Lipponen: "EU-Vertrag ratifizieren und GASP weiter stärken"
Wien (pk) - Nach seinem Gespräch mit Nationalratspräsident Andreas Khol traf der finnische
Parlamentspräsident Paavo Lipponen am Dienstag (14. 06.) mit dem Vorsitzenden des Außenpolitischen
Ausschusses Peter Schieder zusammen, der den finnischen Gast herzlich begrüßte und zu einer Unterredung
mit Ausschussmitgliedern bat.
Im Mittelpunkt des Gedankenaustauschs standen aktuelle europäische Fragen wie EU-Verfassung, EU-Erweiterung
und Sicherheitsthemen. Präsident Lipponen plädierte dafür, die Ratifikation des EU-Verfassungsvertrages
fortzusetzen und sprach sich dagegen aus, das Paket nun wieder aufzuschnüren, weil man nicht wissen könne,
ob es sich dann wieder schließen lasse. Den Vorschlag von Nationalratspräsident Khol, die nationalen
Parlamente und deren Zusammenarbeit zu stärken, sah Lipponen positiv und sprach sich zudem für die Weiterentwicklung
der GASP aus. Die Integration des Balkans in die EU sei notwendig, auch die Verhandlungen mit der Türkei sollte
man aufnehmen, sagte der finnische Präsidentschaftsparlament, fügte aber hinzu, dass es Zeit brauchen
werde, die Kopenhagener Kriterien einzuhalten. Man könne die EU-Erweiterung eines Tages fortsetzen, aber man
brauche dafür das Engagement der Bürger. Besonderes Interesse zeigte Paavo Lipponen an der österreichischen
Sicherheitspolitik.
Ausschussobmann SCHIEDER berichtete dem finnischen Gast, dass sich die sicherheitspolitischen Positionen
in Österreich angenähert haben. Österreich bleibe neutral. Es nehme an keinen Kriegen und militärischen
Bündnissen teil und dulde keine Stationierung fremder Truppen. Einsätze unter UN-Mandat seien kein Krieg,
militärische Zusammenarbeit sei möglich und es gebe auch keine Berührungsängste gegenüber
der NATO. Im Rahmen von Battlegroups werde sich Österreich, so Schieder, nur an Einsätzen beteiligen,
die keinen Krieg darstellen, und an kriegerischen Einsätzen nur, wenn diese unter UN-Mandat stehen. Europäische
Einsätze ohne UN-Mandat seien für Österreich nicht möglich.
Positiv verzeichnete Peter Schieder das Verständnis Finnlands für die Probleme auf dem Balkan, wo die
EU ein wichtiges Friedensprojekt darstelle. Schieder machte darauf aufmerksam, dass die zu erwartende Kosovo-Konferenz
entweder unter österreichischem oder finnischem EU-Vorsitz stattfinden werde und hielt auch im Hinblick auf
Bosnien-Herzegowina die Zeit für integrative Schritte gekommen. Hinsichtlich der europäischen Förderungspolitik
sprach Schieder für eine Aufteilung der Mittel zwischen jenen aus, die näher zur EU rücken und jenen,
die noch nicht dazu gehören. Kroatien sollte man nicht zu lange warten lassen und auch Serbien eine absehbare
Beitrittsperspektive geben.
Abgeordneter Michael SPINDELEGGER (V) unterstrich die Position seiner Partei, die europäische Seite
der Sicherheitspolitik zu stärken. Spindelegger sprach von Solidarität innerhalb der EU und von Neutralität
außerhalb Europas. Die ÖVP wolle die Vergemeinschaftung der Verteidigungspolitik und unterstütze
die Teilnahme des Bundesheeres an den europäischen Einheiten, auch bei friedensschaffenden Maßnahmen
aufgrund von EU-Beschlüssen. Die Balkanpolitik sah auch Spindelegger als einen Schwerpunkt der österreichischen
EU-Präsidentschaft.
Abgeordneter Caspar EINEM (S) meinte, dass die europäischen Parlamente auch ohne den Verfassungsvertrag
ausreichend Möglichkeiten haben, sich mit EU-Themen zu beschäftigen, wenn sie das wollen. Den Verfassungsvertrag,
wie er nun vorliege, sei nicht umsetzbar, sagte Einem, plädierte aber dafür, die Ratifizierung fortzusetzen,
um Schritte in Richtung Demokratisierung zu setzen.
Abgeordneter Maximilian WALCH (F) stimmte Präsident Lipponen zu, wenn er zur Vorsicht bei der EU- Erweiterung
riet, und nannte als Gründe für die Ablehnung des EU-Vertrages die unzureichende Information der Bürger
sowie die hohe Arbeitslosigkeit.
Abgeordnete Ulrike LUNACEK (G) bekannte sich ebenfalls dazu, den Ratifizierungsprozess fortzusetzen, verlangte
aber einen neuen Konvent und die Behandlung europäischer Sozialthemen sowie globaler Fragen.
Der finnische Parlamentspräsident bekannte sich nachdrücklich dazu, die Außen- und Sicherheitspolitik
der EU sowie die gemeinsame Verteidigungspolitik zu verstärken. Sein Land spreche seit der Wende nicht mehr
von Neutralitätspolitik, sondern verstehe sich als bündnisfrei und arbeite aktiv an der Zusammenarbeit
mit der NATO.
Gegenüber Vorschlägen für eine Änderung des EU-Verfassungsvertrages zeigte sich der finnische
Parlamentspräsident skeptisch. Soziale und wirtschaftliche Fragen könne man nicht in einem Grundgesetz
lösen, sondern nur im politischen Prozess. |