Ukraine will 2006 über eine Freihandelszone mit der EU verhandeln
Wien (pk) - Im Rahmen seiner eineinhalbtägigen Österreichvisite stattete der ukrainische
Staatspräsident Viktor Juschtschenko, der sich auf Einladung des Bundespräsidenten Heinz Fischer in Wien
aufhält, am Dienstag (12. 07.) dem Hohen Haus einen Besuch ab. Nationalratspräsident Andreas Khol
empfing den Gast aus der Ukraine zu einem Arbeitsgespräch, an dem auch die Abgeordneten Johann Ledolter (V),
Peter Schieder und Kurt Gaßner (beide S), Herbert Scheibner (F) sowie Ulrike Lunacek (G) teilnahmen. Im Mittelpunkt
der Unterredung standen die wirtschaftlichen und sozialen Reformen in der Ukraine, die Beziehungen zur Europäischen
Union sowie die Unterstützung Österreichs in den Bereichen Justiz und Inneres. Bezüglich der bilateralen
Fragen versprach Nationalratspräsident Khol volle Unterstützung von Seiten Österreichs; man sei
an einer guten Zusammenarbeit sehr interessiert.
Das Hauptanliegen seines Besuches sei es, im Ausland zu einem tieferen Verständnis für die aktuelle Situation
in seinem Heimatland beizutragen, meinte der ukrainische Staatspräsident. Juschtschenko, der von den Ministern
für Äußeres, für Verkehr und Energie begleitet wurde, berichtete über die zahlreichen
wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen, die im ersten Halbjahr durchgeführt wurden. So sei es
etwa gelungen, die Gehälter der Lehrer und Ärzte um über 50 % zu erhöhen und die Förderungen
für die Mütter und Kinder auszubauen. Auch mit den makroökonomischen Daten könne man zufrieden
sein, betonte Juschtschenko, der seit dem 26. Dezember des Vorjahres das Amt des Staatspräsidenten inne hat.
Große Anstrengungen werden hinsichtlich der Bekämpfung der Korruption, der Modernisierung des Staatsapparats
sowie der Vereinfachung der Zulassungs- und Genehmigungsverfahren unternommen. Auch wenn es einige Rückschläge
gab, so könne man im Vergleich zu der Situation vor acht Monaten insgesamt von einer Harmonisierung der Gesellschaft
sprechen.
Ebenso wie im Gespräch mit dem Bundespräsidenten bat Juschtschenko um die Hilfe Österreichs in den
Bereichen Justiz und Inneres. Im konkreten gehe es dabei um Unterstützung bei Einführung des elektronischen
Grundbuchs sowie um einen Erfahrungsaustausch in Fragen der organisierten Kriminalität, der Korruption, der
Geldwäsche sowie der illegalen Migration. Interessant wäre für die Ukraine auch eine Zusammenarbeit
zwischen den jeweiligen Innenministerien hinsichtlich der Errichtung effizienter Grenzschutzanlagen.
Was die internationale Ebene angeht, so sei die Erlangung des Marktwirtschaftsstatus im Hinblick auf eine Mitgliedschaft
bei der WTO von vorrangiger Bedeutung für sein Land. "Wir können uns auch sehr gut vorstellen, dass
2006 die Verhandlungen über eine Freihandelszone mit der EU aufgenommen werden", erklärte Juschtschenko.
Die Ukraine arbeite auch intensiv an der Umsetzung des Aktionsplans sowie des 10-Punkte-Programms von Solana und
Ferrero-Waldner, wobei bereits 40 % realisiert werden konnten, führte Außenminister Boris Tarasjuk in
Beantwortung einer Frage des Abgeordneten Schieder aus. Man stehe all diesen Aktivitäten positiv gegenüber,
wobei als Endziel ein EU-Beitritt der Ukraine stehen soll. Was die Beziehungen zu Russland und den GUS-Staaten
angeht, so setze man sich voll für eine Normalisierung der Kontakte ein. Man sehe dies als eine Politik der
kleinen und effizienten Schritte, die für beide Seiten Vorteile bringt. Ein neuer Plan wurde auch hinsichtlich
der Lösung des Konflikts mit Transnistrien vorgelegt, informierte Juschtschenko.
Im Anschluss an das Gespräch stand eine Unterredung mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel auf dem Programm.
Am Vormittag traf Juschtschenko bereits mit Bundespräsident Heinz Fischer zusammen. Morgen wird der ukrainische
Präsident nach einem Arbeitsfrühstück mit Vertretern der österreichischen Wirtschaft wieder
nach Kiew zurückreisen. |