Verbesserung der Luftqualität beschleunigt die Klimaveränderung  

erstellt am
30. 06. 05

Mainz (idw) - Das Weltklima könnte sich schneller und heftiger erwärmen als bisher angenommen - dies ergeben gerade in der wissenschaftlichen Zeitschrift "Nature" veröffentlichte Forschungen. Eine Verringerung der Aerosolteilchen in der Luft, einhergehend mit einer Verbesserung der Luftqualität, wird Klimaveränderungen deutlich verstärken, indem sie die Kühlwirkung der Aerosole herabsetzt und gleichzeitig die in der Atmosphäre verbleibende Menge an Kohlendioxid erhöht. Die Ungewissheit hinsichtlich der Größe des Kühleffekts in Vergangenheit und Gegenwart bedeutet jedoch auch, dass wir uns in Bezug auf die zukünftige Erwärmung nicht sicher sein können - diese könnte sehr wohl die bisherigen Schätzungen übersteigen (Nature, 30 Juni 2005).

Meinrat O. Andreae vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie, Chris Jones vom Met Office's Hadley Centre for Climate Prediction and Research und Peter Cox vom Centre for Ecology and Hydrology haben die Auswirkungen des Kühleffekts anthropogener Aerosole (feinste luftgetragene Staubteilchen) auf das gegenwärtige und zukünftige Klima sowie auf die Aufnahme von Kohlendioxid durch die Landbiosphäre untersucht. Solche Aerosole haben bisher die Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche erniedrigt und damit teilweise den Erwärmungseffekt von Treibhausgasen wie Kohlendioxid, die das globale Klima während des 20. Jahrhunderts erwärmten, ausgeglichen. Wegen ihrer schädlichen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt wird die Emission dieser Aerosolteilchen aber seit einiger Zeit scharf reduziert.

Diese Verringerung der Aerosolbelastung wird allerdings auch zu einer Erniedrigung ihrer Kühlwirkung und damit zu einer Beschleunigung der globalen Erwärmung führen. Dr. Jones vergleicht dies mit dem Fahren eines Autos, wenn gleichzeitig Gas gegeben und gebremst wird: "Nun nehmen wir den Fuß von der Bremse, aber wir wissen nicht, wie viel schneller wir uns dadurch bewegen werden. Da wir nicht genau wissen, wie stark die Kühlwirkung durch Aerosole bisher war, können wir auch nicht genau wissen, wie stark die Erwärmung durch Treibhausgase ausfallen wird."

Jegliche Erwärmung wird darüber hinaus durch Wechselwirkungen zwischen dem Klima und dem Kohlenstoffzyklus, d.h. der natürlichen Biosphäre der Erde verstärkt. Gegenwärtig absorbieren Ozean und Landökosysteme etwa die Hälfte unserer Kohlendioxid-Emissionen, aber als Auswirkung der Klimaveränderung wird sich dieser natürliche "Puffer-Service" verringern. "Höhere Temperaturen bedeuten, dass tote Materie schneller verrottet. Wenn nun die Erwärmung aufgrund der verringerten Kühlung durch Aerosole zukünftig stärker ausfällt als erwartet, wird weniger Kohlendioxid von der Landmasse aufgenommen, wodurch mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre verbleiben und damit zum Treibhauseffekt beitragen kann", erklärt Professor Cox.

Das deutsch-englische Forscherteam ist sich der bestehenden Unsicherheit, welche die Klimamodelle stets belastet, bewusst, doch sollte gerade dies zum Handeln auffordern, um die globalen Kohlendioxid-Emissionen zu beschränken. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die neuen Unsicherheiten hinsichtlich der Aerosoleinflüsse sich ausschließlich dahingehend auswirken, die geschätzte Obergrenze für die Klimaveränderungen im 21. Jahrhundert anzuheben, ohne dabei die Untergrenze zu beeinflussen. Professor Andreae drückt dies so aus: "Wir gehen von einem möglichen Temperaturanstieg von 6 Grad Celsius und mehr aus. Die Schlussfolgerungen für die politischen Handlungsträger sind selbst bei einer Temperaturerhöhung von 5 bis 6 Grad, vergleichbar mit dem Temperaturanstieg zwischen der letzten Eiszeit und heute, enorm. Betrachtet man die potenziell schwerwiegenden Konsequenzen für unsere Umwelt und Gesellschaft, so ergibt sich als einzig sinnvolle Vorgehensweise eine sofortige Verringerung der Treibhausgas-Emissionen, und zwar mit Zielsetzungen deutlich unterhalb denjenigen des Kyoto-Protokolls."

Diese Forschungen wurden finanziell unterstützt durch die Max-Planck-Gesellschaft, das UK Department for Environment, Food and Rural Affairs und das Natural Environment Research Council (NERC).
     
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