Generaldebatte im Innenausschuss des Nationalrats
Wien (pk) - Die Abgeordneten haben am Dienstag (21. 06.) in der Frage der Verkürzung des
Zivildienstes noch keine Einigung erzielt. Bei einer Generaldebatte über den Gesetzentwurf der Regierung im
Innenausschuss des Nationalrats beharrten SPÖ und Grüne darauf, die Dauer des Zivildienstes an die Dauer
des Wehrdienstes anzugleichen, eine Forderung, die sowohl seitens der ÖVP als auch seitens der Freiheitlichen
mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass dies bei den Blaulicht- und anderen Sozialorganisationen
zu gravierenden Problemen führen würde. Der Regierungsentwurf sieht demgegenüber die Verkürzung
des Zivildienstes von zwölf auf neun Monate - plus drei freiwillige Monate - vor.
Von der SPÖ strikt abgelehnt wird auch der Vorschlag der Koalition, allen ÖsterreicherInnen und EWR-BürgerInnen
einen an den Zivildienst angelehnten freiwilligen sozialen Dienst in Österreich zu ermöglichen, sie befürchtet
dadurch insbesondere Lohndumping im Sozialbereich.
Die Verhandlungen über die Zivildienstgesetznovelle im Innenausschuss sollen am 30. Juni fortgesetzt und,
wie Ausschussvorsitzender Rudolf Parnigoni (S) erklärte, zu Ende gebracht werden. Da eine Beschlussfassung
im Nationalrat nur mit Zweidrittelmehrheit möglich ist, ist eine Zustimmung der SPÖ zum Gesetzentwurf
der Regierung erforderlich.
Eingeleitet wurden die Beratungen im Innenausschuss durch eine Stellungnahme von Innenministerin Liese Prokop.
Sie wies darauf hin, dass viele Vorschläge der Zivildienstreformkommission in den Gesetzentwurf der Regierung
eingearbeitet worden seien. So sei vorgesehen, den Zivildienst auf neun Monate zu verkürzen, gleichzeitig
aber eine dreimonatige freiwillige Verlängerung zu ermöglichen. Zudem habe man dem Auftrag des Verfassungsgerichtshofes
Rechnung getragen und die Vermittlung von Zivildienern wieder in das Innenministerium eingegliedert.
Auch der Vorschlag, Frauen in den freiwilligen sozialen Dienst einzubinden, geht Prokop zufolge auf den Bericht
der Zivildienstreformkommission zurück. Die Einbeziehung aller EWR-BürgerInnen ist ihrer Darstellung
nach EU-rechtlich geboten.
Abgeordneter Norbert Darabos (S) sprach sich dafür aus, die Dauer des Zivildienstes an die Dauer
des Wehrdienstes anzugleichen. Zivildienst sei eine gleichwertige Tätigkeit wie Wehrdienst, betonte er, deshalb
müssten Zivildiener gleich wie Wehrdiener behandelt werden. Um etwaige Probleme bei den Trägerorganisationen
zu verhindern, habe sich die SPÖ, so Darabos, in der Zivildienstreformkommission bereit erklärt, einer
schrittweisen Verkürzung des Zivildienstes auf sechs Monate bis zum Jahr 2008/09 zuzustimmen.
Als Kompromiss will die SPÖ, wie Darabos erklärte, den Regierungsparteien die Möglichkeit einräumen,
die Länge des Zivildienstes mit einfacher Mehrheit zu beschließen. "Ich glaube, das ist ein fairer
Vorschlag", betonte er, er habe noch kein stichhaltiges Argument gegen diese Vorgangsweise gehört.
Korrigiert werden soll die Regierungsvorlage nach Meinung von Darabos aber nicht nur hinsichtlich der Zivildienstdauer,
er forderte auch eine Gleichbehandlung von Zivildienern mit Grundwehrdienern in Bezug auf die Verpflegung ein.
Ein Grundwehrdiener bekomme 13,6 € tägliches Verpflegungsgeld, wenn er außerhalb seiner Garnisonsstadt
dienstverpflichtet sei und sich selbst versorgen müsse, skizzierte er, Zivildiener müssten mit viel weniger
auskommen.
Strikt abgelehnt wurde von Darabos die Ausdehnung des freiwilligen Zivildienstes auch auf Frauen und EWR-BürgerInnen.
Der Zivildienst sei ein Wehrersatzdienst, argumentierte er, zudem ermögliche man durch die Zulassung von EWR-BürgerInnen
"Lohndumping durch die Hintertür".
Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) widersprach Innenministerin Liese Prokop, wonach die Vorschläge
der Zivildienstreformkommission in den vorliegenden Gesetzentwurf eingearbeitet worden seien. Ihrer Ansicht nach
hat die Regierung überhaupt nicht vor, die Situation der Zivildienstleistenden zu verbessern und wolle diese
weiter "bis zum Umfallen ausnutzen". "Das bewusste Ausbeuten von jungen Männern muss endlich
aufhören", forderte sie, Zivildienstleistende dürften nicht als Lückenbüßer für
fehlendes Personal im Sozialbereich herhalten.
Auch ein freiwilliger Sozialdienst von Frauen und von EWR-BürgerInnen in Österreich ist nach Auffassung
Haidlmayrs nie in der Zivildienstreformkommission diskutiert worden. Die Ministerin wolle offenbar Billigstarbeitskräfte
zu Dumpingpreisen, vermutet sie.
Wenn der Wehrdienst so unattraktiv sei, dass keiner mehr zum Bundesheer wolle, könne die Antwort nicht eine
Verschärfung des Zivildienstes sein, führte Haidlmayr aus. Sie selbst regte eine Verkürzung des
Zivildienstes auf sechs Monate mittels eines Zwei-Stufen-Plans an. Zur Frage des Verpflegungsgeldes für Zivildiener
brachte Haidlmayr eine Abänderungsantrag zum Gesetzentwurf ein, der auf die Auszahlung eines täglichen
Verpflegungsentgeltes in der Höhe von 11,6 Euro abzielt.
Abgeordneter August Wöginger (V) machte geltend, dass der Endbericht der Zivildienstreformkommission
von den Kommissionsmitgliedern mit 10:3 bzw. 25:15 Stimmen angenommen worden sei. Ihm zufolge gilt es bei der Verkürzung
des Zivildienstes darauf Bedacht zu nehmen, in Zukunft sowohl eine ausreichende Zahl von Präsenzdienern als
auch von Zivildienern zur Verfügung zu haben. Würde man den Zivildienst, wie von SPÖ und Grünen
gefordert, auf sechs Monate verkürzen, würde das zu Problemen im Sozial- und Gesundheitsbereich führen,
konstatierte Wöginger. Auch in anderen Ländern sei die Angleichung von Zivildienst und Präsenzdienst
immer nur schrittweise erfolgt.
Laut Wöginger haben die Blaulichtorganisationen zudem angekündigt, keine Zivildiener mehr zu nehmen,
wenn der Zivildienst nur noch sechs Monate dauere, da sie allein eine Ausbildungszeit von bis zu sechs Wochen hätten. |
Was die Attraktivierung des Zivildienstes betrifft, verwies Wöginger auf die Erhöhung der Pauschalvergütung
um rund 70 Euro und die vorgesehenen finanziellen Anreize bei einer freiwilligen Verlängerung. Eine Erhöhung
des Verpflegungsgeldes bezeichnete er als "absolut diskussionswürdig", er sprach sich aber dafür
aus, ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes abzuwarten. Im Übrigen seien die Trägerorganisationen sehr
bestrebt, ihren Zivildienern Verpflegung zu günstigen Tarifen anzubieten.
Den freiwilligen sozialen Dienst sieht Wöginger nicht zuletzt deshalb für erforderlich, da die allgemeine
Wehrpflicht einmal abgeschafft werden könnte und dann ein Übergangsmodell benötigt würde, um
Lücken im Sozial-, Gesundheits-, aber auch im Pflegebereich zu schließen.
Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) übte scharfe Kritik an der Wortmeldung von Abgeordneter
Haidlmayr und meinte, man könne nicht sagen, dass jemand, der einen Dienst an der Allgemeinheit leiste, ausgenutzt
werde. Die längere Dauer des Zivildienstes gegenüber dem Wehrdienst begründete sie damit, dass Zivildiener
gegenüber Grundwehrdienern einige Erleichterungen - keine Kasernierung, kein strenges Disziplinarrecht und
in der Regel keine Uniformen - hätten.
Partik-Pable betonte, sie hätte eine Zivildienstdauer von zehn Monaten bevorzugt, da nur dann die Qualität
der Arbeit der Trägerorganisationen aufrecht erhalten werden könne. Neun plus drei Monate seien ein gerade
noch akzeptabler Kompromiss, allerdings drohten in diesem Fall bereits Engpässe. Eine Zivildienstdauer von
nur sechs Monaten würde, so Partik-Pable, zum Zusammenbruch des gesamten Systems führen.
Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S) führte aus, sie habe keine befriedigende Antwort auf die
Frage finden können, warum überhaupt der Versuch unternommen werde, Frauen einen freiwilligen sozialen
Dienst anzubieten. Ihr zufolge gibt es daran weder Bedarf seitens der Frauen noch wäre das eine adäquate
Antwort auf die hohe Frauenarbeitslosigkeit. Offenbar gehe es der Regierung darum, Lücken im Sozial- und Pflegebereich
sehr billig zu schließen, mutmaßte sie. Frauen würden damit aber in einen beruflichen Bereich
gedrängt, der nicht besonders gut bezahlt sei. Ihre Fraktionskollegin Katharina Pfeffer sprach sich dafür
aus, die Organisation des Zivildienstes wieder einer Abteilung des Innenministeriums zu übertragen.
Abgeordneter Günter Kößl (V) betonte, die Zivildienstreformkommission habe ausgesprochen
gute Arbeit geleistet. Er sieht mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die hohe Qualität und "großartige
Arbeit" der Trägerorganisationen, die Zivildiener einsetzen, weiterhin gewährleistet. Als sinnvoll
wertete er es, jene Personen, die bisher für die Vermittlung von Zivildienern zuständig waren und gute
Arbeit geleistet hätten, weiterhin in die Zivildienstvermittlung einzubinden. Das Modell "neun plus drei
Monate" ist für Kößl ein "vernünftiger Kompromiss".
Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) betonte, die SPÖ wolle den Zivildienst nicht von heute auf
morgen auf sechs Monate verkürzen. Die SPÖ habe ein Modell vorgeschlagen, das nicht nur die Interessen
der Trägerorganisationen und der öffentlichen Kassen, sondern auch die Interessen der Zivildiener berücksichtige,
bekräftigte er. Auch wenn der Zivildienst nur ein wenig länger dauere als der Wehrdienst, sei das bereits,
so Krainer, "Gewissenserpressung".
Krainer zufolge ist aber nicht nur die Frage der Zivildienstdauer ungeklärt. Unter anderem gab er zu bedenken,
dass Zivildiener, die in Wohngemeinschaften lebten, nach wie vor keinen Anspruch auf Wohnungskostenersatz hätten,
auch die Frage des Verpflegungsgeldes sei weiter offen. Krainer hält es für unzumutbar, dass Zivildienern,
die darauf aufmerksam machten, dass sie mit dem Verpflegungsgeld nicht das Auslangen finden, empfohlen werde, Margarine
statt Butter zu verwenden und Kräutertee statt Kaffee zu trinken. Ausdrücklich wandte sich Krainer zudem
gegen die Öffnung des freiwilligen sozialen Dienstes für Frauen.
Innenministerin Liese Prokop bekräftigte ihren Standpunkt, dass die Ergebnisse der Zivildienstreformkommission
in den Gesetzentwurf eingeflossen seien. So werde der freiwillige soziale Dienst für Frauen im Bericht der
Kommission als wichtige Option genannt.
Dass ein Großteil der Mitarbeiter der bisherigen Zivildienstverwaltung in die neue Zivildienstserviceagentur
übernommen werden soll, begründete Prokop damit, dass die Leute hervorragende Arbeit geleistet hätten.
Hinsichtlich des Verpflegungsgeldes sprach sie sich wie Wöginger dafür aus, abzuwarten, welche Höhe
der Verfassungsgerichtshof als angemessen qualifiziere.
Ein Vertreter des Innenministeriums bekräftigte darüber hinaus, dass es bei der Öffnung des freiwilligen
sozialen Dienstes für alle EWR-BürgerInnen nicht um billige Arbeitskräfte gehe. Aus europarechtlichen
Gründen sei eine Einschränkung auf Österreicherinnen, aber auch ein Ausschluss von Frauen nicht
möglich.
Der Gesetzentwurf der Regierung sieht vor, die Dauer des Zivildienstes - in Anlehnung an die Wehrdienstverkürzung
- ab 2006 von 12 Monaten auf neun Monate zu reduzieren. Gleichzeitig sind Maßnahmen geplant, um die Attraktivität
des Zivildienstes und die Freiwilligenarbeit generell zu erhöhen. So wird die monatliche Pauschalvergütung
für die Zivildienstleistenden auf 255,93 Euro angehoben und damit eine Gleichstellung von Zivildienern mit
Grundwehrdienern erwirkt.
Entschließt sich ein Zivildiener seine Tätigkeit über den Zeitraum von neun Monaten hinaus zu verlängern,
soll ihm gemäß Gesetzentwurf vom Bund drei Monate lang eine Freiwilligenförderung in der Höhe
von 500 Euro monatlich gewährt werden, zudem soll er in diesen drei Monaten weiter Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe
beziehen. Der Rechtsträger soll verpflichtet werden, eine Kompetenzbilanz (Zeugnis über die soziale Kompetenz
des Zivildienstleistenden) und einen anerkennungsfähigen Praxisnachweis (Zeugnis über die Verwendung
des Zivildienstpflichtigen) auszustellen. Dieser Praxisnachweis könne für weitere Ausbildungen und Tätigkeiten
im Berufsfeld des Betreffenden angerechnet werden, heißt es in den Erläuterungen.
Neu vorgeschlagen wird die Möglichkeit sowohl für ÖsterreicherInnen als auch für andere EWR-BürgerInnen
und für Drittstaatsangehörige, freiwilligen sozialen Dienst in Österreich zu leisten. Der Zugang
soll dabei auf absoluter Freiwilligkeit beruhen, ein Austritt aus dem freiwilligen Sozialdienst könnte jederzeit
schriftlich ohne Angabe von Gründen erklärt werden. Grundsätzlich sind für den freiwilligen
sozialen Dienst jedoch die gleichen Regelungen wie für den Zivildienst vorgesehen. Zuweisungen sollen nur
bei konkretem Bedarf erfolgen, Zivildiener hätten Vorrang.
In den Erläuterungen wird überdies klargestellt, dass es für die Ausübung des freiwilligen
Dienstes einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bedürfe.
Zur organisatorischen Abwicklung des Zivildienstes und des freiwilligen Sozialdienstes schlägt die Regierung
vor, eine Zivildienstserviceagentur als nachgeordnete Behörde des Innenministeriums in Wien einzurichten.
Beschwerdemöglichkeiten für Zivildiener sollen durch Schlichtungsstellen in den Ländern und eine
Neugestaltung des Zivildienstbeschwerderates erleichtert werden.
Parallel zur Verkürzung der Zivildienstdauer ist auch geplant, die Mindestdauer des als Zivildienst anrechenbaren
Auslandsdienstes herabzusetzen, und zwar von vierzehn auf zwölf Monate. |