Kindeswohl und Partizipation als Grundprinzip für geplante Maßnahmen
Wien (pk) - "Ich habe mir zum Ziel gesetzt, Österreich zu einem noch kinderfreundlicheren
Land zu machen." Das schreibt Sozialministerin Ursula Haubner im Vorwort des Ende 2004 ausgearbeiteten Nationalen
Aktionsplans für die Rechte von Kindern und Jugendlichen, der nunmehr von der Regierung dem Nationalrat vorgelegt
wurde. Unter dem Titel "Ein kindgerechtes Österreich" werden bereits beschlossene und beabsichtigte
Gesetzesänderungen und andere Maßnahmen zur Stärkung von Kinderrechten aufgelistet und darüber
hinaus gehende Überlegungen angestellt. Orientiert ist der Aktionsplan, wie der Bericht hervorhebt, an den
Prinzipien des Kindeswohls und der Partizipation - es gehe darum, Bedürfnisse, Vorstellungen und Ziele junger
Menschen ernst zu nehmen und tatsächlich in Entscheidungsfindungsprozessen zu berücksichtigen. ( III-153
d.B.)
Der Nationale Aktionsplan geht auf den Weltkindergipfel der Vereinten Nationen im Jahr 2002 zurück, bei dem
sich die Staaten einstimmig verpflichtet haben, zur Umsetzung der Kinderrechte im Sinne der UN-Konvention über
die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) nationale Aktionspläne auszuarbeiten, die möglichst konkrete,
termingebundene und messbare Ziele und Vorgaben enthalten sollen. Die Arbeiten am österreichischen Aktionsplan
wurden im Jahr 2003 aufgenommen. Unter anderem zur Diskussion stehen die Verankerung der Inhalte der Kinderrechtskonvention
in der österreichischen Verfassung, die Intensivierung der kind- und jugendorientierten Forschung, die Forcierung
bewusstseinsbildender Maßnahmen, eine Verbesserung des Informationsangebots für Kinder, Jugendliche
und Erwachsene und ein verstärkter Einsatz des Instruments der Kinder- und Jugendverträglichkeitsprüfung
von Gesetzen.
Immer wieder wird im Bericht der Regierung auf bereits beschlossene Gesetze und andere Aktivitäten der Regierung
hingewiesen, die zu einer Verbesserung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in Österreich beigetragen
haben. Unter anderem genannt werden die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, das Recht auf Teilzeitarbeit
für Eltern kleiner Kinder, die Erhöhung des Kinderbetreuungsgeldes bei Mehrlingsgeburten, die Mehrkindstaffel
bei der Familienbeihilfe, die Einführung des nach der Kinderzahl gestaffelten Kinderzuschlags zum Alleinverdienerabsetzbetrag,
die Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge nach einer Scheidung, die Förderung von Familienmediation bei
schwierigen Trennungen, aber auch kleinere Projekte wie das Audit "familien- und kinderfreundliche Gemeinde"
und die Einrichtung von Jugendbeauftragten in allen Ministerien.
In Aussicht genommen sind laut Bericht darüber hinaus der bedarfsorientierte Ausbau der schulischen Nachmittagsbetreuung
bis 2006, eine Neuregelung des Unterhaltsvorschusses nach Scheidungen und mehr Informationsrechte für Kinder
in Bezug auf Obsorgeentscheidungen. Zudem sollen über Wettbewerbe und Prämierungen hinaus weitere Anreize
für familienfreundliche Initiativen von Betrieben geschaffen werden. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund
und Ländern wurde mit der Ausarbeitung einer Grundlage für eine Harmonisierung der Sozialhilfegesetze
der Länder betraut.
Viele dieser - bereits beschlossenen bzw. geplanten - Maßnahmen haben nach Ansicht der Regierung nicht nur
eine deutlich armutspräventive Wirkung, sie erleichtern auch die Erfüllung eines zentralen Wunsches von
Kindern, nämlich, dass ihre Eltern ausreichend Zeit mit ihnen verbringen. Darüber hinaus ist beabsichtigt,
dem Recht von Kindern und Jugendlichen auf Gesundheit und Gesundheitsförderung mit der Ausarbeitung eines
nationalen Kinder- und Jugendgesundheitsplans, einer Erweiterung des Angebots zur kind- und jugendgerechten Rehabilitation,
der flächendeckenden Einführung von Gesundheitspässen für Jugendliche, der Beschränkung
des Zigarettenverkaufs auf über 16-Jährige auch an Zigarettenautomaten, einem Ausbau gesundheitsfördernder
Programme an Schulen und Kindersicherheitsprüfungen von Alltagsprodukten Rechnung zu tragen.
Ausdrücklich im Nationalen Aktionsplan festgehalten wird, dass in Österreich alle Kinder und Jugendlichen
einen gesetzlich gewährleisteten chancengleichen Zugang zu einer umfassenden, qualitativ hochwertigen und
zukunftsweisenden Bildung haben. Ziel sei es, Kindern und Jugendlichen - entsprechend ihren persönlichen Fähigkeiten
sowie unter Bedachtnahme auf ihr außerschulisches Umfeld - ein differenziertes Bildungsangebot zur Verfügung
zu stellen, heißt es im Bericht. Auch auf das besondere Bildungsangebot für behinderte Kinder und Jugendliche
- integrativer Unterricht in der Volksschule, der Hauptschule und der AHS-Unterstufe, die Einführung einer
neunten Schulstufe an der Sonderschule als Berufsvorbereitungsjahr, spezielle Angebote im Bereich der Lehrlingsausbildung,
erweiterter Förderunterricht von körper- oder sinnesbehinderten SchülerInnen - sowie weitere Schulinitiativen
wie das Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen", die Initiative "Lesefit" und die Förderung
der Medienkompetenz wird verwiesen.
Das Recht auf Arbeit für Jugendliche ist nach Meinung der Regierung nicht zuletzt durch das Jugendausbildungssicherungsgesetz
garantiert, das allen Jugendlichen, die keine Lehrstelle bekommen, ein entsprechendes Auffangnetz bietet. Zudem
haben arbeitslose Jugendliche seit der Novellierung des Arbeitsmarktservicegesetzes Anfang 2004 einen speziellen
Anspruch auf Wiedereingliederungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, wenn ihnen nicht binnen drei Monaten eine
zumutbare Beschäftigung angeboten werden kann.
Was die Partizipation von Kindern und Jugendlichen betrifft, verweist der Bericht u.a. auf die Einrichtung der
Bundesjugendvertretung (BJV), die 41 österreichische Kinder- und Jugendorganisationen umfasst und als gesetzliche
Interessenvertretung sicher stellt, dass junge Menschen bei politischen Entscheidungen mitreden. Zudem wird unter
dem Titel "Weißbuch Jugend" ein Informationspaket für Gemeinden angeboten, um die Teilhabe
von Kindern und Jugendlichen auf Gemeindeebene zu fördern. Im Bildungsbereich ist das Recht auf Partizipation
dem Bericht zufolge durch die Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrechte der SchülerInnen in der Schulpartnerschaft
verwirklicht.
Im Hinblick auf das Recht auf gewaltfreie Kindheit und Jugend seien, so der Bericht, mit dem Strafrechts-Änderungsgesetz
2004 wichtige gesetzliche Schritte zu mehr Schutz vor sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche gesetzt worden.
Zudem habe man in den letzten Jahren österreichweit auf regionaler Ebene ein Netz von Hilfseinrichtungen für
Gewaltopfer aufgebaut.
Im Nationalen Aktionsplan angesprochen werden darüber hinaus noch zahlreiche weitere Bereiche, etwa die Herstellung
"generationaler" Gerechtigkeit, die mit dem Jugendradar 2003 begonnene systematische Datensammlung als
Grundlage für die Kinder- und Jugendpolitik, das Recht von Kindern auf geschlechterspezifische Erziehung,
Sicherheit im Straßenverkehr, Gewalt in den Medien, die Einrichtung von Schutzzonen rund um Schulen, Kindergärten
und Kindertagesheime, Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche, die Verbesserung der psychosozialen Betreuung
von Kindern und Jugendlichen in Krisensituationen und das Recht auf einen kind- und jugendgerechten Lebensraum.
So heißt es u.a., dass die Unterschiede zwischen Mädchen und Burschen erkannt und Systeme und Strukturen
aufgezeigt werden sollen, die diese Unterschiede berücksichtigen, um so den Buben die Möglichkeit zu
einer positiven männlichen Einstellung bieten zu können. Zur Hebung der Verkehrssicherheit will man u.a.
die Anhaltebereitschaft der Kraftfahrer vor Schutzwegen verstärkt überwachen und die Verkehrserziehung
auf den gesamten Pflichtschulbereich ausdehnen. Weiters soll im Rahmen der Jugendwohlfahrt mehr Augenmerk auf die
Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen gelegt werden.
Darüber hinaus bekräftigt die Regierung, dass sie nicht nur eine weitere Verbesserung der Lebensbedingungen
der Kinder in Österreich anstrebe, sondern auch in den internationalen Beziehungen auf die stärkere Berücksichtigung
von Kinderrechten hinwirken wolle. U.a. werden Demobilisierungs-, Rehabilitierungs- und Reintegrationsprogramme
für ehemalige KindersoldatInnen sowie die weltweite Beseitigung und das Verbot von Landminen unterstützt.
Hingewiesen wird zudem auf die verstärkte internationale Kooperation der "Meldestelle für Kinderpornographie"
im Bundeskriminalamt sowie das gemeinsame Vorgehen von Tschechien und Österreich gegen "Sextourismus"
mit Minderjährigen im österreichisch-tschechischen Grenzgebiet. |