Erklärungen des Rates und der Kommission - Freiheit und Sicherheit: Antworten auf die terroristische
Bedrohung unter Beibehaltung der Bürgerrechte
Straßburg (europarl) - Zu Beginn der Debatte über Freiheit und Sicherheit betonte der
britische Innenminister Charles CLARKE am Donnerstag (08. 09.), dass seine Regierung beabsichtige,
dem Thema Terrorismusbekämpfung in den kommenden Monaten Priorität einzuräumen. Nur gemeinsam könne
Europa erfolgreich sein bei der Bekämpfung des Terrorismus. Dabei müsse ein Gleichgewicht hergestellt
werden zwischen den Grundfreiheiten und größerer Sicherheit, zwischen den Rechten des Einzelnen und
dem kollektiven Recht auf Sicherheit. Als Beispiele für notwendige Maßnahmen nannte Clarke die Speicherung
von Kommunikationsdaten, ein Visuminformationssystem sowie den Austausch von Daten über Kriminelle. Europa
dürfe im Kampf gegen den Terror nicht versagen.
Für Kommissar Franco FRATTINI basiert eine Strategie gegen den Terror auf drei Säulen: a) Prävention,
b) Schutz und c) Reaktion. Europa müsse auf die Bedrohung eine politische Antwort geben und mit einer Vision
reagieren, nicht mit Notstandsgesetzen. Die internationale Zusammenarbeit, etwa mit den USA und den arabischen
Staaten, müsse verstärkt werden, und die internationalen Finanzströme, die den Terrorismus unterstützen
und fördern, müssten unterbunden werden. Die Kommission werde in den kommenden Monaten wichtige Maßnahmen
vorschlagen, beispielsweise zum Schutz besonders gefährdeter Infrastrukturen, zur Speicherung von Kommunikationsdaten
oder zur Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungsbehörden und Nachrichtendiensten.
Die Anschläge in London vom 7. Juli seien ein Angriff gewesen auf die westliche Zivilisation und auf unsere
gemeinsamen Ideale, hob Hans-Gert PÖTTERING (EVP-ED, DE) zu Beginn seiner Rede hervor. Europa dürfe
und werde deshalb in seinem Kampf gegen den Terror nicht nachlassen. Sicherheit können nur gemeinsam gewährleistet
werden. Zwar seien auf europäischer Ebene große Fortschritte in der Terrorbekämpfung gemacht und
viele wichtige Richtlinien verabschiedet worden. Allerdings sei deren Umsetzung und Anwendung in den Mitgliedstaaten
oftmals unzureichend. Pöttering hob hervor, dass der Kampf gegen den Terror in erster Linie eine geistig-moralische
Auseinandersetzung sei und nur gewonnen werden könne, wenn rechtsstaatliche Prinzipien gewahrt blieben. Auch
dürfe der Islam nicht mit Terror gleichgesetzt werden. Abschließend betonte Pöttering, dass Europa
mit allen, die Frieden wollten, den Dialog aufnehmen werden, dass es jedoch all jenen, die keinen Frieden wollten,
den Kampf ansage.
Martin SCHULZ (SPE, DE) kritisierte, dass in Europa seit zehn Jahren die gleichen Debatten geführt
würden. Die Bürger verlangten zu Recht, dass die EU Kriminalität und Menschenhandel bekämpfe
und für ihre Sicherheit sorge. Auch betonten Rat und Kommission immer wieder, dass mehr Kooperation nötig
sei. Offensichtlich seien sie jedoch nicht bereit, den Widerspruch zwischen der Forderung nach mehr Zusammenarbeit
einerseits und der tatsächlichen Übertragung von Kompetenzen auf EU-Ebene anderseits aufzulösen.
Die Zeit dränge allerdings. Europa beruhe auf gemeinsamen Idealen und Europas Bürger teilten ein gemeinsames
Wertesystem. Daher müsse Europa auch die Verteidigung dieser Werte übernehmen. Schulz unterstrich, dass
alle, die unsere Werte bedrohten, mit aller Härte der Sicherheitsorgane rechnen müssten. Entscheidend
sei, dass das Prinzip der Proportionalität gewahrt bleibe: Härte und Entschlossenheit bei gleichzeitiger
Wahrung der Bürgerrechte, der bürgerlichen Freiheiten und der Demokratie.
Johannes VOGGENHUBER (GRÜNE/EFA, AT) kritisierte, dass zwar immer wieder die Balance von Freiheit und
Sicherheit beschworen werde, diese jedoch schnell entgleise. Die Sprache des Terrors sei Hass, Verachtung der Würde
des Menschen und Gewalt. Dies könne nicht die Sprache Europas sein. Europa dürfe auf die terroristische
Bedrohung nicht mit Hass und Gewalt antworten. Nur wenn Europa seine Freiheit beachte, könne sie auch verteidigt
werden. Scharfe Kritik übte Voggenhuber an den unausgegorenen Vorschlägen und Berichten der britischen
Ratspräsidentschaft.
Seit dem 11. September habe der Terror eine neue Qualität, so Ewa KLAMT (EVP-ED, DE). Er sei nicht
mehr wie früher ideologisch motiviert, sondern ziele darauf ab, unser Leben und unsere Werte aus den Angeln
zu heben. Nötig seien stringente, aufeinander abgestimmte Maßnahmen der EU, die schnell in den Mitgliedstaaten
umgesetzt werden. Die Anschläge in London seien von Menschen verübt worden, die neben, aber nicht mit
uns gelebt hätten. Maßnahmen zur Integration seien notwendig, falsch verstandene Toleranz führe
jedoch zu Parallelgesellschaften. Wer in Europa lebe müsse unsere Werte und Vorstellungen von Freiheit und
Demokratie übernehmen.
Elmar BROK (EVP-ED, DE) hob hervor, dass bei dem grenzüberschreitenden Phänomen des Terrorismus
Elemente der äußeren und der inneren Sicherheit zusammen kämen und dass diese bei Gegenmaßnahmen
besser als bisher zusammen geführt werden müsse. Der Bürger dürfe nicht immer weiter drangsaliert
und in seiner Freiheit eingeschränkt werden. Brok übte scharfe Kritik an den Mitgliedstaaten, die nur
Erklärungen abgäben und nach jedem neuen Anschlag große Reden hielten, aber nichts umsetzten, was
auf europäischer Ebene beschlossen worden sei. Dieser Betrug am Bürger dürfe nicht weiter hingenommen
werden.
Mehr Europa und eine wirkliche gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik verlangte Othmar KARAS (EVP-ED,
AT). Europa brauche mehr Geld und mehr Kompetenz, um glaubwürdig und wirksam gegen den Terror vorgehen
zu können. Allerdings fehle es augenscheinlich an dem Willen einiger Mitgliedstaaten, den Worten auch Taten
folgen zu lassen. Europa brauche keine Lippenbekenntnisse oder Schuldzuweisungen, sondern Entschlossenheit und
den Willen zur Zusammenarbeit. Die Nationalisierung der EU sei der größte Freund der Terroristen, eine
starke EU hingegen ihr größter Feind.
Herbert REUL (EVP-ED, DE) forderte einen Nachweis der Notwendigkeit für jede einzelne Maßnahme,
die im Kampf gegen den Terror ergriffen wird. Mit Blick auf die Speicherung von Daten müsse die Verhältnismäßigkeit
gewahrt werden. Den Rat kritisierte er, da er das Parlament nicht angemessen bei der Frage der Vorratsdatenspeicherung
beteilige. |