Bildungskonferenz der SPÖ im Parlament  

erstellt am
21. 06. 05

 Gusenbauer: "Nutzen wir die neue Reformfreiheit"
"Startklar für eine neue Schule" - Gusenbauer ortet weitgehenden Bildungskonsens, dem sich nur die ÖVP nicht anschließt
Wien (sk) - "Wir haben gemeinsam ein Jahr lang für die Beseitigung der 2/3-Hürde gekämpft", sagte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer am Montag (20. 06.) bei der Bildungskonferenz der SPÖ im Parlament. Jetzt, nach dem Fall der Notwendigkeit der 2/3-Mehrheit bei den Schulgesetzen, "ist jede Ausrede weggefallen und der Weg für sinnvolle Schulreformen frei". Gusenbauer präsentierte im weiteren den Dreistufenplan seiner Partei, mit sofort wirksamen Reformen für das kommende Schuljahr, mittelfristigen Reformen bis 2010 und langfristigen Plänen für die Zeit ab 2010. Im Zentrum stehen mehr individuelle Förderung für die Kinder, mehr innere Differenzierung im Unterricht, ein massiver Ausbau echter Ganztagsschulen, die Reform der Lehrerausbildung und die Hinwendung zu einer gemeinsamen Schule der Sechs- bis 15-Jährigen.

"Wir sind startklar für eine neue Schule. Die SPÖ hat viele Ideen, die die Schule aus ihrem Tief nach PISA wieder befreien wird", sagte SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal, der die Konferenz moderierte. Er betonte: "Unsere Kinder verdienen die beste Schule der Welt." Die Bildungskonferenz wird von SPÖ, Parlamentsklub und Renner Institut veranstaltet. Neben SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer und Josef Broukal nehmen SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser, die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl, der Vorsitzende der Zukunftskommission Günther Haider sowie zahlreiche weitere ExpertInnen daran teil.

Besonders wichtig ist es dem SPÖ-Vorsitzenden auch, die Lehrer für die Schulreformen zu gewinnen: "Sie sind unsere wichtigsten Bündnispartner beim Bau einer neuen Schule." Mit Nachdruck forderte Gusenbauer "ein Ende des seit Jahren anhaltenden Lehrer-Bashings". Die SPÖ spricht sich für eine neue Form der Ausbildung für alle pädagogischen Berufe aus. Von den Kindergarten-Pädadogen über die Pflichtschullehrer bis hin zu den Lehrern an Gymnasien sollen alle eine universitäre Ausbildung machen. Modernste Formen der Didaktik sollen im Unterricht angewendet werden; dabei sollten sich die Schulen auch offen zeigen für Konzepte aus Alternativschulen, so Gusenbauer.

Der Dreistufenplan der SPÖ sieht für das kommende Schuljahr mehr individuelle Förderung und innere Differenzierung vor. Sprachliche Frühförderung soll es an den Vorschulen geben und weiters die Schaffung von Ganztagsschulplätzen, bauliche Adaptierung der Schulen für den Ganztagsbetrieb, Erstellen von Schulentwicklungs- und -qualitätsprogrammen, weitere Schulversuche für die Gemeinsame Schule der 6- bis 15-Jährigen, Einschränkung des Sitzenbleibens durch Kurssysteme in der AHS-Oberstufe, Qualitätsverbesserung in den Berufsschulen und Öffnung der Berufsschulen auch für jene Jugendlichen, die keinen Lehrvertrag haben.

Die zweite Stufe im SPÖ-Stufenplan sieht vor: Schaffung von zusätzlich 100.000 echten Ganztagsschulplätzen, Neuausrichtung der Lehrerausbildung für alle pädagogischen Berufe, verpflichtendes Vorschuljahr, Festlegung von Bildungsstandards und externe Überprüfung, Senkung der PISA-Risikogruppe von derzeit 20 auf 10 Prozent bis 2010. Und in der dritten Stufe, ab dem Jahr 2010, soll es ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen geben und verschiedene Modelle einer Gemeinsamen Schule der 6- bis 15-Jährigen entwickelt werden.

Kritik übte Gusenbauer an der ÖVP, der er vorhält, dass sie die neuen Möglichkeiten zu Schulreformen nicht nutzt. So sei das jüngst im Ministerrat beschlossene "Schulpaket" doch bestenfalls ein "Jausenpackerl". Das darin enthaltene Angebot für mehr Nachmittagsbetreuung ist nach Ansicht von Gusenbauer wenig weitgehend und bürokratisch. Es bietet eben nicht, wie von der SPÖ gefordert, den verschränkten Unterricht, sondern sei reine Nachmittagsbetreuung; die finanziellen Lasten würden im Wesentlichen auf die Gemeinden abgewälzt. Außerdem kritisierte Gusenbauer, dass damit nicht neue Lehrer am Nachmittag beschäftigt werden dürfen, da nur Lehrer mit einer Lehrverpflichtung am Vormittag eingesetzt werden dürfen.

Die SPÖ werde jedenfalls alle ihre parlamentarischen Möglichkeiten nutzen, um das mangelhafte Paket der Regierung zu verbessern, kündigte Gusenbauer an. Er sieht die Vorlage der Regierung aber auch als Beleg dafür, dass die ÖVP "an echten Reformen nicht interessiert ist". Wenn es in dem Tempo weitergehe, würden die Empfehlungen der Zukunftskommission frühestens in 50 Jahren umgesetzt sein, so Gusenbauer. "Die ÖVP kann mit der gewonnenen Freiheit nichts anfangen", es brauche offenbar eine SPÖ-geführte Regierung, die bereit ist, die Chancen für die Bildungsreform auch zu nutzen, betonte Gusenbauer.

Generell ortet Gusenbauer einen weitgehenden Bildungskonsens - dem sich nur die ÖVP nicht anschließt. So sind zuletzt in Oberösterreich die Sozialpartner in ihrem Bildungsdialog zu folgenden Ergebnissen gekommen: verpflichtende Frühförderung ab dem 5. Lebensjahr, mehr Individualförderung, Rechtsanspruch auf ein ganztägiges Schulangebot, mehr Eigenverantwortung für die Schulen sowie eine zeitgemäße Ausbildung der LehrerInnen. Der SPÖ-Vorsitzende verweist auch auf den Erfinder und internationalen Koordinator von PISA, Andreas Schleicher, mit dem er vor kurzem zu einer Diskussion zusammengekommen war. Schleicher ziehe die gleichen Schlüsse aus den PISA-Ergebnissen wie die SPÖ, betonte Gusenbauer.

Bei zehn konkreten Maßnahmen sieht Gusenbauer eine klare Übereinstimmung mit dem PISA-Erfinder:

  1. Österreich darf sich nicht am Mittelmaß messen, sondern muss Ehrgeiz zeigen und mit der Spitze mithalten.
  2. Die Entscheidung für ein schlechtes Bildungssystem ist zugleich die Entscheidung für den materiellen Abstieg.
  3. Reformen müssen sofort angegangen werden. Wir dürfen keine Zeit verlieren.
  4. Orientieren wir uns bei den Reformen an den erfolgreichen PISA-Ländern. Wir müssen nicht alles neu erfinden. Länder wie Finnland zeigen uns vor, wie es gehen kann.
  5. Österreich muss von seinem stark selektierenden Schulsystem wegkommen. Weniger Chancen und soziale Armut werden vererbt und durch das österreichische Schulsystem verstärkt. Statistisch gesehen geht ein Mädchen aus der Stadt, dessen Eltern Akademiker sind, mit einer Wahrscheinlichkeit von 86 Prozent auf ein Gymnasium. Ein Bub, der auf dem Land lebt und dessen Eltern einen Pflichtschulabschluss haben, besucht nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 7 Prozent das Gymnasium. (Quelle: Institut für Familienforschung)
  6. Schule braucht mehr Freiraum. Finnland etwa hat sehr wenige detaillierte Vorgaben, aber dafür klare Vorstellungen, was die Kinder am Ende der Schule wissen müssen.
  7. Wir brauchen strategische Bildungsziele. Dabei dürfen wir auch eine Überprüfung nicht scheuen; Kontrollängste sind abzulegen.
  8. Verstärkung der individuellen Förderung. Für einen konstruktiven Umgang mit dem Verschiedenen.
  9. Investitionen in die Bildung sind eine strategische Finanzierung. Gesellschaft und Wirtschaft zahlen einen sehr hohen Preis für mangelnde Bildung.
  10. Das beste Schulsystem ist nicht notwendigerweise auch das teuerste. Wie wir sehen, ist es auch möglich, ein unzureichendes Schulsystem zu hohen Kosten zu haben.

Gusenbauer abschließend: "Nutzen wir die neue Reformfreiheit nach dem Fall der Zweidrittel-Hürde. Das Bild einer neuen Schule wird immer präziser. Wir wollen möglichst rasch dahin kommen, dieses Bild auch zu verwirklichen."


 

 Amon: Gusenbauer soll Bildungspolitik den Bildungspolitikern überlassen
Wien hat höchsten Anteil an Nachhilfestunden
Wien (övp-pk) - Die heutige Bildungskonferenz der SPÖ habe deutlich bloßgestellt, was vom SPÖ-Vorsitzenden in Sachen Bildungspolitik zu erwarten sei: "Außer Polemiken nichts gewesen", konstatierte ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon am Montag (20. 06.). Die Worte Alfred Gusenbauers hätten klargemacht, dass die SPÖ "bildungspolitisch völlig abgedankt hat", was für eine vormals staatstragende Partei mehr als enttäuschend sei. "Es wäre gut, wenn der SPÖ-Vorsitzende die Bildungspolitik den Bildungspolitikern überlassen würde, anstatt die eigentlich gute Gesprächsbasis durch unqualifizierte Wortmeldungen zu vergiften", so Amon.

Während Gusenbauer noch von 100.000 Ganztagsschulplätzen bis 2010 träume, würde unter Bildungsministerin Elisabeth Gehrer bereits im nächsten Schuljahr die Zahl von 60.000 Tagesbetreuungsplätzen erreicht. "Wir schaffen flächendeckend flexible Angebote und haben darüber hinaus die erforderlichen Finanzmittel bereits sichergestellt", betonte der ÖVP- Bildungssprecher. Die SPÖ verharre hingegen weiterhin in einer "Fundamentalopposition, die sie nicht nur als nicht regierungsfähig, sondern auch als nicht oppositionsfähig entlarvt".

Zu behaupten, dass die Neuordnung des Förderunterrichts, wie sie gerade passiere, auf die in Österreich zu hohen Nachhilfekosten keinen Einfluss haben werde, beweise die blanke Unkenntnis des SPÖ- Vorsitzenden in Bildungsfragen. "Gusenbauer sollte sich vielleicht lieber einmal die Frage stellen, warum der Anteil an Nachhilfestunden gerade in Wien am höchsten von allen Bundesländern ist", so Amon. Der SPÖ-Vorsitzende möge so ehrlich sein, und sich damit befassen, ob diese Tatsache nicht vielleicht mit der verfehlten Bildungspolitik der SPÖ in der Bundeshauptstadt zu tun habe, "wo mit aller Gewalt Hauptschulen zerschlagen werden und in den AHS-Unterstufen das ideologische Modell der undifferenzierten Gesamtschule verwirklicht wird, die überall auf der Welt bereits als falsches Modell erkannt wurde", sagte der ÖVP-Bildungssprecher.

Wenn das die Bildungspolitik sei, die die SPÖ wolle, "tun die Österreicherinnen und Österreicher gut daran, nicht - wie es derzeit in Deutschland geschieht - darauf zu warten, bis man die Sozialdemokraten abwählen kann, sondern sie erst gar nicht zu wählen", schloss Amon.

 

 Rossmann erwartet von SP neue Reformvorschläge für Bildungspolitik
Entpolitisierung der Schulverwaltung ist notwendig
Wien (fpd) - BZÖ-Bildungssprecherin Mares Rossmann erwartet sich von der SP-Bildungs- konferenz neue und konstruktive Vorschläge für Reformen in der Bildungspolitik und vor allem den Willen zur Umsetzung. "Gerade bei der Entpolitisierung und der Straffung der Schulverwaltung kann die SPÖ zeigen, dass sie zu echten Reformen bereit ist," so Rossmann am Montag (20. 06.).

Einer Einführung der 5-Tage-Woche der 6- bis 14-Jährigen Schülerinnen und Schüler, einer Ausweitung der Nachmittagsbetreuung an Pflichtschulen oder einer geregelten Tagesbetreuung durch das Schulpaket I müssen in den nächsten Monaten darüber hinaus noch weitere Schritte folgen, um die Schulreform voranzutreiben, so Rossmann. Priorität in der Bildungspolitik habe für Rossmann die gemeinsame Schule der 6- bis 15jährigen mit innerer Differenzierung als auch eine flächendeckende Einführung der sprachlichen Frühförderung. "Die im Herbst anlaufende Pilotphase kann nur der erste Schritt für eine Ausweitung der sprachlichen Frühförderung sein," sagt die BZÖ Bildungssprecherin. Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen müssen am Ende der Volksschule beherrscht werden, so Rossmann abschließend.
     

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

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