Wirtschafts- und Arbeitsminister beim "Europatag" im Parlament: "Die vier EU-Freiheiten
sind nur teilweise verwirklicht"
Wien (bmwa) - "Die Dienstleistungsfreiheit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für
Wachstum und Beschäftigung in Europa. Die vier Grundfreiheiten der EU wurden bisher nur zum Teil verwirklicht,
besonders im Bereich der Dienstleistungsfreiheit", sagte Wirtschafts- und Arbeitsminister Dr. Martin Bartenstein
am Donnerstag (29. 09.) beim "Europatag" im Parlament. Schon der EU-Binnenmarkt habe in zehn Jahren
2,5 Millionen Jobs gebracht. Durch die Dienstleistungsrichtlinie rechne die Europäische Kommission mit einem
Beschäftigungseffekt von 600.000 Jobs in Europa.
Bartenstein wies darauf hin, dass es im Bereich der Dienstleistung eine Reihe von Hindernissen für österreichische
Unternehmen gebe, vor allem für Klein- und Mittelbetriebe. Der Minister nahm in diesem Zusammenhang auf einen
Bericht des holländischen Ministerpräsidenten Wim Kok Bezug, an dem auch ÖGB-Präsident Fritz
Verzetnitsch gemeinsam mit anderen Experten mitgearbeitet habe. Der Bericht komme zu dem Schluss, dass das heutige
Dienstleistungshandelsniveau innerhalb Europas niedriger als vor zehn Jahren sei.
Als konkretes Dienstleistungs-Hindernis nannte Bartenstein mehrere Beispiele, etwa, dass in manchen Mitgliedsländern
Elektriker nur dann tätig werden dürfen, wenn sie beim örtlichen E-Werk zertifiziert sind. Fremdenführer,
auch in Österreich, würden eine lokale Genehmigung brauchen, ansonsten dürfen sie nicht tätig
werden. Und Handwerker müssten oftmals Pkws mit nationaler Zulassung benützen, um ihre Werkzeuge transportieren
zu dürfen.
Die rasche Umsetzung der Richtlinie sei besonders wichtig, da 70 Prozent der gesamten europäischen Wertschöpfung
im Bereich Dienstleistungen entstehe.
Österreich exportiere 40 Milliarden Euro an Dienstleistungen pro Jahr und weise in diesem Bereich einen Handelsbilanzüberschuss
von 1,6 Milliarden Euro auf. Die rasche Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit sei also für Österreich
noch wichtiger als für andere Staaten, so Bartenstein, der darauf hinwies, dass das Herkunftslandprinzip das
Bauprinzip sei. Von diesem Prinzip solle auch nicht abgerückt werden.
Es gelte, das bestehende Dreieck - Dienstleistungsrichtlinie, Entsenderichtlinie und Berufsanerkennungsrichtlinie
- anzuerkennen. Bei der Entsendung von Arbeitnehmern muss ein Dienstleistungserbringer, der zum Zwecke der Dienstleistungserbringung
Mitarbeiter in ein anderes Mitgliedsland entsendet, die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmelandes
erfüllen. Die Kontrolle obliegt dem Aufnahmeland, nicht dem Herkunftsland. Der Vorwurf des Lohn- und Sozialdumpings
durch die Dienstleistungsrichtlinie sei daher falsch. Anders als in Deutschland habe nämlich Österreich
die Entsenderichtlinie sehr engmaschig umgesetzt.
Am 4. und 5. Oktober werde sich der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments mit der Dienstleistungsrichtlinie
beschäftigen. Wann es zur ersten Lesung kommen werde, sei noch nicht vorhersehbar. "Das könnte sich
verschieben, dementsprechend könnte sich auch die Antwort der Kommission verschieben. Bis dato gibt es nicht
weniger als 1000 Abänderungsanträge zu diesem Thema", sagte Bartenstein.
Der Minister appellierte abschließend an die anderen Parteien, dass beim Thema Dienstleistungsrichtlinie
Konsens herrschen sollte: "Ausnahmen für den sensiblen Bereich der Daseinsvorsorge, also für Gesundheits-
und Sozialbereich, sind unverzichtbar. Es braucht auch eine Sicherstellung effizienter Kontrollen durch Behörden
und eine lückenlose Rechtsverfolgung. Außerdem muss eine klare Abgrenzung zwischen Dienstleistungsrichtlinie
und Entsenderichtlinie getroffen werden." |