MARSIS-Radarantenne einsatzbereit  

erstellt am
23. 06. 05

Paris (esa) - Alle Ausleger der Radarantenne MARSIS an Bord des Mars-Express-Orbiters der ESA sind nun voll ausgefahren und können nach ersten Tests ihre Arbeit in der Mars-Umlaufbahn aufnehmen. Mit MARSIS ist jetzt endlich das gesamte Sondeninstrumentarium einsatzbereit, um Atmosphäre, Oberfläche und die darunterliegenden Schichten des Roten Planeten zu analysieren.

Die Radarantenne, deren Kürzel für Fortgeschrittenes Mars-Radar zur Analyse der Oberflächenschichten und der Ionosphäre steht, setzt sich aus drei Auslegern zusammen, zwei 20 Meter langen „Dipol“-Auslegern sowie einem senkrecht zu diesen stehenden, 7 Meter langen „Monopol“-Ausleger. Die Antenne ist deshalb von so außergewöhnlicher Bedeutung, da sie uns zum ersten Mal einen Blick unter die Mars-Oberfläche erlaubt.

Der in drei Phasen stattfindende, kritische Vorgang der Radarantennenentfaltung sowie die anschließenden Funktionsüberprüfungen der Raumsonde erstreckten sich vom 2. Mai bis zum 19. Juni. Die Entfaltung des ersten Auslegers konnte am 10. Mai abgeschlossen werden, nachdem die Scharniere des Geräts, die sich beim Ausfahren zunächst festgeklemmt hatten, unter Nutzung der Sonnenwärme wieder gelockert werden konnten.

Mit den bei der Entfaltung des ersten Auslegers gemachten Erfahrungen verlief dann das Manöver für den zweiten, 20 Meter langen Ausleger am 14. Juni erfolgreich, und auch das Ausfahren des dritten Auslegers drei Tage später wurde vom ESA-Team im Raumflugkontrollzentrum ESOC in Darmstadt erwartungsgemäß ohne Zwischenfälle gemeistert.

Die Eignung von MARSIS zur Übertragung von Radiowellen im Weltraum wurde zum ersten Mal beim Einschalten des Instruments am 19. Juni getestet und verlief erfolgreich.

MARSIS sendet nachts einen kodierten Strom von Radiowellen Richtung Mars und registriert anschließend die verschiedenen Echos, die Wissenschaftlern Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der Oberfläche und der darunterliegenden Schichten des Planeten erlauben. Eigentlicher Zweck dieser Beobachtungen ist die Suche nach Wasser. Doch MARSIS schaut nicht nur unter die Oberfläche, sondern analysiert tagsüber in gleicher Weise die Zusammensetzung der oberen Mars-Atmosphäre.

Bevor MARSIS mit seinen wissenschaftlichen Beobachtungen beginnen kann, muß es zunächst seine Einsatzerprobung absolvieren. Hierbei handelt es sich um eine an Sonden- und Satelliteninstrumenten durchgeführte Routine-Überprüfung, mit der die Funktionsfähigkeit der Geräte anhand echter Beobachtungsziele in der Umlaufbahn getestet wird. Bei MARSIS dauert dieser Vorgang etwa 10 Tage oder 38 Mars-Umrundungen, und zwar vom 23. Juni bis zum 4. Juli.

Während der Einsatzerprobung wird sich die Antenne in sogenannter Nadir-Ausrichtung zum Mars befinden, um den Planeten von genau den Punkten der elliptischen Umlaufbahn aus ins Visier zu nehmen, an denen die Raumsonde der Oberfläche am nächsten liegt. Dabei wird das Instrument Gebiete der Marsoberfläche zwischen 15° südlicher und 70° nördlicher Breite abtasten, u.a. die interessanten nördlichen Ebenen und die Tharsis-Region, so daß die Wissenschaftler eventuell gleich zu Anfang erstaunliche Entdeckungen machen könnten.

Nach Abschluß der Einsatzerprobung am 4. Juli kann MARSIS dann mit seinen eigentlichen wissenschaftlichen Beobachtungen beginnen. Dabei wird es zunächst flächendeckend betrieben. Die Beobachtung der Nachtseite des Planeten ermöglicht tiefgehende Bodensondierungen, denn nachts gibt es keine Interferenzen zwischen der Mars-Ionosphäre und den Niedrigfrequenzsignalen, die MARSIS zur Durchdringung der Mars-Bodenschichten bis in eine Tiefe von 5 km benötigt.

Bis Mitte Juli wird das in Nadir-Ausrichtung befindliche Radar die Gebiete zwischen 30° südlicher und 60° nördlicher Breite abtasten, in denen sich auch die weiten nördlichen Ebenen befinden, die einst von großen Wassermengen bedeckt gewesen sein könnten.

Die Entfernung der Antenne zum Planeten liegt bei unter 800 km für Bodensondierungen und unter 1200 km für Untersuchungen der Ionosphäre. Ab Mitte Juli wird der dem Mars am nächsten liegende Punkt der Umlaufbahn auf die Tagseite des Planeten wandern und dort auch bis Dezember 2005 bleiben. In dieser Phase kann MARSIS dann unter Nutzung von Radiowellen mit höheren Frequenzen weiter Bodensondierungen in geringen Tiefen vornehmen und mit der Analyse der Mars-Atmosphäre beginnen.

„Die Überwindung aller technischen Hürden bis zum Einsatz eines noch nicht weltraumerprobten Instruments wie MARSIS konnte dank der hervorragenden Zusammenarbeit von Wissenschaftlern auf beiden Seiten des Atlantiks gemeistert werden“, erklärte der Wissenschaftsdirektor der ESA, Professor David Southwood. „Die Mühen für die nun geglückte Inbetriebnahme von MARSIS haben sich gelohnt, denn - ganz gleich, was wir entdecken - wir werden auf jeden Fall Neuland betreten. Die ESA-Mission Mars Express kann vom heutigen Standpunkt aus gesehen mit Fug und Recht als eine der bedeutendsten wissenschaftlichen Mars-Missionen gewertet werden.“

Das MARSIS-Instrument wurde von der Universität Rom in Partnerschaft mit dem Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena, Kalifornien, entwickelt. Leiter des für das Instrument zuständigen Teams ist Prof. Giovanni Picardi. MARSIS ist das erste Instrument, das - mittels Niedrigfrequenz-Mikrowellen, die von den unterschiedlichen Materieschichten reflektiert werden - unter die Oberfläche des Mars „schauen“ wird. Zu den wesentlichen Zielen gehören der Versuch, Wassereis unter der Oberfläche auszumachen, und die Charakterisierung der Schichten unter den Sedimenten. Darüber hinaus soll MARSIS eine Altimetriekartierung in großem Maßstab vornehmen und Daten über die Ionosphäre des Mars liefern, da diese elektrisch geladene Region der oberen Atmosphäre ebenfalls Radiowellen reflektiert.

Mars Express wurde am 2. Juni 2003 gestartet und erreichte den Roten Planeten am 1. Weihnachtstag desselben Jahres. MARSIS sollte seine drei Radarausleger ursprünglich bereits im April 2004, gegen Ende der Einsatzerprobung des Orbiters, ausfahren. Jedoch hatten Computersimulationen ergeben, daß beim Aktivieren ein Whiplash-Effekt auftreten könnte, der den Orbiter und seine Instrumente beschädigen könnte. Daher hat die ESA das Manöver zurückgestellt und weitere Analysen und Simulationen des Verhaltens der Ausleger und ihres möglichen Aufpralls auf den Orbiter durch deren Lieferanten (JPL), den Hauptauftragnehmer für das Raumfahrzeug (Astrium, Frankreich) und Fachleute der ESA abgewartet. Nach der Bewertung des Umfangs des Risikos und der Festlegung entsprechender Eindämmungsszenarien beschloß die ESA, im Mai 2005 die MARSIS-Radarausleger auszufahren.
     
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