Koalition zieht bei Geldbußen Ober- und Untergrenze ein
Wien (pk) - Der Justizausschuss hat am Dienstag (20. 09.) das Verbandsverantwortlichkeits- gesetz
plenumsreif gemacht. Die Vorlage passierte den Ausschuss in der Fassung eines V-F-Abänderungsantrags, der
bei den Geldbussen eine Ober- und eine Untergrenze vorsieht, mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen. Die Zustimmung
aller Fraktionen gab es bei einem ebenfalls von den Koalitionsparteien eingebrachten Entschließungsantrag,
der eine Evaluierung nach vier Jahren und einen Bericht über die praktische Anwendung des Gesetzes sowie über
die Wirksamkeit des Sanktionensystems vorsieht.
In der Debatte bemängelten die Vertreter der Opposition die nach ihrer Auffassung erfolgte Entschärfung
des Gesetzes. Abgeordneter Johannes Jarolim (S) beklagte, mit den Änderungen sei das "Drohpotenzial"
des Gesetzes massiv eingeschränkt worden. Sein Fraktionskollege Johann Maier kritisierte u.a., dass man kein
Sanktionenrecht entwickelt, sondern bloß auf Geldbußen gesetzt habe. Für Abgeordneten Christian
Puswald war der Entwurf nur noch eine "bescheidene Lösung", während sein Fraktionskollege Peter
Wittmann eine massive Bevorzugung der Großbetriebe und der Industrie gegenüber kleinen und mittleren
Unternehmen ortete.
Ähnlich die Kritik der Grünen: Abgeordnete Terezija Stoisits begrüßte zwar, dass das Gesetz
nach dreijähriger Diskussion endlich im Ausschuss debattiert werde, bezweifelte aber seine Wirkung gegenüber
internationalen Konzernen, etwa im Fall großer Beeinträchtigungen der Umwelt. "Mikrosoft zahlt
die Höchststrafe aus der Portokassa", illustrierte sie ihren Standpunkt pointiert.
Von den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen wurde der Entwurf begrüßt und verteidigt. Abgeordneter
Heribert Donnerbauer (V) begrüßte zum einen die damit erreichte Rechtssicherheit und meinte zum anderen,
mit der Orientierung der Geldbußen am Ertrag und nicht am Umsatz würde hintangehalten, dass Unternehmen
in ihrer Existenz gefährdet würden. Geschädigte hätten nichts davon, wenn ein Unternehmen in
Konkurs geht, ergänzte Abgeordnete Karin Hakl (V).
F-Abgeordnete Helene Partik-Pable argumentierte, man betrete mit dem Gesetz Neuland; eine mögliche Verurteilung
sei für die Wirtschaft eine wirksame Drohung. Zudem wäre ja eine Evaluierung vorgesehen.
Für Justizministerin Karin Gastinger ist das Gesetz "ein guter Kompromiss". Sie wies darauf hin,
dass unabhängig von verhängten Geldbußen auch Schadenersatz möglich sei; zudem könnte
das Gericht auch Betriebsschließungen anordnen. Geldbußen seien steuerlich nicht absetzbar. Nach Auffassung
der Ressortchefin hat das Gesetz eine deutliche generalpräventive Wirkung.
Mit dem neuen Gesetz wird eine Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten statuiert. Das eröffnet
die Möglichkeit, auch juristische Personen und Gesellschaften, z.B. Personenhandelsgesellschaften, im Rahmen
von gerichtlichen Verfahren zu verurteilen. Anlass für diese seit einigen Jahren diskutierte und auch in der
Regierungserklärung festgeschriebene Systemänderung im österreichischen Recht sind internationale
Verpflichtungen, und zwar sowohl Rechtsakte der EU als auch völkerrechtliche Verpflichtungen. Erfasst wird
eine große Zahl von Delikten; die Erläuterungen sprechen von 85 Delikten im Strafgesetzbuch und rund
15 Nebengesetzen, die von Vermögensdelikten über Tötungsdelikte bis zu Tatbeständen wie Verhetzung
reichen.
Ein erster Abschnitt des Entwurfs umfasst Begriffsbestimmungen und Bestimmungen über den Anwendungsbereich.
Der zweite Abschnitt umfasst die materiellrechtlichen Bestimmungen. Dabei wird grundsätzlich zwischen zwei
Grundfällen unterschieden: einerseits die Begehung einer Straftat durch eine Person in führender Funktion
in einem Verband, anderseits die Begehung durch eine unterstellte Person bei mangelnder Überwachung und Kontrolle.
Als Sanktion sind Geldbußen vorgesehen, die nach einem Tagsatzsystem berechnet werden. Der dritte Abschnitt
enthält Verfahrensbestimmungen.
Die Geldbußen reichen bis zu 180 Tagsätzen, wobei der Tagessatz sich an der Ertragslage und an der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit eines Verbands orientiert. In einem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Abänderungsantrag
wurde in der Sitzung des Ausschusses beim Tagessatz eine Obergrenze von 10.000 und eine Untergrenze von 50 € eingezogen.
Bei Verbänden mit gemeinnützigen, humanitären und kirchlichen Zwecken beträgt der Tagsatz mindestens
2 und höchstens 500 €. Außerdem ist es möglich, Geldbußen unter 70 Tagsätzen bedingt
nachzusehen, wobei auch Weisungen erteilt werden können. Diese Weisungen können sich auf die Wiedergutmachung
eines entstandenen Schadens und/oder auf die Verhinderung zukünftiger Schäden beziehen.
Zu Beginn der Sitzung, die unter dem Vorsitz von Ausschuss-Obfrau Maria Teresia Fekter stattfand, wurde die Tagesordnung
um G-Antrag 525/A ergänzt. Außerdem wurde einstimmig eine Aktuelle Aussprache als letzter Punkt der
Tagesordnung beschlossen. |