Von der Wiener GüterBim bis nach Asien - Die weiten Wege von TINA - Wien darf nicht umfahren
werden
Wien (rk) - Auch wenn es im ersten Moment noch etwas visionär klingen mag, ein durchgehender
Schienenweg "Von der Wiener GüterBim bis nach Asien" ist so gut wie Realität. Unter diesem
Titel bzw. dazu ergänzend "Die weiten Wege von TINA" stand der jüngste VOR-Dialog. Vom größten
österreichischen Verkehrsverbund regelmäßig veranstaltet, bildet er eine anerkannte Plattform für
den Erfahrungs- und Meinungsaustausch von Verkehrsexperten aus den Bereichen Stadt Wien, Wiener Linien, VOR, ÖBB,
Raab-Oedenburger Eisenbahn AG u.a. VOR-Geschäftsführer Direktor Manfred Novy dazu einleitend. "Das
Gebiet des VOR und damit der Kernbereich Wien bilden gleichsam die Plattform und die Drehscheibe für regionale
und überregionale Verkehrsbedürfnisse. Gerade bei den Planungen für die Letzteren ist in Hinblick
auf die erfolgte EU-Erweiterung nunmehr verstärkt über den Raum Wien - Prag - Bratislava - Budapest hinaus
zu denken, zu planen und zu handeln. Wir sehen dabei Wien nicht nur aufgrund der geographischen Lage, sondern auch
wegen struktureller Voraussetzungen und daraus resultierender Vorhaben als zentralen Punkt an, der nicht umfahren
werden darf".
Wien ist auch der Sitz der TINA Vienna-Transport Strategies GmbH. Als Geschäftsführer fungiert, aus der
Wiener Magistratsdirektion kommend, SR Mag. Otto Schwetz, der auch verantwortlich europäische Verkehrsaufgaben,
wie etwa den "Korridor 7" der EU (Donau als Wasserstraße) wahrnimmt. TINA ist ein Kompetenzzentrum
für europäische Verkehrsinfrastrukturplanungen mit Mut zu neuen Ideen und Lösungen. Dazu etwa in
Wien: TINA hat sich in der City-Logistik engagiert, das Vorhaben "GüterBim -Güterbeförderung
im Stadtgebiet auf bestehender ÖPNV-Infrastruktur" - mit internationalen Anschlussmöglichkeiten
- ist angelaufen. Die Kenntnisse, die man aufgrund des Sitzes in der "Umweltmusterstadt" Wien und der
angestrebten Nachhaltigkeit der hiesigen Verkehrspolitik, gewonnen hat, werden international angeboten und genützt.
TINA leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Integration auf dem Sektor Verkehrsinfrastruktur in den mittel-
und osteuropäischen Ländern. Die Stellung Wiens als Knoten im Transeuropäischen Netz (TEN) ist ein
weiterer gewichtiger Aspekt dazu.
Vor welcher (globalen) Kulisse dabei agiert werden muss, sollen einige Zahlen veranschaulichen. Nach im TEN-Bereich
angestellten Überlegungen sollen (alle Zahlen im weiteren gerundet) 103.000 Kilometer Schienen, 101.000 Kilometer
Straßen und 5.600 Kilometer Wasserstraßen ausgebaut werden, deren Verknüpfung sollen 86 Terminals
dienen. Die dafür errechneten Gesamtkosten von 600 Milliarden Euro werden aber nicht finanzierbar sein, führt
Schwetz aus, für ein "abgespecktes" Programm werden 240 Milliarden Euro für den Zeitraum ab
2007 veranschlagt. Für die Planungen setzt TEN 700 Millionen Euro pro Jahr an. Interessant in diesem Zusammenhang
eine Bestandsaufnahme des Verhältnisses Straße:Schiene; lag es in der EU der 15 bei 85 zu 15, beträgt
es nunmehr in der EU der 25 bei 81 zu 19. Wesentlicher Ansatzpunkt ist die Schaffung von sogenannten Magistralen
für Europa, also geschwinde und hochleistungsfähige Verbindungen zwischen den Städten. Der "Korridor
IV" führt von Dresden über Nürnberg - Prag - Wien - Bratislava - Budapest - Constanza bis Saloniki.
Was die österreichischen Finanzaufwendungen für die Verkehrsinfrastruktur betrifft, so wurden in den
Jahren 1980 bis 1986 rund 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufgewendet, derzeit sind es nur etwas über
1 Prozent.
Um näher auf den VOR-Bereich bzw. den Wiener Raum einzugehen, hier sehen Novy und Schwetz gleichermaßen
nicht nur die generelle Verbesserung von Bahnverbindungen, sondern auch die noch bessere Anbindung des Wiener Flughafens,
und in weiterer Folge auch des Flughafens Bratislava. Als die drei wesentlichen Achsen werden genannt: Nord - Marchegg,
Süd - Bruck an der Leitha - Kittsee - Schleife Götzendorf sowie die "S 7"-Führung über
Wolfsthal. Als eine Art "Donauhanse" könnte die Zusammenarbeit der Städte an der Donau (EU-Korridor)
funktionieren, auch die Entwicklung des Donau- Oder-Elbe-Kanals betrachtet die TEN mit steigendem Interesse. Freilich
täte dem Transport auf dem Wasser eine Beschleunigung gut, hier gibt eine - übrigens österreichische
- Neuentwicklung, und zwar ein Schnellkatamaran für den Containertransport; ein Prototyp steht bereits in
Erprobung. Der intermodale Güterverkehr Bahn - Straße - Wasser könnte damit eine deutliche Verbesserung
erfahren.
Als Keimzelle für den Güterumschlag ist durchaus die eingangs angeführte GüterBim anzusehen,
an deren Entwicklung Wiener Linien, VOR, Wiener Lokalbahnen (Badner Bahn) gemeinsam gearbeitet haben. Sie wird
eine Erhöhung der Lebensqualität für die Menschen bringen, denn jede Vermeidung von LKW-Lieferfahrten
ist zu begrüßen. Ab kommenden August werden beispielsweise bei den Wiener Linien zwischen den Remisen
Floridsdorf, Rudolfsheim, Hernals und Favoriten solche Züge für Material- und Ersatzteillieferungen eingesetzt.
Es handelt sich dabei um umgebaute Garnituren. Verkehrsfachleute, wie beispielsweise Hans Heider (VOR) sehen allerdings
die Entwicklung eigener Niederflurgarnituren, die für Staplerbetrieb bzw. Palettenumschlag leicht zugänglich
sind, als zukunftsweisend. Distributionsstandorte wie beispielsweise die Güterverteilzentren von Lebensmittelketten,
wären ideale Anwendungsbereiche. Auch in anderen Städten wird mit einer Cargo- Tram experimentiert, etwa
in Zürich (Abfalltransport) oder Dresden (Zulieferung zum VW-Werk).
Dem transnationalen Projektmanagement und einer Vernetzung der Arbeit der Experten dient die Tätigkeit der
TER (Transeuropean Railways), Sitz des UNECE-TER-Projektbüros ist Budapest, an seiner Spitze steht der Österreicher
Dr. Helmut Meelich. Er sieht beim VOR-Dialog neben dem schon erwähnten Korridor 7 als Wasserstraße auch
die Herausbildung eines "Bahnkorridors" Wien - Marchegg - Bratislava - Budapest", basierend auf
einem Ausbau der Nordbahn. Was den Bahnausbau betrifft, abschließend ein Blick in die globale Verkehrswelt:
Die Transsibirische Eisenbahn hat nicht genug Kapazitäten, in den neun größten chinesischen Überseehäfen
betragen die Stauzeiten (Zeitspanne zwischen dem Einlangen von Gütern und dem Verladen aufs Schiff) zwischen
3 und 6 Monaten. China hat sich deshalb zum Bau einer Bahnlinie in Richtung Europa entschlossen, die über
Kasachstan zum Kaspischen Meer verlaufen wird . Sie wird mit einer Baugeschwindigkeit - bei einigermaßen
günstiger Geländeformation - von 80 Kilometern pro Monat (!) vorangetrieben. |