Der ländliche Raum ist nicht nur Landwirtschaft
Wien (pk) - Zwei Entschließungsanträge - einer von den Fraktionen der Koalition, ein weiterer
von den Grünen - boten den Abgeordneten am Mittwoch (28. 09.) die Grundlage für eine umfassende
Debatte über den ländlichen Raum.
Abgeordneter Mag. GASSNER (S) kritisierte, dass beim Programm für die Entwicklung des ländlichen Raums
ausschließlich die Förderung der Landwirtschaft im Vordergrund steht. Die Sozialdemokraten verstehen
unter dem ländlichen Raum aber alle Menschen, die dort leben und arbeiten. Das sind aber nicht nur Bäuerinnen
und Bauern, sondern auch Arbeiter, Angestellte und Mitarbeiter von kleinen und mittleren Unternehmen. All diese
Menschen haben ein Recht darauf, dass es genügend Infrastruktur im ländlichen Raum gibt. Die Politik
der Bundesregierung führe jedoch dazu, dass die notwendige Infrastruktur nicht mehr zur Verfügung steht,
da immer mehr Postämter, Polizeistationen, Bezirksgerichte geschlossen und öffentliche Verkehrsmittel
reduziert werden. Nachholbedarf gebe es auch im Schulbereich und bei den Kinderbetreuungseinrichtungen, urteilte
Gassner. Außerdem werde vielen kleinen Gemeinden die finanzielle Basis entzogen.
Der vorsitzführende Dritte Präsident PRINZHORN gab bekannt, dass die Grünen einen Antrag auf Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses betreffend Beschaffung von Eurofightern eingebracht haben. Die Abstimmung darüber
findet nach Erledigung der Tagesordnung statt.
Abgeordneter GRILLITSCH (V) warf den Sozialdemokraten Unsachlichkeit in der Debatte über den ländlichen
Raum vor. Die dafür vorgesehenen EU-Mittel sowie die nationalen Programme seien ein Garant dafür, dass
dieser wichtige Wirtschaftraum gesichert werden könne. Die Bauern waren, sind und werden auch in Zukunft das
Rückgrat eines intakten ländlichen Raumes sein, hielt Grillitsch seinem Vorredner entgegen.
Es bestehe kein Zweifel darüber, dass es notwendig sei, den ländlichen Raum zu entwickeln, unterstrich
Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G). Wichtig sei jedoch, dass die Mittel auf europäischer Ebene umgeschichtet und
erfolgreiche Wege - zum Beispiel die Biolandwirtschaft - noch weiter ausgebaut werden. Auch die Exportsubventionen
sollten vermehrt für ökologische und soziale Maßnahmen eingesetzt werden, forderte er.
Abgeordneter DI SCHEUCH (F) betrachtete die Entwicklung, wie er sagte, mit einem lachenden und einem weinenden
Auge. Positiv bewertete er die Tatsache, dass ausreichend Mittel zur finanziellen Absicherung der Bäuerinnen
und Bauern zur Verfügung gestellt würden. Als diskussionswürdig bezeichnete er die Aufteilung und
Verwendung der Mittel. Seiner Meinung nach sollte man die klein strukturierte Landwirtschaft bevorzugen. Er sei
daher sehr erfreut über Bundeskanzler Schüssel, der sich für eine Deckelung der Zuschüsse ausgesprochen
habe. Scheuch regte auch an, nationale Spielräume auszunützen und etwa über die Steuer- und Sozialpolitik
Schritte im Interesse der Landwirtschaft zu setzen. In diesem Zusammenhang forderte er den Landwirtschaftsminister
auf, den Plan der Sozialversicherungspflicht für die Maschinenringtätigkeit wieder aufzugeben, da dies
ungerecht sei.
Abgeordneter WIMMER (S) sprach ebenfalls die ungerechte Mittelverteilung im Landwirtschaftsbereich an, da große
Unternehmen bevorzugt würden, kleine Betriebe aber auf der Strecke blieben. Die SPÖ unterstütze
daher die Forderung des Bundeskanzlers nach einer Förderobergrenze, denn es gebe noch immer Fördermillionäre
mit bis zu 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Wimmer trat auch dafür ein, bei den Förderungen alle Menschen,
die im ländlichen Raum leben, mit einzubeziehen.
Abgeordneter ESSL (V) betonte, dass die Gelder für den ländlichen Raum selbstverständlich allen
zugute kämen, da die Bauern ja den Lebensraum sicherten. Bundesminister Pröll kämpfe auf EU-Ebene
erfolgreich für die direkten Förderungen, sagte er. Im Gegensatz dazu strebe Parteiobmann Gusenbauer
die Halbierung der Agrarmittel an, bemerkte Eßl.
Abgeordnete REST-HINTERSEER (G) hielt grundsätzlich fest, dass die ländliche Bewirtschaftung derzeit
aus den Fugen geraten sei. Man müsse nämlich hinterfragen, ob die Landwirtschaft wirklich Teil des internationalen
Handels sein könne. Vielmehr müssten die Staaten die Ernährungssouveränität sicherstellen.
Jedes Land müsse seine Bürgerinnen und Bürger ernähren können.
Vehement kritisierte Rest-Hinterseer die ihrer Auffassung nach erfolgte Vereinnahmung des ländlichen Raums
durch den Bauernbund als nicht mehr zeitgemäß. Diese Regionen seien wesentlich differenzierter, weshalb
sie einen Entschließungsantrag der Grünen betreffend "österreichisches Programm für die
Entwicklung des ländlichen Raumes 2007-2013" einbrachte. Eckpunkte des Antrages sind unter anderem die
Verbesserung der ökologischen Zielgenauigkeit und der Nachhaltigkeit, die Sicherung der Gentechnikfreiheit,
die Stärkung des ländlichen Raums als Lebens- und Arbeitsraum, eine artgerechte Tierhaltung und die Fördergerechtigkeit.
Bundesminister DI PRÖLL (V) betonte, dass sich die ländliche Entwicklung derzeit in einer "spannenden
Phase" befinde. Im EU-Agrarministerrat hätten kürzlich substanzielle Fortschritte erzielt werden
können, obwohl die finanzielle Vorausschau von den Regierungschefs noch nicht beschlossen worden sei. So hätten
die Agrarminister 88 Mrd. € Finanzierungsbedarf für die ländliche Entwicklung als Zielvorgabe genannt.
Der Einsatz Österreichs habe sich gelohnt, sagte Pröll, denn Österreich gebe 60 % aller Agrarmittel
für die ländliche Entwicklung aus und nehme damit die Spitzenposition ein. Der ursprüngliche Vorschlag
der Kommission hätte für Österreich eine Verringerung der Mittel bedeutet, und dies habe man erfolgreich
wegverhandeln können. Österreich könne auch in Zukunft ein Umweltprogramm, ein Investitionsprogramm
und Ausgleichszulagen für die Bergbauern sicherstellen. Es sei auch gelungen, bei der Abgrenzung benachteiligter
Gebiete eine Reduktion der förderungswürdigen Gebiete zu verhindern. Auch für integrative Programme
würden in Hinkunft mehr Mittel ausgegeben. Pröll informierte abschließend die Abgeordneten, dass
in diesen Tagen erstmals 40 - 50 Mill. € für den Agrardiesel ausbezahlt würden.
Abgeordneter WITTAUER (F) knüpfte daran an und erinnerte an die diesbezügliche Forderung der F nach einer
Anpassung der Dieselbesteuerung. Die Entwicklung des ländlichen Raums stellt seiner Meinung nach eine Erfolgsstory
dar. Die Landwirtschaft gebe dem ländlichen Raum wesentliche Impulse, aber auch Infrastruktur, Verkehrsträger,
Breitbandinitiativen seien wesentliche Bestandteile. Darüber hinaus sei die Landwirtschaft auch wichtig für
den Tourismus. Wittauer würdigte auch den Beitrag der Frauen im ländlichen Raum, da diese vor allem gesellschaftliche
Initiativen setzten.
Abgeordnete WALTHER (S) setzte sich mit der Aufteilung der Mittel für den ländlichen Raum auseinander
und forderte, den außeragrarischen Bereich stärker zu fördern. Der ländliche Raum, so Walther,
sei wichtig für alle Menschen, die dort leben und nicht nur für die Bäuerinnen und Bauern. Notwendig
sei die Förderung kleiner Wirtschaftsstrukturen, sowie von Infrastruktur wie Kindergärten, Schulen und
Straßen. Dafür seien die Mittel aus dem Finanzausgleich zu wenig. Sie regte auch an, die Sozialpartner
und regionalen Institutionen stärker einzubinden.
Abgeordneter DI AUER (V) zeigte sich zufrieden mit den von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen im ländlichen
Bereich, die den Bedürfnissen der Betroffenen vollinhaltlich entgegen kämen. Der ÖVP sei die Entwicklung
des ländlichen Raums ein dringliches Anliegen, und von dieser Einstellung sei auch die von der Regierung betriebene
Politik getragen.
Abgeordneter DI KUMMERER (S) meinte, man dürfe Politik für den ländlichen Raum nicht allein als
Agrarpolitik begreifen. Es gelte, die nationalen Spielräume optimal zu nützen. Daher müsse man auch
von weiteren Belastungen Abstand nehmen, sondern zu einer Politik kommen, die dem ländlichen Raum und seiner
Bevölkerung und damit allen helfe.
Abgeordneter AUER (V) konstatierte, offenbar hätten alle dasselbe Ziel, man verfolgte dieses allerdings auf
unterschiedlichen Wegen. Der Bundesminister habe einen erfolgreichen Weg eingeschlagen, was auch am internationalen
Vergleich abzulesen sei.
Abgeordneter REHEIS (S) plädierte für mehr Arbeitsplätze in den ländlichen Regionen, was auch
eine erhöhte Kaufkraft bedeuten würde, was sich wiederum positiv auf die dortige Wirtschaft auswirken
würde. Daher dürfe man den ländlichen Raum nicht durch zahlreiche Schließungen und Einsparungen
an der Infrastruktur schwächen, sondern müsse vielmehr danach trachten, ihn zu stärken.
Abgeordneter SCHULTES (V) sprach sich gegen die Idee des SPÖ-Obmanns, die Förderungen für den ländlichen
Raum zu kürzen, aus und votierte stattdessen für entsprechende Ausgleichszahlungen, da sonst die Produktion
ernsthaft in Frage gestellt wäre. Der Bundesminister betreibe genau die richtige Politik, die auch entsprechend
erfolgreich sei.
Abgeordnete SCHÖNPASS (S) votierte für eine bessere Informationspolitik seitens der Bundesregierung,
habe die Bevölkerung im ländlichen Raum doch das Recht zu erfahren, welche Pläne die Regierung für
die ländlichen Regionen habe. Der ländliche Raum brauche nicht nur Förderungen für die Landwirtschaft,
sondern auch entsprechende Arbeitsplätze in anderen Sparten, bessere Verkehrsstrukturen, verbesserte Bildungschancen
und vieles mehr.
Abgeordneter SIEBER (V) lobte das Agieren des Landwirtschaftsministers auf europäischer Ebene und zeigte sich
überzeugt, dass die eingeschlagene Politik die Probleme des ländlichen Raumes lösen und entsprechende
Grundlagen für eine weitere positive Entwicklung legen werde.
Abgeordneter GRADWOHL (S) plädierte für eine Unterstützung der Arbeitskraft im ländlichen Raum.
Alles andere führe zu einer Belastung, die nicht zweckdienlich sein könne. Im übrigen sollte das
Parlament in die Gestaltung der diesbezüglichen Politik vollinhaltlich eingebunden werden, meinte der Redner.
Es sei nötig, die Zeichen der Zeit zu erkennen und die richtigen Reformen durchzuführen.
Abgeordneter KEUSCHNIGG (V) forderte die SPÖ nochmals auf, zu den Vorschlägen ihres Obmanns Stellung
zu beziehen. Es wäre eine Katastrophe für den ländlichen Raum, wenn sich die Linie des britischen
Premiers durchsetzen würde. In Österreich mache man hingegen eine richtige Politik, wobei bei weitem
nicht nur die Bauern gefördert würden, sondern alle Bereiche in ausgewogener Weise.
Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) referierte die Standpunkte seiner Fraktion zur Thematik ein und hielt den Regierungsfraktionen
vor, die falschen Ansätze gewählt zu haben, mit denen weder den Bauern und den Beschäftigten noch
der Umwelt effizient gedient sei. Stattdessen brauche es ein strategisches Konzept, um dem ländlichen Raum
zu einer dauerhaft positiven Entwicklung zu verhelfen. Dazu gehöre auch entsprechende Fördergerechtigkeit
und eine Schärfung der ökologischen Zielgenauigkeit, meinte der Redner, der zudem für völlige
Gen-Freiheit beim Saatgut eintrat.
Die beiden Vorlagen wurden mehrheitlich angenommen, der Antrag der Grünen verfiel der Ablehnung. |