Terroristische Bedrohung verlangt europäische Antwort  

erstellt am
08. 09. 05

Erklärungen des Rates und der Kommission - Freiheit und Sicherheit: Antworten auf die terroristische Bedrohung unter Beibehaltung der Bürgerrechte
Straßburg (europarl) - Zu Beginn der Debatte über Freiheit und Sicherheit betonte der britische Innenminister Charles CLARKE am Donnerstag (08. 09.), dass seine Regierung beabsichtige, dem Thema Terrorismusbekämpfung in den kommenden Monaten Priorität einzuräumen. Nur gemeinsam könne Europa erfolgreich sein bei der Bekämpfung des Terrorismus. Dabei müsse ein Gleichgewicht hergestellt werden zwischen den Grundfreiheiten und größerer Sicherheit, zwischen den Rechten des Einzelnen und dem kollektiven Recht auf Sicherheit. Als Beispiele für notwendige Maßnahmen nannte Clarke die Speicherung von Kommunikationsdaten, ein Visuminformationssystem sowie den Austausch von Daten über Kriminelle. Europa dürfe im Kampf gegen den Terror nicht versagen.

Für Kommissar Franco FRATTINI basiert eine Strategie gegen den Terror auf drei Säulen: a) Prävention, b) Schutz und c) Reaktion. Europa müsse auf die Bedrohung eine politische Antwort geben und mit einer Vision reagieren, nicht mit Notstandsgesetzen. Die internationale Zusammenarbeit, etwa mit den USA und den arabischen Staaten, müsse verstärkt werden, und die internationalen Finanzströme, die den Terrorismus unterstützen und fördern, müssten unterbunden werden. Die Kommission werde in den kommenden Monaten wichtige Maßnahmen vorschlagen, beispielsweise zum Schutz besonders gefährdeter Infrastrukturen, zur Speicherung von Kommunikationsdaten oder zur Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungsbehörden und Nachrichtendiensten.

Die Anschläge in London vom 7. Juli seien ein Angriff gewesen auf die westliche Zivilisation und auf unsere gemeinsamen Ideale, hob Hans-Gert PÖTTERING (EVP-ED, DE) zu Beginn seiner Rede hervor. Europa dürfe und werde deshalb in seinem Kampf gegen den Terror nicht nachlassen. Sicherheit können nur gemeinsam gewährleistet werden. Zwar seien auf europäischer Ebene große Fortschritte in der Terrorbekämpfung gemacht und viele wichtige Richtlinien verabschiedet worden. Allerdings sei deren Umsetzung und Anwendung in den Mitgliedstaaten oftmals unzureichend. Pöttering hob hervor, dass der Kampf gegen den Terror in erster Linie eine geistig-moralische Auseinandersetzung sei und nur gewonnen werden könne, wenn rechtsstaatliche Prinzipien gewahrt blieben. Auch dürfe der Islam nicht mit Terror gleichgesetzt werden. Abschließend betonte Pöttering, dass Europa mit allen, die Frieden wollten, den Dialog aufnehmen werden, dass es jedoch all jenen, die keinen Frieden wollten, den Kampf ansage.

Martin SCHULZ (SPE, DE) kritisierte, dass in Europa seit zehn Jahren die gleichen Debatten geführt würden. Die Bürger verlangten zu Recht, dass die EU Kriminalität und Menschenhandel bekämpfe und für ihre Sicherheit sorge. Auch betonten Rat und Kommission immer wieder, dass mehr Kooperation nötig sei. Offensichtlich seien sie jedoch nicht bereit, den Widerspruch zwischen der Forderung nach mehr Zusammenarbeit einerseits und der tatsächlichen Übertragung von Kompetenzen auf EU-Ebene anderseits aufzulösen. Die Zeit dränge allerdings. Europa beruhe auf gemeinsamen Idealen und Europas Bürger teilten ein gemeinsames Wertesystem. Daher müsse Europa auch die Verteidigung dieser Werte übernehmen. Schulz unterstrich, dass alle, die unsere Werte bedrohten, mit aller Härte der Sicherheitsorgane rechnen müssten. Entscheidend sei, dass das Prinzip der Proportionalität gewahrt bleibe: Härte und Entschlossenheit bei gleichzeitiger Wahrung der Bürgerrechte, der bürgerlichen Freiheiten und der Demokratie.

Johannes VOGGENHUBER (GRÜNE/EFA, AT) kritisierte, dass zwar immer wieder die Balance von Freiheit und Sicherheit beschworen werde, diese jedoch schnell entgleise. Die Sprache des Terrors sei Hass, Verachtung der Würde des Menschen und Gewalt. Dies könne nicht die Sprache Europas sein. Europa dürfe auf die terroristische Bedrohung nicht mit Hass und Gewalt antworten. Nur wenn Europa seine Freiheit beachte, könne sie auch verteidigt werden. Scharfe Kritik übte Voggenhuber an den unausgegorenen Vorschlägen und Berichten der britischen Ratspräsidentschaft.

Seit dem 11. September habe der Terror eine neue Qualität, so Ewa KLAMT (EVP-ED, DE). Er sei nicht mehr wie früher ideologisch motiviert, sondern ziele darauf ab, unser Leben und unsere Werte aus den Angeln zu heben. Nötig seien stringente, aufeinander abgestimmte Maßnahmen der EU, die schnell in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Die Anschläge in London seien von Menschen verübt worden, die neben, aber nicht mit uns gelebt hätten. Maßnahmen zur Integration seien notwendig, falsch verstandene Toleranz führe jedoch zu Parallelgesellschaften. Wer in Europa lebe müsse unsere Werte und Vorstellungen von Freiheit und Demokratie übernehmen.

Elmar BROK (EVP-ED, DE) hob hervor, dass bei dem grenzüberschreitenden Phänomen des Terrorismus Elemente der äußeren und der inneren Sicherheit zusammen kämen und dass diese bei Gegenmaßnahmen besser als bisher zusammen geführt werden müsse. Der Bürger dürfe nicht immer weiter drangsaliert und in seiner Freiheit eingeschränkt werden. Brok übte scharfe Kritik an den Mitgliedstaaten, die nur Erklärungen abgäben und nach jedem neuen Anschlag große Reden hielten, aber nichts umsetzten, was auf europäischer Ebene beschlossen worden sei. Dieser Betrug am Bürger dürfe nicht weiter hingenommen werden.

Mehr Europa und eine wirkliche gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik verlangte Othmar KARAS (EVP-ED, AT). Europa brauche mehr Geld und mehr Kompetenz, um glaubwürdig und wirksam gegen den Terror vorgehen zu können. Allerdings fehle es augenscheinlich an dem Willen einiger Mitgliedstaaten, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Europa brauche keine Lippenbekenntnisse oder Schuldzuweisungen, sondern Entschlossenheit und den Willen zur Zusammenarbeit. Die Nationalisierung der EU sei der größte Freund der Terroristen, eine starke EU hingegen ihr größter Feind.

Herbert REUL (EVP-ED, DE) forderte einen Nachweis der Notwendigkeit für jede einzelne Maßnahme, die im Kampf gegen den Terror ergriffen wird. Mit Blick auf die Speicherung von Daten müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Den Rat kritisierte er, da er das Parlament nicht angemessen bei der Frage der Vorratsdatenspeicherung beteilige.
     
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