Präsident Lipponen im Gespräch mit Abgeordneten  

erstellt am
15. 06. 05

Lipponen: "EU-Vertrag ratifizieren und GASP weiter stärken"
Wien (pk) - Nach seinem Gespräch mit Nationalratspräsident Andreas Khol traf der finnische Parlamentspräsident Paavo Lipponen am Dienstag (14. 06.) mit dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses Peter Schieder zusammen, der den finnischen Gast herzlich begrüßte und zu einer Unterredung mit Ausschussmitgliedern bat.

Im Mittelpunkt des Gedankenaustauschs standen aktuelle europäische Fragen wie EU-Verfassung, EU-Erweiterung und Sicherheitsthemen. Präsident Lipponen plädierte dafür, die Ratifikation des EU-Verfassungsvertrages fortzusetzen und sprach sich dagegen aus, das Paket nun wieder aufzuschnüren, weil man nicht wissen könne, ob es sich dann wieder schließen lasse. Den Vorschlag von Nationalratspräsident Khol, die nationalen Parlamente und deren Zusammenarbeit zu stärken, sah Lipponen positiv und sprach sich zudem für die Weiterentwicklung der GASP aus. Die Integration des Balkans in die EU sei notwendig, auch die Verhandlungen mit der Türkei sollte man aufnehmen, sagte der finnische Präsidentschaftsparlament, fügte aber hinzu, dass es Zeit brauchen werde, die Kopenhagener Kriterien einzuhalten. Man könne die EU-Erweiterung eines Tages fortsetzen, aber man brauche dafür das Engagement der Bürger. Besonderes Interesse zeigte Paavo Lipponen an der österreichischen Sicherheitspolitik.

Ausschussobmann SCHIEDER berichtete dem finnischen Gast, dass sich die sicherheitspolitischen Positionen in Österreich angenähert haben. Österreich bleibe neutral. Es nehme an keinen Kriegen und militärischen Bündnissen teil und dulde keine Stationierung fremder Truppen. Einsätze unter UN-Mandat seien kein Krieg, militärische Zusammenarbeit sei möglich und es gebe auch keine Berührungsängste gegenüber der NATO. Im Rahmen von Battlegroups werde sich Österreich, so Schieder, nur an Einsätzen beteiligen, die keinen Krieg darstellen, und an kriegerischen Einsätzen nur, wenn diese unter UN-Mandat stehen. Europäische Einsätze ohne UN-Mandat seien für Österreich nicht möglich.

Positiv verzeichnete Peter Schieder das Verständnis Finnlands für die Probleme auf dem Balkan, wo die EU ein wichtiges Friedensprojekt darstelle. Schieder machte darauf aufmerksam, dass die zu erwartende Kosovo-Konferenz entweder unter österreichischem oder finnischem EU-Vorsitz stattfinden werde und hielt auch im Hinblick auf Bosnien-Herzegowina die Zeit für integrative Schritte gekommen. Hinsichtlich der europäischen Förderungspolitik sprach Schieder für eine Aufteilung der Mittel zwischen jenen aus, die näher zur EU rücken und jenen, die noch nicht dazu gehören. Kroatien sollte man nicht zu lange warten lassen und auch Serbien eine absehbare Beitrittsperspektive geben.

Abgeordneter Michael SPINDELEGGER (V) unterstrich die Position seiner Partei, die europäische Seite der Sicherheitspolitik zu stärken. Spindelegger sprach von Solidarität innerhalb der EU und von Neutralität außerhalb Europas. Die ÖVP wolle die Vergemeinschaftung der Verteidigungspolitik und unterstütze die Teilnahme des Bundesheeres an den europäischen Einheiten, auch bei friedensschaffenden Maßnahmen aufgrund von EU-Beschlüssen. Die Balkanpolitik sah auch Spindelegger als einen Schwerpunkt der österreichischen EU-Präsidentschaft.

Abgeordneter Caspar EINEM (S) meinte, dass die europäischen Parlamente auch ohne den Verfassungsvertrag ausreichend Möglichkeiten haben, sich mit EU-Themen zu beschäftigen, wenn sie das wollen. Den Verfassungsvertrag, wie er nun vorliege, sei nicht umsetzbar, sagte Einem, plädierte aber dafür, die Ratifizierung fortzusetzen, um Schritte in Richtung Demokratisierung zu setzen.

Abgeordneter Maximilian WALCH (F) stimmte Präsident Lipponen zu, wenn er zur Vorsicht bei der EU- Erweiterung riet, und nannte als Gründe für die Ablehnung des EU-Vertrages die unzureichende Information der Bürger sowie die hohe Arbeitslosigkeit.

Abgeordnete Ulrike LUNACEK (G) bekannte sich ebenfalls dazu, den Ratifizierungsprozess fortzusetzen, verlangte aber einen neuen Konvent und die Behandlung europäischer Sozialthemen sowie globaler Fragen.

Der finnische Parlamentspräsident bekannte sich nachdrücklich dazu, die Außen- und Sicherheitspolitik der EU sowie die gemeinsame Verteidigungspolitik zu verstärken. Sein Land spreche seit der Wende nicht mehr von Neutralitätspolitik, sondern verstehe sich als bündnisfrei und arbeite aktiv an der Zusammenarbeit mit der NATO.

Gegenüber Vorschlägen für eine Änderung des EU-Verfassungsvertrages zeigte sich der finnische Parlamentspräsident skeptisch. Soziale und wirtschaftliche Fragen könne man nicht in einem Grundgesetz lösen, sondern nur im politischen Prozess.
     
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