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Alle Fraktionen für Rücktritt von Kampl und Gudenus |
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erstellt am
10. 06. 05
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Causa Kampl: Plenum beschließt einhellig Verfassungsänderung
Wien (pk) - Der nächste Tagesordnungspunkt befasste sich mit einer Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes,
die auf einem G-Antrag basiert. Mit grundsätzlichen Bemerkungen begann Abgeordnete BAUMGARTNER-GABITZER
(V) ihren Debattenbeitrag. Für die ÖVP seien die Aussagen der Bundesräte Kampl und Gudenus "unfassbar
und untragbar". Sie erwarte, dass jeder Mandatar seine persönliche Verantwortung wahrnimmt und deshalb
sollten beide zurücktreten. Leider sei das aus heutiger Sicht nicht der Fall, bedauerte sie. Trotzdem müssen
der Rechtsstaat und die demokratischen Spielregeln unantastbar bleiben und dazu gehöre auch das freie Mandat.
Hier könne es kein Primat für die Parteien geben, bekräftige Baumgartner-Gabitzer.
Die ÖVP-Mandatarin räumte ein, dass es sich beim vorliegenden Gesetzentwurf um eine Anlassgesetzgebung
handle, der man grundsätzlich skeptisch gegenüberstehe. Aber der gefundene Kompromiss lasse das freie
Mandat unbeeinträchtigt. Baumgartner-Gabitzer setzte sich in diesem Zusammenhang auch mit dem SPÖ-Vorschlag
auseinander, der das freie Mandat nicht geschützt und der Partei Vorrang gegeben hätte. Nachdenklich
habe sie auch die Aufforderung der SPÖ gestimmt, der Bundeskanzler solle im Nationalrat und Bundesrat ein
Machtwort sprechen. Sie sei aber dankbar, dass es gelungen sei, sich auf einen Vier-Parteien-Antrag zu einigen,
betonte sie und brachte abschließend den gesamtändernden Abänderungsantrag zu Art. 36 Abs. 2 B-VG
ein.
Abgeordneter Dr. CAP (S) fand es bedenklich, 60 Jahre nach Kriegsende die vorliegende Novelle beschließen
zu müssen, weil Mandatare Aussagen getätigt haben, die geschichtsverdrehend und unrichtig seien. Cap
hielt fest, es sei richtig gewesen, nationalsozialistische Verbrecher vor ein Gericht zu stellen und zu verurteilen.
Der Krieg sei ein rassistisch motivierter Angriffskrieg gewesen, das Naziregime menschenverachtend und undemokratisch.
Unbestritten habe es auch auf dem Gebiet des Dritten Reiches Gaskammern gegeben, sagte Cap, und er hoffe, dass
es endlich zu einer Verurteilung von Bundesrat Gudenus kommt.
Wer ein Geschichtsbild habe wie Gudenus und Kampl, dürfe nicht Präsident des Bundesrates werden und beide
sollten seiner Ansicht nach zurücktreten. Kein Verständnis zeigte Cap auch für die Aussagen von
Landtagspräsident Freunschlag und die Aussage von Abgeordnetem Tancsits.
Cap stellte aber auch die Frage, wie Personen, wie Gudenus und Kampl, auf die Liste einer Partei kommen. Hier müsse
man viel sorgfältiger vorgehen, denn durch die aktuellen Fälle sei das Ansehen des Parlaments schwer
in Mitleidenschaft gezogen worden. Er, Cap, halte daher die Anlassgesetzgebung für politisch und moralisch
gerechtfertigt, weil man es der Republik und dem Parlament schuldig sei. Alle Mandatarinnen und Mandatare seien
verantwortlich dafür, dass Neofaschismus und Neonationalsozialismus keine Chance mehr haben und dass auch
die Jugend gegen das schleichende Gift rechtsextremer Diktion und Verharmlosung widerstandsfähig ist. Daher
sei die Zusammenarbeit aller im Haus notwendig, so der Appell Caps.
Abgeordneter SCHEIBNER (F) zeigte sich froh über den Konsens, da damit Schlimmeres von Parlament und
Republik abgewendet werden könne. Auch er gab zu, dass es sich hier um eine Anlassgesetzgebung handle, aber
der Anlass rechtfertige das Vorgehen, betonte Scheibner. Die Regelung sei sinnvoll und gut, weil sie auch das freie
Mandat wahre. Dezidiert wandte er sich gegen Regelungen die es politischen Parteien ermöglichen würden,
in das freie Mandat einzugreifen.
Scheibner gab Cap recht, dass es Konsens aller demokratischen Kräfte sein müsse, jeder Verharmlosung
und Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen entschieden entgegenzutreten. Hier dürfe es kein Augenzwinkern
geben. Er, Scheibner, glaube persönlich, dass Bundesrat Kampl meilenweit davon entfernt sei, nationalsozialistisches
Gedankengut zu unterstützen. Als politischer Repräsentant sei man jedoch dafür verantwortlich, was
man sage, wie man es sage und wie man Dinge aus dem Zusammenhang reißen könne. In diesem Sinne sei die
Aussage Kampls inakzeptabel und falsch gewesen und ein Rücktritt wäre aus seiner Sicht die richtige Konsequenz.
Wie sein Vorredner bekräftigte Scheibner, dass das "nie wieder" im Vordergrund stehen müsse.
Eine "Diskussion des einerseits und andererseits" sei inakzeptabel und bei einer Relativierung historischer
Tatsachen dürfe man sich nicht auf Meinungsfreiheit berufen. Ebenso wenig dürften sich ewig Gestrige
auf die Zitate von Repräsentanten des Staates berufen können. Alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier
hätten die Verantwortung, die Grundlage für eine starke Demokratie zu schaffen, die allen totalitären
Tendenzen widerstehen könne. Das Signal der heutigen Gesetzesänderung sei daher richtig und wichtig.
Für Abgeordneten Dr. VAN DER BELLEN (G) stellt es eine Genugtuung dar, dass ein Bundesratspräsident
Kampl nun verhindert werden kann. Die Grünen hätten bereits vor sechs Wochen eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes
vorgeschlagen, und er sei zufrieden, dass diese Initiative zu einer "juristischen Trägerrakete"
geworden ist. Van der Bellen schloss sich allen an, die die Ansichten Kampls als unverträglich mit einem hohen
Amt und inakzeptabel bezeichnet haben. Ein Stachel bleibe aber, so Van der Bellen, dass nämlich die beiden
Bundesräte Kampl und Gudenus nicht daran denken, ihr Mandat zurückzulegen. Das müsse man jedoch
aushalten, meinte Van der Bellen, denn das freie Mandat sei unantastbar.
Wie Abgeordneter Cap hinterfragte auch Van der Bellen die Tatsache, wie Personen mit einem derartigen Geschichtsverständnis
auf die Liste einer Partei kommen. Niemand könne in den jeweiligen Parteien oder Landtagen behaupten, Kampl
und Gudenus nicht gekannt zu haben.
Zum Thema Anlassgesetzgebung meinte der Grüne Parteichef, dass viele Gesetze, wie beispielsweise auch das
Bezügegesetz, einen Anlass hatten. Anlassgesetze seien nicht von vornherein falsch, sie müssten nur allgemein
und grundsätzlich etwas Wichtiges betreffen und weitgehende Kollateralschäden vermeiden. Dies wäre
jedoch beim Vorschlag der SPÖ der Fall gewesen, da Bundesrat Kampl um den Preis des freien Mandates verhindert
worden wäre. Nun seien aber der Bundesrat und der Kärntner Landtag am Zug und er hoffe, dass man in Kärnten
zu den schriftlichen Zusagen stehe. Abschließend betonte Van der Bellen, es bleibe für ihn unbefriedigend,
dass der Bundesrat auch weiterhin seinen Präsidenten oder seine Präsidentin nicht wählen dürfe
und somit diesbezüglich entmündigt bleibe. |
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Abgeordneter Dr. LOPATKA (V) unterstrich auch aus seiner Sicht, dass er die Bundesräte Kampl und Gudenus
für rücktrittsreif halte. Lopatka setzte sich dann mit dem SPÖ-Vorschlag auseinander, den er demokratiepolitisch
als bedenklich bewertete. Das freie Mandat wäre daraus höchst beschädigt hervorgegangen und Parteisekretariate
hätten zu viel Macht in die Hand bekommen, meinte Lopatka. Nicht die Partei habe für Sauberkeit und Ordnung
zu sorgen, sondern jeder Mandatar und jede Mandatarin für sich selbst. Er hielt auch die seitens der SPÖ
geäußerte Aufforderung an den Bundeskanzler, ein Machtwort zu sprechen, für falsch, denn damit
würde die Gewaltenteilung in Frage gestellt. Wo kämen wir hin, wenn sich der Bundeskanzler die Mitglieder
aussuchen könne, fragte Lopatka. Jedenfalls sei im aktuellen Fall Gefahr in Verzug gewesen und deshalb sei
die Novelle gerechtfertigt.
Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) verteidigte den ursprünglichen Vorschlag der SPÖ, um die Übernahme
des Bundesratsvorsitzes durch Bundesrat Kampl zu verhindern. Er hält es, wie er sagte, für angebracht,
einen Bundesrat, der mit dem Grundkonsens der Zweiten Republik nichts zu tun habe, abzuberufen. Zudem handle es
sich bei den Mitgliedern des Bundesrats um von Parteien entsandte Mandatare.
Dass die in Aussicht genommene Gesetzesänderung eine Anlassgesetzgebung sei, räumte Wittmann ein, er
betonte aber gleichzeitig, er stehe klar hinter dieser Vorgangsweise. Die Politik brauche demonstrative Akte, um
zu zeigen, was sie wolle, argumentierte er.
Auch Abgeordneter Mag. HAUPT (F) meinte, die heutige Verfassungsänderung sei Anlassgesetzgebung, daran
gebe es nichts "herumzudeuteln". Es wäre besser gewesen, wenn Bundesrat Kampl aus seinen Aussagen,
die er aufgrund seines persönlichen Schicksals gemacht habe, selbst die Konsequenzen gezogen und sein Mandat
zurückgelegt hätte, sagte er. Haupt wandte sich jedoch im Zusammenhang mit der Causa Kampl strikt dagegen,
Kinder für die Untaten ihrer Eltern haftbar zu machen.
Verwundert äußerte sich Haupt weiters darüber, dass die Mehrheit der Bundesräte der Rede Kampls
zunächst applaudiert und Bundesratspräsident Pehm "satte fünf Tage" gebraucht habe, um
seiner Empörung Ausdruck zu verleihen. Die Äußerungen von Bundesrat Gudenus wertete Haupt als "nicht
akzeptabel".
Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) zeigte sich darüber erfreut, dass in der Causa Kampl eine
Einigung im Nationalrat zustande gekommen sei. Als die Grünen vor ein paar Wochen eine entsprechende Initiative
zur Verfassungsänderung gestartet hätten, seien viele noch skeptisch gewesen, konstatierte sie. "Mit
Bitterkeit" erfülle sie, so Glawischnig, dass Kampl nicht selbst die Konsequenzen ziehe und zurücktrete.
Der Opposition dafür die Verantwortung zuzuschieben, sei nicht legitim.
Als unerträgliche Ungerechtigkeit beurteilte es Glawischnig-Piesczek, dass Wehrmachtsdeserteure nach wie vor
nicht rehabilitiert seien.
Abgeordnete Dr. FEKTER (V) berichtigte ihre Vorrednerin dahin gehend, dass verurteilte Wehrmachtsdeserteure
durch das Amnestiegesetz von 1946 sehr wohl rehabilitiert seien.
Abgeordnete Mag. HAKL (V) meinte, eine nationalsozialistische Gesinnung habe in Österreich "genau
gar nichts mehr verloren". Jeder Mandatar bzw. jede Mandatarin trage persönliche Verantwortung, unterstrich
sie. Parteien könnten nicht bis auf den Grund eines jeden blicken. Zum ursprünglichen Antrag der Grünen
merkte Hakl an, sie sei dafür, die Entscheidung über den Bundesratsvorsitz dem jeweiligen Landtag zu
überlassen und nicht an den Bundesrat zu übertragen.
Abgeordnete Mag. TRUNK (S) begrüßte den vorliegenden Vier-Parteien-Konsens. Ihr sei aber, wie
sie sagte, noch immer nicht klar, warum Bundesrat Kampl zunächst zurücktreten habe wollen und dies nun
doch nicht tue. Für die aktuelle Situation machte Trunk sowohl den Kärntner Landeshauptmann Jörg
Haider als auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel mitverantwortlich. Haider stärke Kampl den Rücken
und Schüssel habe politische Kräfte wie Kampl und Haider "an Bord geholt".
Abgeordneter ÖLLINGER (G) sprach sich strikt dagegen aus, nationalsozialistisches Unrecht in irgendeine
Relation mit etwaigem Unrecht nach 1945 zu setzen. Diese Prämisse gilt es seiner Meinung nach auch beim in
Aussicht genommenen Gesetzespaket für NS-Opfer zu berücksichtigen.
Die Familie Kampls habe eindeutig zu den Tätern gehört, bekräftigte Öllinger. Dass Kampl als
Kind darunter gelitten habe, wolle er nicht bestreiten, aber ein Opfer sei Kampl deswegen nicht. Im Zusammenhang
mit den Äußerungen von Bundesrat Gudenus sprach sich Öllinger dafür aus, das NS-Verbotsgesetz
zu novellieren und präzisieren, sollten geäußerte Zweifel an der Existenz von Gaskammern von der
Justiz nicht verurteilt werden.
Abgeordneter DI REGLER (V) wandte sich dagegen, aus Anlass der Äußerungen von Bundesrat Kampl
"eine überschießende Regelung" zu beschließen. Vielmehr müsse man mit dem "gelindesten
Mittel" darauf reagieren, bekräftigte er. Regler begrüßte in diesem Sinn den nunmehr vorliegenden
Vier-Parteien-Antrag. Durch dessen Beschlussfassung komme es weder zu einer Einschränkung des freien Mandats
noch zu einer Beschneidung von Länderrechten, unterstrich er. Auch in die Rechte der jeweils stärksten
Landtagsfraktion würde nicht eingegriffen. "Entsetzt" äußerte sich Regler über den
Appell an Bundeskanzler Schüssel, ein Machtwort zu sprechen und damit den Rücktritt von Kampl zu bewirken.
Abgeordneter Dr. PILZ (G) führte aus, keine Verfassungsänderung könne den Kärntner Landeshauptmann
Jörg Haider und dessen Freunde daran hindern, in Zukunft ähnliche oder ärgere Aussagen wie jene
Kampls zu wiederholen. Solange irgendeine Art von Freiheitlicher Partei an der Regierung beteiligt sei, werde der
Nationalrat immer wieder vor gleichen Problemen stehen. Diese könnten, so Pilz, nur durch einen politischen
Wechsel gelöst werden.
F-Klubobmann SCHEIBNER replizierte auf seinen Vorredner, es sei immer noch der Wähler, der entscheide,
welche Partei demokratisch legitimiert sei und der Regierung angehören solle.
Die Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes wurde in Form eines gemeinsamen gesamtändernden Abänderungsantrages
aller vier Parteien einstimmig beschlossen. |
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