit Sorger, angesichts der mehrheitlichen Ablehnung der Europäischen Verfassung durch die französischen Bürgerinnen und Bürger. Dieses Ergebnis sei eine Kombination diffuser Ängste sowie innerfranzösischer Unzufriedenheit. „Wir müssen europaweit mehr Vertrauen in eine gemeinsame europäische Zukunft bei den Bürgerinnen und Bürgern gewinnen. Ein Instrument dafür kann auch das Instrument europaweit gleichzeitigen Volksabstimmung sein.“

Der Arbeitgeber-Präsident verwies darüber hinaus auf die absolute Notwendigkeit einer Stärkung europäischer Positionen und Handlungsabläufe: „Wir werden uns dem harten Wettbewerbsdruck durch die Globalisierung und ihren Auswirkungen nicht entziehen können. Deshalb brauchen wir eine starke Europäische Union, um diese Herausforderungen bewältigen zu können. Dies sollte gerade auch jenen bewusst sein, die mit Anti-Europäischem Populismus punkten wollen. Es ist im Sinne aller, das bewährte europäische Sozialmodell zukunftsfähig zu machen und damit zu erhalten. Andernfalls begeben wir uns in eine Abwärtsspirale, die zum Kollaps des Systems führt.“ An letzterem kann keiner politisch konstruktiven Kraft in Europa gelegen sein.

Sorger sprach sich für eine Nachdenkpause im Sinne Jean-Claude Junckers aus, die dazu genützt werden muss, neue Wege der europäischen Mitbestimmung, der Kommunikation zu den Bürgerinnen und Bürgern und der weiteren Zukunft der Union - insbesondere in Hinblick auf die nächsten Erweiterungsschritte - zu diskutieren und beschlussreif zu machen. „Klar ist, dass Europa jetzt den Schwerpunkt auf die innere Konsolidierung legen muss.“

   
Katzian: Französisches Nein ist Auftrag für sozialeres Europa
EU braucht Kurswechsel in Wirtschafts- und Sozialpolitik
Wien (ögb/gpa) - "Das Französische Nein zur EU-Verfassung ist ein Auftrag für ein sozialeres Europa", meint GPA-Vorsitzender Wolfgang Katzian. "Die europäische Politik wäre gut beraten, dieses Votum ernst zu nehmen und endlich den dringend notwendigen Kurswechsel in der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik einzuleiten."

Es wäre ein Fehler, würde man die Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich auf ein bloßes Kommunikationsproblem reduzieren. "Die französische Nein-Kampagne hat ganz gravierende Defizite der europäischen Politik angesprochen. Etwa die fehlende Harmonisierung und Koordinierung in der Wirtschafts- und Steuerpolitik, die Fehlkonstruktion des Stabilitätspaktes oder den geldpolitischen Autismus der Europäischen Zentralbank, der Millionen von Beschäftigten den Arbeitsplatz gekostet hat. Wenn man diese Mängel nicht angeht, wird man keine Zustimmung zum europäischen Projekt bekommen. Die Menschen lassen sich nicht mehr mit leeren Versprechungen abspeisen", sagt Katzian.

Das Nein in Frankreich dürfe kein Grund zur Resignation sein. Vielmehr gehe es darum, einen neuen Anlauf für ein sozialeres Europa zu starten. Es bräuchte einen neuen Konvent und eine Revisionskonferenz, die unter breiterer Beteiligung und öffentlicher Diskussion dort ansetze, wo der Konvent stehen geblieben sei. "Im Konvent sind ja viele gute Ansätze verfolgt worden, die aber entweder keine Mehrheit fanden, oder von den Regierungen wieder gestrichen worden sind", so Katzian.

Ein Neustart für ein sozialeres Europa betreffe aber nicht nur die Verfassungsdiskussion. Auch bei aktuellen EU-Vorhaben, wie Arbeitszeitrichtlinie oder der Frage der Dienstleistungsfreiheit, gälte es jetzt, die Lehren aus der französischen Abstimmung zu ziehen. Eine Aufweichung von europäischen Mindeststandards in Arbeitszeitfragen oder das Durchpeitschen der vorliegenden Dienstleistungsrichtlinie wäre genau die falsche Reaktion auf das französische Referendum", sagt Katzian.
     
     
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