EUYOUPART - Jugend, Politik und die Zukunft der europäischen Demokratie  

erstellt am
22. 07. 05

Ergebnisse eines zweijährigen Forschungsprojekts in Brüssel präsentiert
Wien/Brüssel (sora) - EUYOUPART (2003-2005) ist ein aus den Mitteln des 5. Rahmen- programms der EU-Kommission gefördertes länderübergreifendes Projekt. Ziel dieses Projekts war die Entwicklung eines neuen Messinstruments für das politische Partizipationsverhalten Jugendlicher in Europa. Das Projekt wurde von einem ForscherInnen-Team aus acht Mitglieds- ländern (Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Österreich, Slowakei und Großbritannien) unter der organisatorischen und wissenschaftlichen Leitung des österreichischen Institute for Social Research and Analysis (SORA) umgesetzt. Das erarbeitete Messinstrument sowie die mit ihm gewonnenen Ergebnisse wurden am 14. Juli 2005 auf dem EUYOUPART- Symposium "Why Participate? Youth, Politics and the Future of European Democracy" im Centre Borschette in Brüssel präsentiert und stieß bei den Vertretern der EU-Kommission Theodius Lennon (GD Forschung, Direktor der Abteilung K: Geistes- und Kulturwissenschaften/ Zukunftsforschung), Pierre Mairesse (GD Bildung und Kultur, Leiter der Abteilung D Jugend, Sport und Beziehung mit den Bürgern), und Michael Buckup (Eurobarometer) sowie bei der Europaparlamentsabgeordneten Maria Berger auf großes Interesse.

Eckdaten zu Studie und Messinstrument
Im Rahmen dieser Studie wurden insgesamt 8030 Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren in den acht Teilnehmerländern in face-to-face Interviews befragt. 53% der Befragten befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung in Ausbildung, 34% gingen einer bezahlten Arbeit nach und 7% waren arbeitslos.

Die Herausforderung für die an der Studie beteiligten ForscherInnen bestand darin, eine Vergleichbarkeit der Daten trotz der unterschiedlichen politischen Kulturen, den unterschiedlichen Partizipationsmöglichkeiten, der unterschiedlichen Forschungstraditionen sowie der Übertragungsproblematik einzelner Konzepte in die verschiedenen Sprachen und Kulturen sicherzustellen.

Bei dem entwickelten Messinstrument handelt es sich um einen Modell-Fragenkatalog, der auf den Stärken und Schwächen der bisherigen empirischen Forschung auf dem Gebiet Jugend und Politik aufbaut. Es ist den ForscherInnen in großem Ausmaß gelungen, eine Vergleichbarkeit der Daten zur derzeitigen politischen Partizipation in den acht Teilnehmerländern zu erreichen. Für die komparative Forschung ist das ein bedeutender Erfolg. Anhand der vergleichbaren Indikatoren kann ein realistisches Bild der politischen Partizipation Jugendlicher in den acht Ländern der Studie gezeichnet werden, das als Basis für die Entwicklung einer europaweiten Jugendpolitik herangezogen werden kann.

Überblick: Die markantesten Studienergebnisse
Ein Großteil der europäischen Jugend zeigt kein Interesse an der Politik. Die vorliegende Studie gibt aber Anlass zu der Hoffnung, dass mit zunehmendem Alter auch das Politikinteresse der jungen EuropäerInnen steigt. Die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen hält die Wahlbeteiligung für die wirkungsvollste Form der politischen Partizipation, und ein vergleichsweise hoher Anteil nimmt ihr Wahlrecht auch in Anspruch. Allerdings haben die Jugendlichen nur ein geringes Vertrauen in politische Parteien, auch wenn sich viele einer bestimmten Partei nahe fühlen. Das höchste Vertrauen wird NGO's entgegengebracht, deren Einfluss und Bedeutung immer mehr zunimmt. Die Jugendlichen halten die Mitarbeit in NGO´s für wirkungsvoller als die Mitarbeit in politischen Parteien. Ihre Zukunft nehmen die Jugendlichen äußerst unterschiedlich wahr: Während in Estland der Optimismus vorherrscht und in den anderen an der Studie teilnehmenden Ländern die Zukunft großteils positiv bewertet wird, macht sich in Deutschland und Österreich Pessimismus breit: Die Angst vor Verlust von Arbeit und Sozialleistungen ist hier groß.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Jugendlichen das vorherrschende politische System zunehmend kritischer beurteilen, aber nach wie vor ihre partizipativen Möglichkeiten im Rahmen der repräsentativen Demokratie wahrnehmen. Als soziale und politische Ausdrucksform gewinnt der politische Protest unter den Jugendlichen an Bedeutung. Neue soziale Bewegungen und neue politische Organisationen werden interessiert wahrgenommen und gegenüber den traditionellen bevorzugt, die Partizipation in diesem Rahmen ist im Steigen begriffen.

Das Interesse an der Politik…
…variiert sehr stark! Deutschland verzeichnet mit 51% den höchsten Prozentsatz an politikinteressierten Jugendlichen, während Großbritannien (30%), Estland (29%) und die Slowakei (28%) die Schlusslichter bilden. Österreich liegt mit 42% im Mittelfeld. Die Studie zeigt deutlich, dass der Großteil der Jugendlichen an der Politik desinteressiert ist (insgesamt 37% Interessierte gegenüber 63% Desinteressierten).

Vertrauen in NGO's stärker als in politische Institutionen
NGO's wie Greenpeace und Amnesty International erfreuen sich in allen Ländern des größten Vertrauens unter den Jugendlichen. Auch den europäischen Institutionen (d.h. dem Europa-parlament und der Kommission) wird mehr Vertrauen entgegengebracht als den nationalen Institutionen. Am wenigsten Vertrauen genießen Politiker und Parteien auf nationaler Ebene. In allen Teilnehmerländern außer der Slowakei erhält jedoch das jeweilige nationale Parlament einen Vertrauensbonus.

Obwohl ihr Vertrauen in Parteien sehr allgemein gering ist, kann sich die Mehrheit der Jugendlichen mit einer Partei assoziieren, vor allem in Italien (71%) und Finnland (68%). Am wenigsten trifft dies auf die jungen BritInnen (23%) zu.

Politik ist ein sehr polarisierender Begriff. In allen Ländern gibt es eine sehr idealistische Sichtweise der Politik: Politik wird als Mittel zur internationalen Problemlösung (68%) und/oder zur sozialen Konfliktlösung (67%) verstanden. 42% glauben, dass die Politik dazu dient, eine bessere Welt zu schaffen. Auf der anderen Seite werden der Politik aber auch Begriffe wie "leere Versprechungen" (46%) und "Korruption" (35%) zugeordnet, und 30% verstehen sie als "Machtspiel alter Männer". Diese zynischen Ansichten sind aber weniger verbreitet als die vorher erwähnten idealistischen. Im Allgemeinen wird Politik als etwas Positives gesehen. Ihre konkrete Umsetzung birgt für die Jugendlichen aber Anlass zur Enttäuschung.

Zukunft wird unterschiedlich bewertet
Am optimistischsten sehen die jungen EstInnen ihre Zukunft: Über 80% erwarten entweder viel bessere oder bessere Bedingungen als ihre Elterngeneration. Auch in Finnland, Großbritannien und der Slowakei sind die Jugendlichen generell optimistisch eingestellt. Die französischen Jugendlichen haben zwar eine optimistische Haltung in Bezug auf Arbeit und Einkommen, befürchten aber einen Abbau ihres Sozialsystems. Die jungen ItalienerInnen weisen eine ähnlich polarisierte Haltung auf. Schlusslichter bilden hier die deutschen und österreichischen Jugendlichen: Sie haben eine sehr pessimistische Sicht ihrer Zukunft und erwarten im Allgemeinen eine schlechtere Situation als sie ihre Eltern jetzt vorfinden.

Einflüsse auf das Partizipationsverhalten
Es gibt drei Faktoren, die die politische Partizipation von Jugendlichen beeinflussen:
- Schule und Erziehung
- die Medien
- ihr persönliches Umfeld

Politisierung im schulischen Bereich
Nutzen die Jugendlichen die vorhandenen Strukturen zur politischen Beteiligung an den Schulen, so neigen sie auch dazu, außerhalb der Schule politisch aktiv zu sein. Je aktiver die Jugendlichen während ihrer Schulzeit waren, desto aktiver sind sie auch in ihrem späteren Leben. Eine Nutzung der vorhandenen Partizipationsmöglichkeiten fördert auch ihre spätere politische Partizipation: So ist jemand, der z.B. als Klassensprecher tätig war, auch in höherem Ausmaß bei der Mitarbeit in Wahlkämpfen anzutreffen.

Der Einfluss der Medien
Zwischen 11,3% (Großbritannien) und 38,4% (Italien) der Jugendlichen geben an, Politik täglich in den Massenmedien mitzuverfolgen. Bei den meisten geschieht das über das Medium Fernsehen. Allerdings weist hier jedes Teilnehmerland seine eigenen Besonderheiten auf: In Österreich und Deutschland spielt auch das Radio eine große Rolle, während in Finnland und Estland das Internet als politische Informationsquelle in vergleichsweise höherem Ausmaß etabliert ist. In Frankreich, Italien und der Slowakei wird von den Jugendlichen neben dem Fernsehen kaum ein anderes Medium zur politischen Meinungsbildung herangezogen, und in Großbritannien verwendet eine erstaunlich große Gruppe der Befragten überhaupt keines der Massenmedien, um sich politisch auf dem Laufenden zu halten. Ein interessanter Zusammenhang ist bei der Wahl des Mediums zu beobachten: die Jugendlichen, die sich aktiv-rezeptiver Medien (Printmedien, Internet) bedienen, sind in einem höheren Ausmaß politisch aktiv, während passiv-rezeptive Medien (Fernsehen und in mancher Hinsicht auch Radio) in Verbindung mit einem geringeren Partizipationsverhalten zu stehen scheinen.

Politisierung zuhause oder im Freundeskreis
Nur ungefähr 20% der Befragten geben an, stark politisierte Eltern zu haben, und für nur 16% trifft dies auch auf ihre Freunde zu. Trotzdem spielt der politische Familienhintergrund eine große Rolle. Je höher der Grad der elterlichen Politisierung, desto eher sind auch die Jugendlichen selbst politisiert. Ein ähnliches Verhältnis gibt es auch zwischen dem Grad der Politisierung im Freundeskreis und der eigenen Haltung. Die Sozialisierung durch ihre Eltern hat vor allem Einfluss auf die politische Haltung und die ideologische Orientierung der Jugendlichen, die Sozialisierung im Freundeskreis wirkt sich eher auf politisches Verhalten und die politische Partizipation aus.
     
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