Die Sitten im Straßenverkehr werden spürbar härter - schuld sind aber natürlich
meistens die anderen
Wien (kfv) - Schimpfen, Drängeln, riskantes Überholen - kultiviertes Verhalten ist im Straßenverkehr
nicht jedermanns Sache. Die paneuropäische Studie SARTRE (Social Attitudes to Road Traffic Risk in Europe)
ging der Frage auf den Grund, wie Europas Autofahrer ihr eigenes Verhalten und jenes der anderen Verkehrsteilnehmer
einschätzen. Dazu wurden in 23 Ländern jeweils 1.000 Autofahrer interviewt. Fazit: Schuld sind meistens
die anderen. "Die Österreicher gehen mit sich selbst sehr gnädig um", bilanziert Dr. Othmar
Thann, Direktor des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV). "Wunsch und Wirklichkeit liegen aber vermutlich
etwas weiter auseinander."
Aggressiv sind die anderen
63 Prozent der befragten Österreicher gaben an, sich von anderen Autofahrern genervt zu fühlen.
Damit befinden wir uns scheinbar noch auf einer Insel der Seligen, denn absolute Spitzenreiter in Sachen Aggressivität
sind die Portugiesen: 91 Prozent bekommen bei der Begegnung mit anderen Fahrzeuglenkern Nervenflattern. Der Fehler
wird europaweit hauptsächlich beim Gegenüber gesucht, denn während nur jeder sechste österreichische
Autofahrer zugibt, sich in den letzten 12 Monaten nicht immer fair verhalten zu haben, will sich umgekehrt jeder
Zweite als Opfer von Aggressivität im Straßenverkehr erlebt haben. Um einiges selbstkritischer dürften
da die Schweizer sein, denn 28 Prozent gaben zu, in der letzten Zeit nicht immer besonders rücksichtsvoll
gefahren zu sein. Relativ friedlich scheint es in Schweden zuzugehen: Dort halten sich eigene und fremde Aggression
auf einem Niveau unter 20 Prozent die Waage.
Niemand fährt gefährlich
Die Österreicher stellen sich ein tolles Zeugnis aus, wenn es um die Beurteilung des eigenen Fahrverhaltens
geht. Nur rund jeder Dreißigste gestand bei der Befragung ein, etwas gefährlicher als andere Autofahrer
unterwegs zu sein, zwei Drittel hielten sich für etwas weniger gefährlich oder viel ungefährlicher.
Gerade in der österreichischen Hauptunfallgruppe der Autofahrer unter 25 Jahren stufte zumindest jeder Achte
seine Fahrweise als nicht gerade harmlos ein. Gleiches gilt für Autofahrer, die gerne schneller als die anderen
unterwegs sind: Jeder Fünfte bezeichnete seinen Fahrstil als etwas riskant. Erstaunlich - oder eher bedenklich
- hingegen das Ergebnis bei jenen Lenkern, die angaben, zumindest einmal pro Woche mit mehr als 0,5 Promille hinterm
Steuer zu sitzen: Gerade einmal fünf Prozent waren der Meinung, dass dieses Verhalten gefährlich sein
könnte.
No risk, no fun?
Erhebungen des KfV haben ergeben, dass alle acht Minuten ein Kfz-Lenker bei Rot über eine Kreuzung
fährt. Tatsächlich bekannte sich bei der Befragung im Rahmen von SARTRE auch über ein Drittel der
österreichischen Autofahrer dazu, oft bei Gelb in eine Kreuzung einzufahren. Allerdings sind die Österreicher
in diesem Punkt die Bravsten, denn in den Niederlanden scheint das Überfahren fast roter Ampeln gang und gäbe
zu sein: 70 Prozent gaben dort an, oft bis immer bei Gelb über die Kreuzung zu rasen. Dass sie meistens dicht
auffahren, gaben nur vier Prozent der österreichischen Lenker zu, obwohl Drängelei von den Österreichern
als eine der drei häufigsten Unfallursachen genannt wird. Den Hang zum kleinen Abstand gestanden vor allem
Schnellfahrer, Berufsfahrer, junge Führerscheinbesitzer und jene, die öfter tief ins Glas schauen. Europameister
unter den Dränglern sind die Griechen - 35 Prozent der hellenischen Autofahrer kleben meistens an der Stoßstange
des Vordermannes.
Beim Thema Schnellfahren preschen nach eigenen Angaben nur sechs Prozent der österreichischen Lenker flotter
als erlaubt durchs Ortsgebiet. "Einen größeren Widerspruch zur Wirklichkeit könnte es kaum
geben", betont Thann. "Bei unseren im ersten Halbjahr 2005 durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen
war nämlich jeder Zweite im Ortsgebiet wesentlich schneller als mit 50 km/h unterwegs, an die 30er-Beschränkung
hielt sich überhaupt nur jeder fünfte Autofahrer." |