Wien (bmaa) - Außenministerin Dr. Ursula Plassnik bezog sich am Donnerstag (21. 07.) am Beginn
ihrer Rede vor dem Ständigen Rat der OSZE auf ein Zitat von Bruno Kreisky, der am 1. August 1975 anlässlich
der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki meinte: "So umfangreich, so großartig dieses Werk auch
ist, es wird alles darauf ankommen, wie viel Wirklichkeit wir all dem zu verleihen vermögen".
"Dieses Zitat Bruno Kreiskys, der damals für Österreich die Schlussakte von Helsinki unterzeichnet
hat, war und bleibt der wahre Anspruch der OSZE", sagte Plassnik. "In seiner Gesamtheit ist der Helsinki-Prozess
zweifellos eine der bemerkenswertesten politischen und diplomatischen Erfolgsgeschichten der 2. Hälfte des
letzten Jahrhunderts. Aber die Arbeit ist noch keineswegs zu Ende. Wir haben weder Grund zur Selbstzufriedenheit,
noch zu übertriebenem Selbstzweifel", sagte die Außenministerin.
"In einem freien und wiedervereinigten Europa leben zu dürfen, ohne Mauer und ohne Eisernen Vorhang,
ist für mich und meine Landsleute alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Für mich persönlich
ergibt sich daraus auch die Verantwortung, täglich an der Weiterführung des europäischen Friedenswerkes
zu arbeiten - unter anderem durch die konkrete Mitwirkung an der Förderung von Frieden, Stabilität und
Versöhnung auf dem Balkan. Daher wird diese Arbeit auch einen Schwerpunkt der österreichischen EU-Präsidentschaft
bilden", so die Außenministerin.
Plassnik betonte, dass bei allen Debatten rund um die Frage, wem die OSZE in Wirklichkeit nütze, handfeste
und praktische Politik für die Menschen gemacht wurde. "So haben wir uns etwa im "dritten Korb"
in den 80er Jahren - mühevoll, aber doch - über Angelegenheiten wie Familienzusammenführungen, Arbeitsbedingungen
für Journalisten und die maximale Bearbeitungsdauer von Ausreiseanträgen verständigt", sagte
die Außenministerin.
Die Bedeutung der OSZE liege auch in einer einzigartigen Kombination von komparativen Vorteilen, so Plassnik. Als
Beispiele nannte die Außenministerin den klaren, gemeinsamen Wertekatalog; den umfassenden Sicherheitsbegriff;
Plassnik bezeichnete die OSZE als einzigartige Plattform für einen gleichberechtigten Dialog Europäischer
Staaten mit den USA, Kanada und Russland. Weiters betonte Plassnik, die OSZE spiele eine wichtige Rolle bei der
Bewältigung so schwieriger Konflikte wie Transnistrien oder Berg Karabach. Die OSZE Wahlbeobachtung sei weltweit
anerkannt. Fachwissen, Erfahrung und Professionalität im Bereich des Aufbaus und der Stärkung demokratischer
und rechtsstaatlicher Strukturen würden eine besonders wertvolle Rolle spielen, so die Außenministerin.
Unter Bezugnahme auf die Terroranschläge der letzten Wochen sagte Plassnik: "Die Gewissheit, frei von
Angst leben zu können, ist für unsere Bürgerinnen und Bürger ein zentrales Element ihrer Lebensqualität
und die Grundlage für ein Leben in Würde und Freiheit. Jede Gesellschaft und jeder Staat, wie auch jede
regionale und globale Organisation müssen hiezu beitragen".
Plassnik unterstrich, dass das Potential der OSZE im Sicherheitsbereich noch längst nicht voll ausgeschöpft
sei. "Dabei geht es natürlich einerseits weiterhin um Rüstungskontrolle und Abrüstungsmanagement,
speziell um Programme zur Vernichtung von Munitionsbeständen in einigen Teilnehmerstaaten oder um den Abbau
von Klein- und Leichtwaffen", sagte Plassnik.
Plassnik verweist darauf, dass sich die OSZE weiteren Fragestellung öffnet und nannte als Beispiele die Terrorismusbekämpfung,
wobei es gleichzeitig um die Wahrung des rechtsstaatlichen Besitzstandes und des Menschenrechtsschutzes gehe; weiters
unterstrich die Außenministerin die Bedeutung der OSZE auch im Bereich des Aufbaus von Rechtsstaatlichkeit.
"Ohne Rechtsstaatlichkeit gibt es keine Entfaltung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung, keine
gesellschaftliche Stabilität, keine verlässliche Zukunftsperspektive für die Menschen eines Landes",
sagte Plassnik.
Plassnik sagte weiters, dass Österreich viele Empfehlungen des vom derzeitigen OSZE Vorsitzenden Dimitrij
Rupel einberufenen Weisenrates unterstützen würde und nannte konkret: die Stärkung der Rolle des
Generalsekretärs, der Stärkung der Feldmissionen, die Frage der Verleihung der Rechtspersönlichkeit
an die OSZE, die fortgesetzte Vermittlerrolle in den ungelösten Konflikten im OSZE-Raum, den Ausbau der Kapazitäten
der OSZE für ziviles Krisenmanagement. Auch die Autonomie der einzelnen OSZE - Institutionen hätte für
Österreich große Bedeutung.
"Eine schlagkräftige OSZE muss aber auch - wie wir alle - fit, geschmeidig und beweglich bleiben, ohne
Verkrustungen und Pölsterchen. Wir müssen auch wachsam sein gegenüber der Verlockung, uns hinter
Bürokratie und Überregulierung zu verstecken. Wir brauchen im 21. Jahrhundert keine Korsette mehr!",
sagte Plassnik.
Die Außenministerin betonte, die Arbeit der OSZE müsse der Bevölkerung nutzen. "Mehr als ein
Milliarde Menschen in der OSZE-Region haben ein Recht auf Freiheit und Sicherheit, auf Demokratie und Menschenrechte,
auf wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Ihnen sind wir verantwortlich - ihnen gehört der Nutzen der OSZE.
Für sie gilt es, die Helsinki-Schlussakte und die seither gemeinsam eingegangenen Verpflichtungen in die Tat
umzusetzen", sagte die Außenministerin und beendete ihre Rede mit einem Zitat der Friedensnobelpreisträgern
Aung San Suu Kyi "Die einzige richtige Freiheit ist das Freisein von Angst." |