Kurzdebatte bei der Sondersitzung
Wien (pk) - In der Sondersitzung des Nationalrats am Donnerstag (11. 08.) ging es – nach der
Behandlung des Dringlichen Antrags zur Lage auf dem Arbeitsmarktauch auch um die Situation an den Universitäten.
Die Beantwortung einer schriftlichen parlamentarischen Anfrage durch Bundesministerin Gehrer zur Entwicklung der
Studierendenzahlen an den Universitäten nahm G-Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK zum Anlass,
diese Frage nochmals anzusprechen. Seit dem Gerichtsurteil des EuGH haben viele in Österreich erwartet, dass
man dieses Urteil zum Anlass nehmen werde, um die Frage des Zugangs zu den Universitäten, der Ausstattung,
von Qualifikationskriterien beim Studium und eine Anpassung an internationale Standards zu behandeln. Im Wesentlichen
werde seitens der Ressortchefin eine Kopf-in-den-Sand-Politik betrieben, meinte die Abgeordnete; sie habe sich
auf den Standpunkt gestellt, das Urteil sei quasi ein Naturgesetz und Zugangsbeschränkungen sollten sich die
Rektoren unter einander ausmachen.
Das Vertrauen, das die Bevölkerung in Gehrer als Bildungsministerin setzte, habe dramatisch abgenommen, sie
weise minus 13 % im Vertrauensindex auf, weil man sich in dem Bereich von einer Ministerin mehr erwarte als dass
sie sagt: Das war’s halt und gehen wir zur Tagesordnung über. Die Grünen interessieren sich für
Bildungsdaten, die einem internationalen Vergleich standhalten. Die G-Forderung, die Zahl der Studienplätze
von 200.000 auf 300.000 auszuweiten, müsste längst umgesetzt sein, um den Aufholbedarf, den Österreich
im Universitätsbereich hat, zu schaffen. Und die Grünen erwarten sich aus der Sicht der Rednerin von
der Ressortleiterin, dass sie die Blockadepolitik im Bereich der Universitäten aufgebe und sich damit auseinandersetze,
wie man den österreichischen Studierenden einen internationalen Anschluss garantieren kann. Die Bilanz von
Gehrer im universitären Bereich sei nicht nur ernüchternd, sondern auch deprimierend.
Bundesministerin GEHRER entgegnete, man habe nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern habe sehr intensive
Verhandlungen geführt und sei sehr gut darauf vorbereitet gewesen, dass es das EuGH-Urteil in dieser Form
geben könnte; vorsorglich wurde auch das Universitätsgesetz 2002 ins Parlament gebracht und einen Tag
nach dem EuGH-Urteil konnten die notwendigen Maßnahmen beschlossen werden. Die Forderungen der Oppositionsverantwortlichen
wurden gemeinsam formuliert, aber es kam zu keinem gemeinsamen Beschluss, weil der S-Abgeordnete das nur mittragen
wollte, wenn die Grünen das unterstützen, und die Grünen wollten nur mitgehen, wenn auch die Grünen
Studenten dafür seien. Eigentlich habe man eine Absprungbasis gesucht, um sich der Verantwortung zu entziehen,
den Universitäten in den 8 Numerus clausus-Fächern die Möglichkeit eines Aufnahmeverfahrens oder
die Möglichkeit von Einstiegssemestern zu geben, so Gehrer. Die Regierung habe sich der Verantwortung nicht
entzogen und habe klare politische Ziele definiert.
Die Universitäten hätten ein gesichertes Budget - kein Geld sei ihnen gestrichen worden - und sie haben
zu diesem gesicherten Budget noch 144 Mill. Euro für Infrastrukturmaßnahmen bekommen. Über das
Budget 2007 werde derzeit mit dem Finanzminister diskutiert. Die Regierung werde dafür sorgen, versprach Gehrer,
dass die Universitäten ein ausreichendes Budget zur Verfügung haben und dass sie mit diesem Etat ein
gutes Angebot machen können.
Abgeordnete Dr. BRINEK (V) wertete die Bezeichnung "Notbetrieb" im Zusammenhang mit der aktuellen
Situation an den Universitäten als fahrlässigen Umgang mit der Sprache. Das sei so, als rufe man nach
der Feuerwehr, auch wenn es nicht brenne, meinte sie. Zudem machte Brinek darauf aufmerksam, dass 24 von 25 EU-Ländern
Zugangsbeschränkungen zu den Universitäten hätten, die Akademikerquote zumeist aber dennoch höher
als in Österreich sei. Eine erfreuliche Bilanz ist für sie, dass es im Jahr 2004 mit 32.120 um 10 % mehr
StudienanfängerInnen gegeben habe als in den zehn Jahren zuvor, auch die Gesamtzahl der Studierenden steige.
Abgeordneter BROUKAL (S) verwies auf die angespannte Situation an den Universitäten und erinnerte daran,
dass StudienwerberInnen auf Pappkartons kampieren hätten müssen, um einen Studienplatz auf der Medizinischen
Universität in Wien zu erhalten. Gleichzeitig gebe es in Graz 1.000 BewerberInnen für 100 Studienplätze.
In diesem Zusammenhang auf die Autonomie der Universitäten zu verweisen, erachtet er für nicht gerechtfertigt.
Darüber hinaus äußerte Broukal Bedauern darüber, dass eine von ihm für heute beantragte
Aussprache im Wissenschaftsausschuss des Nationalrats unter Beiziehung des Leiters der Rektorenkonferenz von der
ÖVP verhindert worden sei.
Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) gab zu bedenken, dass eine aktuelle Aussprache in einem Ausschuss an einem
Sondersitzungstag des Nationalrats unüblich sei. Die geforderte Aussprache werde in der nächsten Sitzung
des Wissenschaftsausschusses stattfinden, kündigte sie an. Als "keine verantwortungsvolle Politik"
wertete Bleckmann Forderungen der Opposition, mehr Studienplätze zur Verfügung zu stellen und damit alle
StudienwerberInnen aus Deutschland aufzunehmen. Die von der Regierung vorgeschlagenen Zugangsbeschränkungen
würden ohnehin nach zwei Jahren bewertet und evaluiert, erklärte sie. Die Akademikerquote zu erhöhen,
hat ihr zufolge nur dann einen Sinn, wenn auch Arbeitsplätze für die ausgebildeten Akademiker zur Verfügung
stehen.
Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) übte Kritik an der Hochschulpolitik der Regierung und sprach von "Konzeptlosigkeit"
und "Ratlosigkeit". Die Forderung der Grünen sei es gewesen, die Zahl der österreichischen
Studierenden in jenen Fächern, für die Zugangsbeschränkungen eingeführt worden seien, konstant
zu halten, skizzierte er, dieser Forderung sei Bildungsministerin Gehrer aber nicht nachgekommen. Die Hoffnung,
dass Gehrer ihre Politik ändere, habe er schon aufgegeben, sagte Zinggl, er warte auf einen Regierungswechsel.
Am Ende der Sitzung nahmen die Abgeordneten einstimmig einen Antrag an, den Bundespräsidenten zu ersuchen,
die außerordentliche Tagung des Nationalrats mit Ablauf des 11. August für beendet zu erklären. |