Familienausschuss beschliesst Einmalzahlung für "Trümmerfrauen"  

erstellt am
24. 06. 05

300 Euro für Frauen mit geringer Pension, die Kinder erzogen haben
Wien (pk) - Frauen, die beim Wiederaufbau Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg mitgewirkt und in den ersten Nachkriegsjahren unter besonders schweren Bedingungen Kinder erzogen haben und jetzt lediglich über eine Mindestpension oder ein vergleichbar niedriges Einkommen verfügen, sollen eine Einmalzahlung in der Höhe von 300 Euro erhalten. Das beschloss der Familienausschuss des Nationalrats am Donnerstag (23. 06.) auf Basis einen Antrags der Koalitionsparteien. Umfasst sind alle österreichischen Staatsbürgerinnen, die vor dem 1. Jänner 1931 geboren sind und vor dem 1. Jänner 1951 mindestens ein Kind in Österreich zur Welt gebracht oder erzogen haben. Allerdings sind - aufgrund eines im Ausschuss eingebrachten und mitbeschlossenen Abänderungsantrags - alle Frauen von der Zuwendung ausgeschlossen, "deren Verhalten in Wort oder Tat mit den Gedanken und Zielen eines freien, demokratischen Österreich unvereinbar waren".

Finanziert werden soll die Einmalzahlung, die von den Betroffenen beim Sozialamt beantragt werden muss, aus überschüssigen Mitteln des Härteausgleichsfonds des Sozialministeriums und des für behinderte Menschen zur Verfügung stehenden Unterstützungsfonds. Die Opposition lehnte den Antrag u.a. mit der Begründung ab, dass Frauen ohne Kinder und Frauen mit einer etwas höheren Pension keine Zuwendung erhielten. Zudem orten SPÖ und Grüne eine Vermengung von Opfern und Tätern und sahen den Abänderungsantrag der Koalition diesbezüglich als ungenügend an.

Seitens der SPÖ führte Familiensprecherin Andrea Kuntzl aus, ihre Fraktion begrüße und unterstütze das Vorhaben, die besonderen Leistungen, die Frauen im Zuge des Wiederaufbaus von Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg erbracht haben, durch eine einmalige Zuwendung symbolisch zu honorieren. Die betroffenen Frauen hätten einen schwierigen Alltag organisieren müssen, unterstrich sie, es gebe gute Gründe, eine Geste für sie zu setzen.

Kuntzl und ihre FraktionskollegInnen wandten sich jedoch strikt gegen die im Koalitionsantrag festgelegten Kriterien für die Einmalzahlung. So meinte Abgeordnete Heidrun Silhavy, auch Frauen ohne Kinder hätten einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau Österreichs geleistet und sich oft um andere Angehörige gekümmert, Abgeordneter Kai Jan Krainer sprach von einer Art "fiskalischem Mutterkreuz". Auch die heutigen Einkommensverhältnisse stellten, so die SPÖ-Abgeordneten, kein Kriterium für die damals erbrachte Leistung dar.

Zudem trat die SPÖ dafür ein, dezidiert alle Frauen von der Zuwendung auszuschließen, die gemäß § 4 Verbotsgesetz als Nationalsozialistinnen registriert worden waren, der von der Koalition eingebrachte Abänderungsantrag wurde von den Abgeordneten als zu schwammig gewertet. Man müsse klar trennen zwischen denen, die unter den Folgen nationalsozialistischer Verfolgung zu leiden hatten, und jenen, die aktiv an dieser Verfolgung beteiligt und gleichzeitig Opfer des Krieges waren, forderte Kuntzl.

Ein von der SPÖ eingebrachter Abänderungsantrag, dem zufolge sämtliche Frauen die Einmalzahlung von 300 Euro erhalten sollen, die vor dem 1. Jänner 1931 geboren sind und zwischen 1945 und 1950 in Österreich gelebt haben, ausgenommen registrierte Nationalsozialistinnen, fand bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit. Der Antrag hätte auch vorgesehen, die Einmalzahlung nicht aus den zwei Härtefonds, sondern aus allgemeinen Budgetmitteln zu finanzieren. Ebenso abgelehnt wurde ein weiterer SPÖ-Abänderungsantrag zur Präzisierung der von der Zuwendung ausgeschlossenen Personen.

Mit echtem Dank und Anerkennung an eine Frauengeneration habe der Gesetzesantrag der Koalition nur am Rande zu tun, resümierte Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S), es gehe eher um Almosenpolitik.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) meinte, er sei in Bezug auf die vorgesehene Einmalzahlung noch viel skeptischer als Abgeordnete Kuntzl. Abgesehen von der seiner Meinung nach willkürlichen Altersgrenze, dem Kriterium der Kinderbetreuung und dem Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft, wandte er sich insbesondere dagegen, "direkte und indirekte Opfer" des Nationalsozialismus zu vermischen. In das Gesetzespaket für NS-Opfer seien indirekte Opfer hineinreklamiert worden, die eigentlich Täterinnen seien, beklagte er. Aufräumarbeit sei vielfach Sühnearbeit für NationalsozialistInnen gewesen. Wenn man keine klare Grenze ziehen könne, solle man, so Öllinger, auf diese Art von Leistung verzichten.

Auch Öllingers Fraktionskollegin Sabine Mandak kritisierte das besondere Betonen der Mutterschaft. Sie gab zu bedenken, dass es große Unterschiede bei der Wiederaufbauarbeit zwischen Vorarlberg und Wien gegeben habe, eine Frau in Wien ohne Kind hat es ihrer Ansicht nach in der Regel schwieriger gehabt als eine Frau mit Kind in Vorarlberg. Als Alternative zur vorgesehenen Zuwendung schlug sie ein Fest für Frauen über 74 in allen Gemeinden vor.

Die Koalitionsparteien machten dem gegenüber geltend, dass "wahre Gerechtigkeit" nicht zu erzielen sei, auch wenn man die Auswahlkriterien ändern würde. Nach Meinung von Abgeordneter Anna Höllerer (V) und Abgeordneter Marialuise Mittermüller (F) hatten es Frauen, die neben der Wiederaufbauarbeit für Kinder sorgen mussten, eben besonders schwierig. Sie hätten nicht nur Verantwortung für sich selbst gehabt, sondern auch für das Überleben ihrer Kinder, sagte Mittermüller. Höllerer betonte, die Einmalzahlung sei zwar nur eine symbolische Geste, damit wolle man den Betroffenen aber besondere Anerkennung ausdrücken. Dass es eine Grenze zwischen Täterinnen und Opfern geben müsse, wertete auch Höllerer als notwendig und brachte den schließlich mitbeschlossenen Abänderungsantrag ein.

Abgeordnete Ingrid Turkovic-Wendl (V) zeigte sich darüber erfreut, dass die besondere Anerkennung von "Trümmerfrauen" im Gedankenjahr 2005 umgesetzt werde.

Sozialministerin Ursula Haubner hielt fest, Gerechtigkeit für Opfer des Nationalsozialismus sei in keinem Fall möglich. Man könne den Schmerz und das Leid der betroffenen Menschen nicht reparieren.

Die Einmalzahlung für "Trümmerfrauen" wertete Haubner als längst fälliges Signal. Die Leistung als "fiskalisches Mutterkreuz" zu beurteilen, sei "einfach unpassend", bekräftigte sie. Auch die Altersgrenze sei, so Haubner, nicht willkürlich, gerade die ersten fünf Jahre Wiederaufbau seien besonders schwierig gewesen.

Zwischen Täterinnen und Opfern müsse eine Grenze gezogen werden, unterstrich Haubner, deshalb kämen auch Personen, deren Verhalten in Wort oder Tat mit den Gedanken und Zielen eines freien, demokratischen Österreich unvereinbar gewesen seien, nicht in den Genuss der Zuwendung. Die Formulierung sei wortwörtlich dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz entnommen, skizzierte Haubner, daher sei auch anzunehmen, dass die Bestimmung administrierbar sei.

Informieren will Haubner die betroffenen Frauen u.a. über die Bundessozialämter und die Seniorenorganisationen. Die Einladung zu einem Fest statt der Zuwendung sei keine adäquate Alternative, meinte sie, dies könnte als Wahlveranstaltung der Regierung missinterpretiert werden.

Dass die Gelder aus den beiden Härtefonds genommen würden, begründete Haubner damit, dass überschüssige Mittel ansonsten an den Finanzminister zurückfließen würden.

Der Gesetzesantrag der Koalitionsparteien wurde unter Berücksichtigung des F-V-Abänderungsantrages mit V-F-Mehrheit beschlossen.
     
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