Schönborn: Wir streben nicht nach einer vergangenen "Staatskirche"  

erstellt am
03. 10. 05

Beim "Fest der Eucharistie" im Wiener Stephansdom wurde des 10. Jahrestages des Amtsantritts von Kardinal Schönborn gedacht
Wien (www.kath.net/PEW) - Für eine Kirche, die ihre Sendung so versteht wie Jesus, hat sich Christoph Kardinal Schönborn am Samstag (01. 10.) beim „Fest der Eucharistie“ im Wiener Stephansdom ausgesprochen. Bei dem Fest zum Abschluss des noch von Johannes Paul II. proklamierten „Jahres der Eucharistie“ wurde zugleich auch des 10. Jahrestages des Amtsantritts von Kardinal Schönborn als Erzbischof von Wien gedacht. Schönborn hatte 1995 bewusst den 1. Oktober - das Fest der Heiligen Therese von Lisieux - als Tag seiner Amtseinführung gewählt, weil er seine Tätigkeit in das Zeichen dieser „Heiligen des kleinen Weges“ setzen wollte. Der Stephansdom war am Samstagnachmittag bis auf den letzten Platz gefüllt; auch der scheidende Apostolische Nuntius in Wien, Erzbischof Georg Zur, war anwesend.

Generalvikar Franz Schuster betonte beim Gottesdienst den Wunsch, dass Kardinal Schönborn „noch lange“ Hirt der Erzdiözese Wien sein möge: „Mutig vorangehend, manchmal mitten im Gewühl und Gedränge, und manchmal auch dort, wo er besonders gerne ist: Am Rand der Herde, dort, wo die sind, die nicht mehr mitkönnen oder mitwollen.“ Auf diese Weise ermutige der Kardinal die Erzdiözese Wien, als „missionarische Kirche zu leben“. Die zehn Jahre seit dem Amtsantritt von Erzbischof Schönborn seien als „intensives Ringen“ um eine zentrale Frage zu verstehen: „Wie können wir als Kirche zugewandt zur Welt und offen für unsere Zeit leben, aber gleichzeitig der Versuchung widerstehen, nur das zu sagen und zu tun, wofür wir uns der Zustimmung und des Lobes aller sicher sein können?“

Als gemeinsames Geschenk der Erzdiözese und des Domkapitels überreichte Weihbischof Helmut Krätzl dem Kardinal einen neuen Bischofsstab, ein Werk des Bildhauers Oskar Höfinger. Das Geschenk von „Klerus und Volk“ an den Kardinal sei Zeichen der „erneuerten Anerkennung seines Leitungsamtes“, aber auch der Mitverantwortung, betonte Weihbischof Krätzl. Der Hirtendienst des Kardinals möge vielen Menschen „Halt und Stütze“ geben.

Zuvor hatte die Präsidentin der Katholischen Aktion (KA) der Erzdiözese Wien, Christa Buzzi, daran erinnert, dass in den letzten zehn Jahren durch Kardinal Schönborns „konsequenten Weg der kleinen Schritte“ viel Vertrauen gewachsen sei. Kardinal Schönborn sei „ein Wiener“ geworden, er habe die Kirche mit missionarischen Initiativen in eine neue Öffentlichkeit geführt.

In seiner Predigt sagte Kardinal Schönborn wörtlich: „Der Missionsauftrag der Kirche kommt von Christus und muss sich an ihm orientieren. Wir streben nicht nach einer vergangenen ‚Staatskirche’. Wir sind dankbar für die wirkliche Religionsfreiheit in unserem Land. Wir wünschen uns aber eines ganz entschieden: dass möglichst viele Menschen die Gesellschaft mit den Werten des Evangeliums, mit dem Geist Jesu prägen.“ In diesem Zusammenhang nannte der Kardinal den „Sinn für Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit, für Barmherzigkeit und Solidarität, den Mut, auch Unangenehmes zu benennen und um der Gerechtigkeit willen auch Nachteile auf sich zu nehmen“. Diese Werte hätten die Christen nicht für sich gepachtet, betonte der Wiener Erzbischof: „Wir wollen mit allen ein Stück des Weges gehen, die diese Werte praktizieren und uns auch kritisch befragen lassen, wenn wir es verabsäumen, sie zu praktizieren.“

Die Christen würden immer für „den Wert und den Schutz des Lebens in jeder seiner Phasen eintreten“, kündigte Kardinal Schönborn an, aber auch für die Förderung der Familie. In den kommenden Jahren werde es besonders wichtig sein, dass diese menschlichen und christlichen Werte gelebt werden: „Ohne sie wird die Gesellschaft hart, unmenschlich und nur mehr nach dem Modell des ‚survival of the fittest’ vorgehen.“

Der Wiener Erzbischof betonte auch die Bedeutung einer „Kultur der Muße“, zu der in „tiefer biblischer und menschlicher Verankerung“ der Sonntag gehöre. Kardinal Schönborn zitierte in diesem Zusammenhang den deutschen Philosophen Robert Spaemann: Die Frage, was kostet uns der Sonntag, sei „tödlich“. Sobald man so zu rechnen beginne, sei der Sonntag „verloren“. Spaemanns Ausweg laute: „Dieser Tag steht nicht zur Verfügung. Dann ist er wie ein alter Baum, in dessen Schatten jeder sitzen kann, wo jeder an einem Tag der Woche Herr ist und kein Knecht.“

Kardinal Schönborn warnte die Christen vor der Einschätzung, dass sie „zu wenige“ seien: „Im Kleinen wächst das Große. Im Kleinen bewährt sich das Große, das uns anvertraut ist: nicht mehr und nicht weniger als das Reich Gottes.“

Auch in einer Zeit, in der „alles darauf ankommt, größer zu werden“, gelte das Wort der Heiligen Therese von Lisieux: „Ich muss klein bleiben, ja, mehr und mehr es werden.“ Der Wiener Erzbischof erinnerte an das prophetisch scharfe Wort von Karl Kraus bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs, als nur „dieser großen Zeit“ die Rede war: „In dieser großen Zeit, die ich noch kannte, als sie klein war, und die wieder klein werden wird, wenn ihr noch Zeit bleibt...“

Auch heute gehe es um „klein werden“, aber im Sinn des Evangeliums. Der Wiener Erzbischof erinnerte daran, dass am Samstag auch der Abschluss der drei „Jahre der Bibel“ begangen wurde: „Gott spricht zu uns im Menschenwort der Bibel, das wir als Gottes Wort annehmen.“ „Klein werden“ heiße dann, „Hörer des Wortes“ zu sein und sich von Gott etwas sagen zu lassen. In einer lauten hektischen Zeit seien hörende Menschen dringend notwendig: „Wer auf Gottes Wort, auf die Stimme Jesu hört, wird auch die Stimme des Nächsten hören, auch wenn sie scheu und leise ist.“

In der Eucharistie sei Christus in der „demütigen Gestalt des Brotes und Weines“ anwesend, erinnerte Kardinal Schönborn. „Klein werden“ heiße hier, demütig genug zu sein, um „einen demütigen Gott in Brotsgestalt anzubeten“. Vor Gott im kleinen Brot würden alle „menschlichen Rivalitäten und Machtspielchen“ schäbig und lächerlich. Weil Christus in der Eucharistie anwesend sei, sollten auch die Kirchen offen sein und so vielen Menschen Zugang zu seiner Gegenwart verschaffen.

Eucharistie und Priestertum sind untrennbar, unterstrich der Wiener Erzbischof. Es sei ihm eine große Freude, dass heuer bisher bereits 16 Neueintritte in die beiden diözesanen Priesterseminare zu verzeichnen waren.
     
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