Frist für Anträge auf Naturalrestitution wird verlängert
Wien (pk) - Antragstellerinnen und Antragsteller, deren Anträge bereits fertig bearbeitet sind,
sollen aus dem Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus Vorauszahlungen erhalten
können, noch bevor ihr endgültiger Zuerkennungsbetrag feststeht. Voraussetzung für die Auszahlung
der Vorschüsse ist allerdings die Zurückziehung bzw. Abweisung aller Sammelklagen gegen Österreich
bzw. österreichische Unternehmen in den USA.
Die entsprechenden Änderungen des Entschädigungsfondsgesetzes passierten am Donnerstag (22. 09.) den
Verfassungsausschuss des Nationalrats mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und F. Abgeordnete Terezija Stoisits
(G) stimmte dagegen.
Grundlage für die Gesetzesänderung war ein gemeinsamer Initiativantrag aller vier Parlamentsparteien,
als AntragstellerInnen fungierten Nationalratspräsident Andreas Khol, die Zweite Präsidentin des Nationalrates
Barbara Prammer, der Dritte Präsident des Nationalrates Thomas Prinzhorn sowie der Klubobmann der Grünen
Alexander Van der Bellen (670/A).
Abgeordnete Terezija Stoisits (G) betonte, sie sei keineswegs gegen den Antrag und wolle selbstverständlich,
dass so rasch wie möglich Vorauszahlungen geleistet werden, schließlich gehe es um Gesten gegenüber
Menschen mit hohem Alter. Sie sprach sich jedoch vehement dagegen aus, auch die Vorauszahlungen an die Rechtssicherheit
zu binden. Daher plädierte sie dafür, die nächsten Wochen für weitere Parteiengespräche
zu nützen. Ihr Antrag auf Vertagung wurde jedoch von ÖVP, SPÖ und F abgelehnt, weshalb sie gegen
den vorliegenden Initiativantrag stimmte.
Man könne die Anspruchsberechtigten nicht auf etwas vertrösten, wovon man nicht wisse, wann und ob es
einträte, sagte Stoisits. Es ginge ohnehin nur um geringe Beträge, weshalb man auf die Rechtssicherheit
bei den Vorauszahlungen verzichten sollte. Im Gegensatz zu Präsident Khol meinte sie, dass die 210 Mill. $
für den Fonds nicht nur von der Wirtschaft kämen, sondern auch ein kleiner Teil aus dem Budget. Zöge
man diese Mittel heran, wäre man nicht an die Rechtssicherheit gebunden. Sie wolle jedenfalls eine des Gedankenjahres
würdige Aktion setzen, so Stoisits.
Nationalratspräsident Andreas Khol (V) entgegnete Stoisits, das Verfahren sei im Washingtoner Abkommen völkerrechtlich
festgelegt. Die Mittel für den Fonds würden von der Wirtschaft aufgebracht und erst dann in den Fonds
eingezahlt, wenn Rechtssicherheit herrsche. Man könne daher auch keine Vorauszahlungen leisten, solange die
Rechtssicherheit nicht vorliege. Khol zeigte sich aber zuversichtlich, dass diese bald vorliege und man noch Ende
2005, bzw. Anfang 2006 mit den Vorauszahlungen beginnen könne.
Er bedauerte außerordentlich die ablehnende Haltung der grünen Abgeordneten und unterstrich, dass dieser
Antrag im Einvernehmen mit der Kultusgemeinde erarbeitet worden sei. Man könne davon ausgehen, so Khol weiter,
dass sich aus den 18.000 Anträgen rund 200.000 Ansprüche ergeben werden. Diese werden jedoch nicht vom
Fonds selbst, sondern von einem völkerrechtlichen Antragskomitee geprüft, worauf der Fonds keinen Einfluss
habe. Endgültig ausgezahlt könne erst dann werden, wenn alle Anträge geprüft seien, und damit
sei realistischerweise erst 2007 zu rechnen. Mit den Vorauszahlungen wolle man jene bedenken, deren Anträge
bereits geprüft seien. Die Höhe ergebe sich aufgrund einer Hochrechnung. Der Nationalratspräsident
betonte, dass man dabei äußerst präzise vorgehen müsse, zumal es dabei auch um diffizile Haftungsfragen
gehe. Khol lobte auch ausdrücklich die Arbeit des Fonds, dessen MitarbeiterInnenzahl in der Zwischenzeit auf
160 angestiegen sei.
Ähnlich argumentierte Klubobmann Herbert Scheibner (F) und meinte, auch für ihn sei es unbefriedigend,
dass man seit Jahren nicht auszahlen könne, weil es keinen Rechtsfrieden gebe und die Bearbeitung zu lange
dauere.
Abgeordneter Walter Posch (S) stimmte zwar grundsätzlich mit Abgeordneter Stoisits überein, zeigte aber
gleichzeitig Verständnis für den Vorbehalt, da der Druck der Sammelklagen sehr groß gewesen sei.
Er hoffe, dass man bis zum Nationalratsplenum im Oktober noch politische Gespräche führen werde. Sein
Klubkollege Erwin Niederwieser bemerkte, die Argumente von Terezija Stoisits seien zwar verständlich, es gebe
aber gute Gründe, warum man auch die Vorauszahlungen an die Rechtssicherheit binde.
Das Plenum des Nationalrats wird sich erst im Oktober mit der Materie befassen. Inzwischen soll es noch intensive
Verhandlungen über den Antrag 679/A betreffend die Errichtung eines Zukunftsfonds und einer Stipendienstiftung
geben. Darin wird die Weiterverwendung der restlichen Mittel aus dem Versöhnungsfonds geregelt. Abgeordnete
aller vier Fraktionen (Christine Lapp, S, Herbert Scheibner, F, Ulrike Baumgartner-Gabitzer, V, Terezija Stoisits,
G) unterstrichen, man sei außerordentlich an einer konsensualen Lösung interessiert.
Begründet wird die Änderung des Entschädigungsfondsgesetzes mit dem hohen Alter vieler Antragstellerinnen
und Antragsteller und der länger als ursprünglich erwarteten Bearbeitungsdauer der eingebrachten Anträge.
Die einzelnen Entschädigungsbeträge werden erst dann endgültig feststehen, wenn sämtliche eingelangten
Anträge bearbeitet sind - die Mittel des Entschädigungsfonds (rund 210 Mill. US-Dollar) werden aliquot
auf die berechtigten Forderungen aufgeteilt.
Darüber hinaus wird die Frist für Anträge auf Naturalrestitution öffentlicher Liegenschaften
bis 31. Dezember 2006 verlängert. Die Fristverlängerung ist deshalb geboten, weil manche Länder
und Gemeinden die eingerichtete Schiedsinstanz erst vor kurzem mit der Prüfung etwaiger Anträge beauftragt
haben. |