300 Euro für Frauen mit geringer Pension,
die Kinder erzogen haben
Wien (pk) - Frauen, die beim Wiederaufbau Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg mitgewirkt
und in den ersten Nachkriegsjahren unter besonders schweren Bedingungen Kinder erzogen haben und jetzt lediglich
über eine Mindestpension oder ein vergleichbar niedriges Einkommen verfügen, sollen eine Einmalzahlung
in der Höhe von 300 Euro erhalten. Das beschloss der Familienausschuss des Nationalrats am Donnerstag (23. 06.)
auf Basis einen Antrags der Koalitionsparteien. Umfasst sind alle österreichischen Staatsbürgerinnen,
die vor dem 1. Jänner 1931 geboren sind und vor dem 1. Jänner 1951 mindestens ein Kind in Österreich
zur Welt gebracht oder erzogen haben. Allerdings sind - aufgrund eines im Ausschuss eingebrachten und mitbeschlossenen
Abänderungsantrags - alle Frauen von der Zuwendung ausgeschlossen, "deren Verhalten in Wort oder Tat
mit den Gedanken und Zielen eines freien, demokratischen Österreich unvereinbar waren".
Finanziert werden soll die Einmalzahlung, die von den Betroffenen beim Sozialamt beantragt werden muss, aus überschüssigen
Mitteln des Härteausgleichsfonds des Sozialministeriums und des für behinderte Menschen zur Verfügung
stehenden Unterstützungsfonds. Die Opposition lehnte den Antrag u.a. mit der Begründung ab, dass Frauen
ohne Kinder und Frauen mit einer etwas höheren Pension keine Zuwendung erhielten. Zudem orten SPÖ und
Grüne eine Vermengung von Opfern und Tätern und sahen den Abänderungsantrag der Koalition diesbezüglich
als ungenügend an.
Seitens der SPÖ führte Familiensprecherin Andrea Kuntzl aus, ihre Fraktion
begrüße und unterstütze das Vorhaben, die besonderen Leistungen, die Frauen im Zuge des Wiederaufbaus
von Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg erbracht haben, durch eine einmalige Zuwendung symbolisch zu honorieren.
Die betroffenen Frauen hätten einen schwierigen Alltag organisieren müssen, unterstrich sie, es gebe
gute Gründe, eine Geste für sie zu setzen.
Kuntzl und ihre FraktionskollegInnen wandten sich jedoch strikt gegen die im Koalitionsantrag festgelegten Kriterien
für die Einmalzahlung. So meinte Abgeordnete Heidrun Silhavy, auch Frauen ohne Kinder hätten einen wichtigen
Beitrag zum Wiederaufbau Österreichs geleistet und sich oft um andere Angehörige gekümmert, Abgeordneter
Kai Jan Krainer sprach von einer Art "fiskalischem Mutterkreuz". Auch die heutigen Einkommensverhältnisse
stellten, so die SPÖ-Abgeordneten, kein Kriterium für die damals erbrachte Leistung dar.
Zudem trat die SPÖ dafür ein, dezidiert alle Frauen von der Zuwendung auszuschließen, die gemäß
§ 4 Verbotsgesetz als Nationalsozialistinnen registriert worden waren, der von der Koalition eingebrachte
Abänderungsantrag wurde von den Abgeordneten als zu schwammig gewertet. Man müsse klar trennen zwischen
denen, die unter den Folgen nationalsozialistischer Verfolgung zu leiden hatten, und jenen, die aktiv an dieser
Verfolgung beteiligt und gleichzeitig Opfer des Krieges waren, forderte Kuntzl.
Ein von der SPÖ eingebrachter Abänderungsantrag, dem zufolge sämtliche Frauen die Einmalzahlung
von 300 Euro erhalten sollen, die vor dem 1. Jänner 1931 geboren sind und zwischen 1945 und 1950 in Österreich
gelebt haben, ausgenommen registrierte Nationalsozialistinnen, fand bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit. Der
Antrag hätte auch vorgesehen, die Einmalzahlung nicht aus den zwei Härtefonds, sondern aus allgemeinen
Budgetmitteln zu finanzieren. Ebenso abgelehnt wurde ein weiterer SPÖ-Abänderungsantrag zur Präzisierung
der von der Zuwendung ausgeschlossenen Personen.
Mit echtem Dank und Anerkennung an eine Frauengeneration habe der Gesetzesantrag der Koalition nur am Rande zu
tun, resümierte Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S), es gehe eher um Almosenpolitik.
Abgeordneter Karl Öllinger (G) meinte, er sei in Bezug auf die vorgesehene Einmalzahlung noch
viel skeptischer als Abgeordnete Kuntzl. Abgesehen von der seiner Meinung nach willkürlichen Altersgrenze,
dem Kriterium der Kinderbetreuung und dem Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft, wandte
er sich insbesondere dagegen, "direkte und indirekte Opfer" des Nationalsozialismus zu vermischen. In
das Gesetzespaket für NS-Opfer seien indirekte Opfer hineinreklamiert worden, die eigentlich Täterinnen
seien, beklagte er. Aufräumarbeit sei vielfach Sühnearbeit für NationalsozialistInnen gewesen. Wenn
man keine klare Grenze ziehen könne, solle man, so Öllinger, auf diese Art von Leistung verzichten.
Auch Öllingers Fraktionskollegin Sabine Mandak kritisierte das besondere Betonen der Mutterschaft.
Sie gab zu bedenken, dass es große Unterschiede bei der Wiederaufbauarbeit zwischen Vorarlberg und Wien gegeben
habe, eine Frau in Wien ohne Kind hat es ihrer Ansicht nach in der Regel schwieriger gehabt als eine Frau mit Kind
in Vorarlberg. Als Alternative zur vorgesehenen Zuwendung schlug sie ein Fest für Frauen über 74 in allen
Gemeinden vor.
Die Koalitionsparteien machten dem gegenüber geltend, dass "wahre Gerechtigkeit" nicht zu erzielen
sei, auch wenn man die Auswahlkriterien ändern würde. Nach Meinung von Abgeordneter Anna Höllerer
(V) und Abgeordneter Marialuise Mittermüller (F) hatten es Frauen, die neben der Wiederaufbauarbeit
für Kinder sorgen mussten, eben besonders schwierig. Sie hätten nicht nur Verantwortung für sich
selbst gehabt, sondern auch für das Überleben ihrer Kinder, sagte Mittermüller. Höllerer betonte,
die Einmalzahlung sei zwar nur eine symbolische Geste, damit wolle man den Betroffenen aber besondere Anerkennung
ausdrücken. Dass es eine Grenze zwischen Täterinnen und Opfern geben müsse, wertete auch Höllerer
als notwendig und brachte den schließlich mitbeschlossenen Abänderungsantrag ein.
Abgeordnete Ingrid Turkovic-Wendl (V) zeigte sich darüber erfreut, dass die besondere Anerkennung
von "Trümmerfrauen" im Gedankenjahr 2005 umgesetzt werde.
Sozialministerin Ursula Haubner hielt fest, Gerechtigkeit für Opfer des Nationalsozialismus
sei in keinem Fall möglich. Man könne den Schmerz und das Leid der betroffenen Menschen nicht reparieren.
Die Einmalzahlung für "Trümmerfrauen" wertete Haubner als längst fälliges Signal.
Die Leistung als "fiskalisches Mutterkreuz" zu beurteilen, sei "einfach unpassend", bekräftigte
sie. Auch die Altersgrenze sei, so Haubner, nicht willkürlich, gerade die ersten fünf Jahre Wiederaufbau
seien besonders schwierig gewesen.
Zwischen Täterinnen und Opfern müsse eine Grenze gezogen werden, unterstrich Haubner, deshalb kämen
auch Personen, deren Verhalten in Wort oder Tat mit den Gedanken und Zielen eines freien, demokratischen Österreich
unvereinbar gewesen seien, nicht in den Genuss der Zuwendung. Die Formulierung sei wortwörtlich dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz
entnommen, skizzierte Haubner, daher sei auch anzunehmen, dass die Bestimmung administrierbar sei.
Informieren will Haubner die betroffenen Frauen u.a. über die Bundessozialämter und die Seniorenorganisationen.
Die Einladung zu einem Fest statt der Zuwendung sei keine adäquate Alternative, meinte sie, dies könnte
als Wahlveranstaltung der Regierung missinterpretiert werden.
Dass die Gelder aus den beiden Härtefonds genommen würden, begründete Haubner damit, dass überschüssige
Mittel ansonsten an den Finanzminister zurückfließen würden.
Der Gesetzesantrag der Koalitionsparteien wurde unter Berücksichtigung des F-V-Abänderungsantrages mit
V-F-Mehrheit beschlossen. |