Das Fehlen eines Rezeptormoleküls trägt beim Menschen zum Wachstum von Tumoren des Eierstocks
bei
Wien (pr & d) - Diesen überraschend klaren Zusammenhang belegte am Mittwoch (15. 06.)
ein Team der Medizinischen Universität Wien mit der Veröffentlichung ihrer Daten im Fachjournal Molecular
Cancer Research. Das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützte Team fand auch die mögliche genetische Ursache
für das Fehlen des Rezeptormoleküls, das einen wichtigen Faktor zur Regulierung des Zellwachstums darstellt.
In gesunden Geweben wachsen und teilen sich die Zellen - in bösartigen Tumoren tun sie es genauso. Der Unterschied
zwischen beiden liegt in der Regulierung. Diese funktioniert bei gesunden Geweben gut - und bei Tumoren eben nicht.
Ein wichtiger Mechanismus dieser Regulierung ist der als Apoptose bezeichnete regulierte Zelltod. Dieser verursacht
das kontrollierte Absterben einzelner Zellen, wenn es zum Vorteil des gesamten Organismus ist. Funktioniert dieser
Selbstschutz nicht, dann können sich schädliche Zellen ungehemmt teilen. Signal ohne Wirkung Jetzt konnte
ein Team um Prof. Michael Krainer von der Medizinischen Universität Wien belegen, dass dieser programmierte
Zelltod auch bei Zellen bestimmter Tumore der Eierstöcke nicht funktioniert. Jedoch nicht, weil das auslösende
Signal fehlt, sondern weil dieses Signal von den Zellen nicht aufgenommen werden kann. Die heute im amerikanischen
Fachjournal Molecular Cancer Research veröffentlichte Arbeit zeigt, dass ein als DR4 bezeichnetes Rezeptormolekül
auf diesen Zellen fehlt. DR4 ist aber für das Binden des Signalmoleküls TRAIL, das in diesen Zellen die
Apoptose einleitet, verantwortlich.
Prof. Krainer erläutert: "Zunächst war eigentlich nicht klar, was bei der Signalübertragung
fehlt. Das Signal oder das Rezeptormolekül? Zur Klärung dieser Frage wurden von uns zehn verschiedene
Proben von Tumoren der Eierstöcke untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass bei 40 % der Proben keine oder
nur sehr wenige Rezeptormoleküle von DR4 vorhanden sind." In weiteren Untersuchungen wurde dann gezeigt,
dass gerade diese Zellen besonders schlecht auf TRAIL reagierten. Damit war geklärt, dass das Fehlen des Rezeptors
und nicht des Signals maßgeblich zum Tumorwachstum beitragen kann.
Ruhige Gene Weitere Experimente klärten auch, wieso der Rezeptor in so geringer Anzahl vorhanden war. Dazu
Prof. Krainer: "Der Verlust eines Rezeptormoleküls wie DR4 kann vor allem zwei Gründe haben. Zum
einen kann das verantwortliche Gen verloren gegangen oder beschädigt sein. Zum anderen kann es auch sein,
dass dieses Gen so modifiziert wurde, dass es nicht einsatzbereit ist." Genau Letzteres - die Modifikation
des Gens - konnte das Team von Prof. Krainer für DR4 in 75 % der Proben, die eine geringe Anzahl an DR4-Rezeptoren
besaßen, feststellen. Einige Bausteine des Gens waren durch Anhängen von Methyl-Gruppen verändert
worden. Diese Methylierung ist zwar ein durchaus üblicher Weg, um Gene in Zellen "ruhig zu stellen",
in den betroffenen Tumorzellen muss diese aber wohl zum falschen Zeitpunkt erfolgt sein.
Eine wichtige Kontrolle führten Prof. Krainer und seine KollegInnen zum Abschluss ihrer Arbeiten durch: die
Bestätigung der Ergebnisse durch Tests an 36 verschiedenen Tumorgeweben, die direkt von Patientinnen stammten.
Diese Zellen repräsentieren nämlich im Vergleich zu den für experimentelle Arbeiten üblicherweise
verwendeten Zellkulturen die tatsächlichen Erkrankungsursachen wesentlich besser. In 20 % der untersuchten
Gewebe wurde auch hier eine erhöhte Methylierung des Gens und ein Fehlen von DR4 festgestellt. Die vom Wissenschaftsfonds
FWF unterstützte Arbeit ebnet mit der wichtigen Erkenntnis, dass die Methylierung des Gens für DR4 zur
Entstehung von Tumoren beitragen kann, den Weg für zukünftige Therapien. Diese könnten das gestörte
Signaltransfer-System DR4 - TRAIL manipulieren, um die Krebszellen dem ursprünglich programmierten Zelltod
zuzuführen. |