Bildungspolitik / Uni-Zugang  

erstellt am
26. 09. 05

 Broukal fordert sofortige Änderung von Gehrers "Husch-Pfusch-Gesetz"
"Pontius Pilatus-Haltung" Gehrers - Ministerin wäscht ihre Hände in Unschuld
Wien (sk) - Die SPÖ fordert zur Wiederherstellung des freien Uni-Zugangs, dass das "Husch-Pfusch-Gesetz" vom 8. Juli 2005 sofort geändert wird. Einzelne Unis seien mit der Durchführung von Aufnahmeverfahren heillos überfordert, die Verfahren hätten mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun, sondern mit Willkür und Missachtung der Studienanfänger, so SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal Freitag (23. 09.) in einer Pressekonferenz. Broukal warf Ministerin Gehrer eine "Pontius Pilatus-Haltung" vor, sie "wasche ihre Hände in Unschuld". Neben sechs Sofortmaßnahmen präsentierte der SPÖ-Wissenschaftssprecher auch den neuen Vorschlag, mit einem Medizin-Kolleg an Höheren Schulen den österreichischen Maturanten einen Vorsprung fürs Medizin-Studium zu verschaffen.

Weniger Werbung, mehr Studienplätze
Wie Broukal betonte, zeige sich, dass viele der Studienbeschränkungen gar nicht notwendig sind. Aus den aktuellen Anmeldedaten gehe hervor, dass sich der Andrang auf die Studienrichtungen BWL, Psychologie, Pharmazie, Publizistik und Biologie in Grenzen hält - bisher seien hier 512 Studierende abgewiesen worden. "Die Zugangsbeschränkungen in diesen Fächern sind nicht zu rechtfertigen und müssen sofort aufgehoben werden", so der SPÖ-Wissenschaftssprecher. Gehrer müsse den Unis das Geld geben, damit diese ihr Angebot in diesen Fächern ausweiten können. "Alle Interessierten können und sollen einen Studienplatz bekommen." Bei den genannten "Buchwissenschaften" koste ein Studienplatz pro Jahr rund 3.200 Euro. "Es ist eine unnötige Härte, den Unis nicht sofort jene 1,6 Millionen Euro zusätzlich zu geben, die notwendig wären, um die 512 Abgewiesenen doch noch aufzunehmen", betonte Broukal, der von Gehrer fordert: "Weniger Werbung, mehr Studienplätze". Immerhin gebe die Ministerin für die Plakataktion "Neue Schule" 800.000 Euro aus und die geplante PR-Aktion Forschung und Entwicklung koste 12 Millionen Euro.

Für die Studienrichtungen Medizin und Veterinärmedizin, in denen Zulassungsbeschränkungen vorläufig unumgänglich seien, fordert Broukal bundeseinheitliche Zugangskriterien, die objektivierbaren Leistungskriterien entsprechen. Der SPÖ-Wissenschaftssprecher berichtete in diesem Zusammenhang von der Med-Uni Innsbruck, wo Willkür herrsche und das Rektorat mit der Verwaltung überfordert sei. Nun sei ein neuer Fall eines Zivildieners aus Vöcklabruck bekannt geworden, der sich am ersten Anmeldungstag nicht persönlich – er musste im Krankenhaus arbeiten -, aber im Internet und später eingeschrieben angemeldet hat, aber dennoch abgewiesen wurde. Hier bezweifle auch der Rechtsanwalt, dass schon am ersten Anmeldungstag alle Plätze vergeben waren.

Das Ministerium wisse auf jeden Fall seit Anfang Juli von den Absurditäten – etwa, dass an der Med-Uni Innsbruck u.a. Güte des Bewerbungsschreibens, Verwandte in Tirol und Maturanoten zählen. "Die Ministerin hat all diese Dinge passieren lassen und nicht gehandelt. Das Einzige, das sie nun macht, ist einen Arbeitskreis zu gründen, der Lösungen für das nächste Jahr bringen soll", so Broukal, der fordert, dass das Aufnahmeverfahren in Innsbruck noch einmal durchleuchtet werden soll und die zu Unrecht Abgewiesenen zusätzliche Plätze bekommen sollen.

Neuer SPÖ-Vorschlag: Medizin-Kolleg an Höheren Schulen
Trotz dieser offenkundigen Missstände hätten Ministerin Gehrer und ÖVP-Wissenschaftssprecherin Brinek keine Vorschläge vorzuweisen; diese kamen bisher nur von der SPÖ und vom BZÖ-Obmann. Broukal präsentierte in diesem Zusammenhang folgenden neuen Vorschlag: So soll in den letzten beiden Klassen der Höheren Schulen ein freiwilliges Medizin-Kolleg zusätzliche Kenntnisse in Biologie, Chemie und Physik vermitteln. Der erfolgreiche Besuch dieser Freifächer solle als Voraussetzung für die Aufnahme zum Studium von Medizin und Veterinärmedizin anerkannt werden. Auf diese Weise müssten mehr österreichische als deutsche Maturanten einen Studienplatz bekommen, erklärte Broukal und fügte hinzu, dass dies auch "absolut EU-konform" sei.

Sechs Sofortmaßnahmen
Gehrer jedoch tue so, als ginge sie die Misere nichts an; sie sei dringend zum Handeln aufgeordert. Solange es keine zusätzlichen Mittel für die Unis gibt, seien folgende Maßnahmen rasch umzusetzen:

  1. Das Bildungsministerium muss in den Fächern, in denen Zugangsbeschränkungen vorläufig unumgänglich sind, eine bundesweite Koordinationsfunktion ausüben und einheitliche Kriterien festsetzen. Diese müssen objektivierbar und nachvollziehbar sein.
  2. Die Maturanote darf keine Rolle spielen, sie ist kein objektiver Kenntnis- und Leistungsnachweis.
  3. Wer gut abschneidet, aber dennoch aus Platzmangel abgelehnt wird, muss auf eine öffentlich einsehbare Warteliste gesetzt werden. Wer auf dieser Liste steht, ist im nächsten Jahr als erster zum Studium aufzunehmen.
  4. Teile des Medizinstudiums, die auch an anderen Unis angeboten werden, sollen in der Wartezeit absolviert werden können.
  5. Auswahlverfahren müssen Berufstätigen zumutbar sein.
  6. Bei unvollständigen Inskriptionsunterlagen muss zwingend eine Nachfrist gesetzt werden.

Abschließend brachte Broukal die Befürchtung zum Ausdruck, dass das jetzt Erlebte nur die "Spitze des Eisbergs" sei; in den von Gehrer geplanten neuen Pädagogischen Hochschulen würden etwa die Rektoren berechtigt, Zugangsbeschränkungen einzuführen. "Kein Deutscher wird nach Österreich kommen, um hier das Lehramt für Geschichte zu studieren. Das kann nur Österreicher treffen."


 

 Brinek: Broukal verschließt seine Augen vor der Realität
Ministerin Gehrer hat notwendige Schritte veranlasst
Wien (övp-pk) - "Der Vorwurf der Untätigkeit ist schlicht und einfach falsch. Entweder Broukal hat die letzten Monate verschlafen, oder er kann durch seine rot gefärbte Brille die Realität nicht objektiv wahrnehmen", sagte ÖVP- Wissenschaftssprecherin Dr. Gertrude Brinek am Freitag (23. 09.) zu Aussagen des SPÖ-Wissenschaftssprechers Josef Broukal. Bereits am Tag nach dem EuGH-Urteil hätten die Universitäten durch den Erlass des betreffenden Gesetzes die Möglichkeit gehabt, adäquat auf die neue Situation zu reagieren.

"Dafür ist Vorbereitungsarbeit notwendig und diese ist gemeinsam mit den Unis erfolgt." Im Rahmen einer Enquete im heurigen April seien die Universitäten beauftragt worden, für den Fall eines negativen Urteils praktikable Aufnahmeverfahren zu entwickeln. Bei diesen Vorbereitungsarbeiten habe die Opposition die Universitäten allerdings "im Regen stehen lassen".

Die Fälle, bei denen Universitäten im Aufnahmeverfahren Fehler unterlaufen sind, seien "außerordentlich bedauernswert". Jeder einzelne Fall werde geprüft, um den korrekten Verfahrensweg im Rahmen des Verwaltungsrechts zu gewährleisten. "Niemand soll aufgrund formaler Fehler vom Studium abgehalten werden", so Brinek weiter.

Die Erarbeitung einheitlicher Zulassungskriterien für die Medizin-Universitäten sei "absolut vernünftig". "Die Rektoren haben hier freie Hand, eine gemeinsame Lösung zu finden." Allerdings hinke Broukal auch in diesem Punkt den Geschehnissen hinterher. Ministerin Gehrer habe die Notwendigkeit einheitlicher Verfahren bei den Rektoren bereits urgiert.

Auch auf EU-Ebene werde an einer Lösung der Situation gearbeitet. "Die Gespräche laufen. Es gilt, gemeinschaftskonforme, nicht-diskriminierende Maßnahmen zu treffen, die auf die Sondersituation Österreichs Rücksicht nehmen. Ich bin zuversichtlich, dass Ministerin Gehrer dies gelingen wird", so die ÖVP-Wissenschaftssprecherin. Es sei jedenfalls "reiner Populismus", wenn Broukal der Ministerin vorwerfe, nicht tätig zu werden. "Augen auf, Herr Broukal. Die zuständigen Stellen arbeiten auf Hochtouren, während Sie mit Schuldzuweisungen und Ablenkungsversuchen beschäftigt sind. Immerhin wurde von Ihnen die Forderung nach einer Zugangsbeschränkung für alle ausgesprochen", sagte Brinek. Diese Beschränkung sollte nach Meinung von Broukal einheitlich und zentralistisch geregelt sein. "Es gibt keinen Experten, der dies bei den in Frage kommenden Fächern, etwa Psychologie- und Medizinstudium, gut heißen würde", so Brinek abschließend.

 

 Van der Bellen: Große Bildungsreform statt unsinniger Staatsbürgerschaftsregelungen
Wien (grüne) - "Wir sind wirklich entsetzt über die Prioritätensetzung der Regierung. Während es an den Schulen und Universitäten an allen Ecken und Enden kracht, schlagen ÖVP und BZÖ allen Ernstes vor, ausländischen Kindern die sitzen bleiben die Staatsbürgerschaft zu verweigern", so Alexander Van der Bellen, Bundessprecher der Grünen. Zwar hätte Bundesministerin Prokop gestern wieder einen teilweisen Rückzieher gemacht, doch die neue Regelung sei immer noch völlig inakzeptabel, weil lediglich die Altersgrenzen verschoben worden seien.

"Zuerst verweigern ÖVP und BZÖ eine große Bildungsreform. Und jetzt wollen sie die Kinder für die Unzulänglichkeit der Regierung bestrafen, indem sie eine unsinnige Staatsbürgerschaftsregelung vorschlagen? Die Kinder können doch nun wirklich nichts dafür, dass die Bundesregierung in der Bildungspolitik versagt", so Van der Bellen abschließend.
     

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