Rund 20 Schulklassen verunglücken jedes Jahr auf dem Schulweg - Vor
allem zu Fuß leben Schüler gefährlich
Wien (kfv) - Jetzt geht es bald wieder rund vor Österreichs Schulen. Etwa 90.000 Taferlklassler
werden von ihren Eltern in die Selbständigkeit entlassen - auch im Straßenverkehr. "Verparkte Zebrastreifen,
zu schnelle Autofahrer, unübersichtliche Wege, Hektik und Lärm bedeuten für die Kinder eine Menge
Stress", gibt Dr. Othmar Thann, Direktor des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV), zu bedenken. "Wahrnehmung,
Motorik und Beurteilungsvermögen von Kindern sind nicht so weit entwickelt, um Gefahren im Straßenverkehr
richtig zu erkennen und dementsprechend zu handeln." Die Einschätzung von Entfernungen und Geschwindigkeiten
ist eine komplexe Leistung, die erst mit etwa 14 Jahren zuverlässig ausgebildet ist. Zusätzlich ist die
seitliche Wahrnehmungsfähigkeit von Kindern eingeschränkt: Ein Erstklassler sieht nur 70 Prozent dessen,
was ein Erwachsener wahrnimmt!
20 Schulklassen verunglücken pro Jahr am Schulweg
Dass der Schulweg seine Tücken hat, belegt auch die Unfallstatistik. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl
der Schulwegunfälle zwar kontinuierlich gesunken, noch immer verunglücken aber rund 20 Schulklassen pro
Jahr. 2004 wurden 465 Schüler im Alter zwischen sechs und 15 Jahren am Schulweg verletzt, fünf starben.
66 Prozent der verunglückten Kinder waren zu Fuß unterwegs. "Gerade also in dieser Verkehrsteilnehmergruppe,
die ein besonders umwelt- und mobilitätsfreundliches Verhalten zeigt, gibt es die meisten Schwerverletzten
und Toten", betont Thann. Besonders alarmierend ist, dass sich jeder dritte zu Fuß verunfallte Schüler
auf einem Schutzweg befand. "Kinder bekommen eingebläut, dass sie nur bei einem Zebrastreifen queren
sollen und dann halten die Kfz-Lenker erst recht nicht", streicht Thann hervor. Vor ungeregelten Schutzwegen
beträgt die Anhaltemoral laut Messungen des KfV lediglich 41 Prozent.
Rücksichtnahme und Toleranz gegenüber kleinen Verkehrsteilnehmern!
"Ausgereifte" Verkehrsteilnehmer dürfen nie darauf vertrauen, dass Kinder sich im Straßenverkehr
ausnahmslos richtig verhalten. Kinder haben einen ausgesprochenen Bewegungsdrang und noch kein ausreichend ausgebildetes
Gespür für Gefahren. Kleinere Kinder glauben oft, dass ein Auto so wie sie jederzeit stehen bleiben kann
und der Lenker sie sieht, weil sie ja auch das Auto sehen. Kinder verhalten sich spontan und impulsiv. "Umso
stärker reagieren sie auf Ablenkungen wie andere spielende Kinder oder ihre momentane emotionale Befindlichkeit.
Abgelenkt sein ist daher eine der häufigsten Ursachen von Kinderunfällen", erklärt Thann. Überall,
wo mit Kindern zu rechnen ist, heißt es also: Runter vom Gas, bremsbereit fahren - und das nicht nur zu Schulbeginn,
sondern das ganze Jahr über.
An alle Eltern: Trainieren und kontrollieren!
Zu Schulbeginn mit Erstklasslern gemeinsam den Schulweg zu üben und diese in den ersten Wochen in
die Schule zu begleiten ist für die meisten Eltern eine Selbstverständlichkeit. Doch meist überschätzen
Eltern die Fähigkeiten ihrer Kinder und erklären sie frühzeitig für "verkehrsreif".
Auch wenn ein Kind an einer bestimmten Kreuzung gelernt hat, immer am Zebrastreifen stehen zu bleiben und sich
vor der Querung abzusichern, heißt das nicht, dass es sich auch richtig verhält, wenn es alleine unterwegs
ist. Deshalb sollte man nicht nur am Schulanfang üben, sondern immer wieder während des Jahres das Erlernte
auffrischen. Damit Eltern sehen, ob sich Kinder am Schulweg an das Abgesprochene halten, sollten sie diese von
Zeit zu Zeit unbemerkt beobachten. Geht das Kind einen anderen Weg und nicht den von den Eltern festgelegten oder
quert es nicht an der vorgesehenen Stelle, können Eltern rechtzeitig eingreifen und Besprochenes und Geübtes
wiederholen.
Gemeinsam für einen sicheren Schulweg
"Alle Verantwortlichen - also Gesetzgeber, Behörden, Exekutive, Schulen, Kfz-Lenker und Eltern
- müssen mithelfen, den Straßenverkehr für die jüngsten Teilnehmer so sicher wie möglich
zu machen", appelliert Thann. Möglichkeiten gibt es viele: Besonders gefährliche Stellen müssen
straßenbaulich entschärft, Sichthindernisse beseitigt werden. Kinderfreundliche Querungshilfen wie Ampelregelungen
mit ausreichend langen Grünphasen gewährleisten eine weitgehend sichere Überquerung. "Die Einrichtung
von gut gestalteten Tempo-30-Zonen sowie die rigorose Überwachung von Tempolimits und Anhaltebereitschaft
der Kfz-Lenker mindern die Unfallrisken von Kindern deutlich", betont Thann. Um Gefahrenstellen am Schulweg
aufzuspüren, eignen sich besonders gut Schulwegpläne, die allen Eltern von Erstklasslern zur Verfügung
gestellt werden sollten. Schülerlotsen und Schulwegpolizisten helfen den Kleinen im direkten Schulumfeld über
die Straße. Weniger bekannt sind Initiativen wie Schulwegpartnerschaften, bei denen ältere Kinder nach
einer entsprechenden Einschulung jüngere am Schulweg begleiten und partnerschaftlich tätig sind. "Es
wäre dringend notwendig, dass sich vermehrt freiwillige Erwachsene finden, die sich die Sicherheit von Kindern
im Straßenverkehr zur Aufgabe machen", fordert Thann abschließend zur Eigeninitiative auf. |