Nationalbandpräsident Dr. Klaus Liebscher ortet hohe Stabilität und Profitabilität
Wien (oenb) - Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, der sich heuer zum zehnten
Mal jährt, wirkte als treibende Kraft für Veränderungen im österreichischen Finanzsektor und
trug maßgeblich zu seiner hohen Stabilität und gestiegenen Profitabilität bei, betonte der Gouverneur
der Oesterreichischen Nationalbank, Dr. Klaus Liebscher, in seiner Rede beim diesjährigen, in Wien stattfindenden
Global Financial Services Industry Summit am Freitag (17. 06.), der sich dem Thema “Profiting from Globalized
Growth” widmet.
Die Einführung einer gemeinsamen Währung war, so der Gouverneur, ein historischer Meilenstein der europäischen
Integration. Er erinnerte daran, dass der Erfolg der Wirtschafts- und Währungsunion auf einer stabilitätsorientierten
Geldpolitik, nachhaltig gesunden öffentlichen Finanzen und einer wettbewerbsorientierten Strukturpolitik basiere.
Damit würden die Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Stabilität in Europa
geschaffen. Forderungen nach einer Auflösung der Wirtschafts- und Währungsunion in den jüngst geführten
Diskussionen nach der Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden bezeichnete Gouverneur Liebscher
daher als „total absurd“.
Die Erweiterung der Europäischen Union im vergangenen Jahr habe zahlreiche positive Effekte für die österreichische
Wirtschaft gehabt. Viele heimische Unternehmen konnten dank ihres frühzeitigen Engagements in den zentral-
und osteuropäischen Ländern von der wirtschaftlichen Dynamik dieser Region überdurchschnittlich
profitieren. So betrage z. B. der Marktanteil der österreichischen Kreditinstitute in Zentral- und Osteuropa
(ausgenommen Russland) rund 20% und liege in einigen benachbarten Ländern deutlich über diesem Wert (Tschechische
Republik 32%, Slowakei 44%). Österreichs Banken expandieren nun insbesondere in die EU-Beitrittskandidatenländer
in Südosteuropa und nehmen auch dort – im internationalen Vergleich – bereits eine starke Position ein.
Zufrieden zeigte sich Gouverneur Liebscher damit, dass der IWF dem österreichischen Finanzsektor in den Jahren
2004 (Financial Sector Assessment Program) und 2005 (Artikel IV-Konsultation) die Stabilität und die Schockresistenz
des österreichischen Finanzsektors bestätigt hat, wobei die Erfüllung internationaler Standards
im Banken-, Versicherungs- und Wertpapierbereich sowie in Bezug auf die Geldwäsche-Bestimmungen positiv hervorgehoben
wurden.
Der IWF habe u.a. aber auch kritisch auf das steigende Volumen an Fremdwährungskrediten in Österreich
hingewiesen. So betrug der Anteil der Fremdwährungskredite zuletzt 19,3% aller Kredite an inländische
Nichtbanken oder rund 30% aller Kredite an Haushalte und – aus europäischer Perspektive betrachtet – immer
noch beachtliche 18% aller Fremdwährungskredite an Nichtbanken im Euroraum.
Die jüngsten Daten, so Gouverneur Liebscher weiter, bestätigen die gute Entwicklung des österreichischen
Finanzsektors. So konnte das unkonsolidierte Betriebsergebnis der österreichischen Banken im ersten Quartal
2005 im Jahresvergleich um 13% auf 1,34 Mrd Euro gesteigert werden. Die Bilanzsumme erhöhte sich insbesondere
aufgrund des zunehmenden Auslandsgeschäfts um 3,9% im Vergleich zum vierten Quartal des Vorjahres auf 678
Mrd Euro. Auch die unkonsolidierte Eigenmittelquote zeigte im ersten Quartal 2005 ein leichtes Wachstum auf 14,6%.
Der Versicherungssektor verzeichnete im Jahr 2004 einen Anstieg des Prämienvolumens um 7% im Jahresvergleich
auf 14 Mrd Euro. Das Volumen von Pensionskassen erhöhte sich im vergangenen Jahr um 11% auf 10 Mrd Euro und
Investmentfonds wuchsen um 13% auf 125 Mrd Euro.
Im Hinblick auf die Herausforderungen, die der Finanzsektor derzeit zu bewältigen hat, wies Gouverneur Liebscher
sowohl auf die neuen, risikosensitiven Eigenmittelanforderungen im Rahmen von „Basel II“ hin, die einen intensiven
Umstellungsprozess im Bankensektor erfordern, als auch auf die sich intensivierende Finanzmarktintegration innerhalb
der Europäischen Union. Er sei fest davon überzeugt, dass sich „der solide österreichische Finanzsektor
in einer ausgezeichneten Ausgangsposition befinde, die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen
zu meistern“. |