Ein Überblick vier Jahre nach der Marktliberalisierung
Wien (wifo) - Vor allem die Industrie, aber auch die privaten Haushalte profitierten in Österreich
zunächst von der Liberalisierung der Strommärkte, die Preise sanken gegenüber einem Alternativszenario
ohne Liberalisierung. Der unterschiedliche Nutzen der beiden Kundengruppen lässt auf eine unterschiedliche
Wettbewerbsintensität der Märkte schließen.
Ein "funktionsfähiger" Wettbewerb hat sich jedoch auf den österreichischen Elektrizitätsmärkten
trotz einer aktuellen Wettbewerbsbelebung (Auseinanderbrechen des "Stromversorgerkartells" aus EnergieAllianz
und Verbundgesellschaft) noch nicht eingestellt. Aufgrund von ungelösten heimischen Strukturproblemen (Vielzahl
von Netzbetreibern und Regelzonen, Doppelrolle der Gebietskörperschaften als Legislativkörper und Eigentümer,
hoher Anteil der Netzgebühren am Endkundenpreis) beließ die Liberalisierung die eingesessenen Stromversorger
im Wesentlichen in ihrer Position als lokale Monopolisten. Weiter erhöht wurde die Marktkonzentration durch
horizontale und vertikale Zusammenschlüsse von öffentlichen Versorgungsunternehmen sowie durch die verzögerte
Umsetzung der rechtlichen Entflechtung von Netzinfrastruktur und Energievertrieb ("Entbündelung").
Die Realisierung der "Liberalisierungsdividende" aus der Marktöffnung erscheint so ernsthaft gefährdet.
Aus Sicht der Wettbewerbspolitik ist die aktuelle Belebung des Wettbewerbs auf den Endkundenmärkten für
elektrische Energie zwar uneingeschränkt zu begrüßen: Die einseitige Sistierung der "österreichische
Stromlösung" durch die Verbundgesellschaft bei gleichzeitigem Wiedereinstieg in den Endkundenvertrieb
für private Haushalte und Industrie bedeutet einen wesentlichen Schritt in Richtung eines funktionierenden
Wettbewerbs. Es wird allerdings im Interesse des Wirtschaftsstandortes Österreich genau zu beobachten sein,
ob die Erhöhung der Wettbewerbsintensität nachhaltig sichergestellt ist.
Um einen funktionsfähigen Wettbewerb auf den österreichischen Elektrizitätsmärkten nachhaltig
zu etablieren, wird deshalb die rasche Umsetzung eines "Wettbewerbsbelebungsprogramms" empfohlen. Im
Einklang mit den Vorschlägen von Wettbewerbs- und Regulierungsbehörde sollte es Maßnahmen zur Erreichung
folgender Ziele enthalten:
- Intensivierung des Wettbewerbs: Umsetzung der rechtlichen Entflechtung von Netzinfrastruktur und Energievertrieb
("Entbündelung") ohne weitere Verzögerung, Herstellung von wettbewerbsfähigen Marktstrukturen
auf den österreichischen Energiemärkten (Strom und Gas) vor allem durch Prüfung der Unternehmensverflechtungen
und -allianzen, Festlegung von nicht diskriminierenden Netzgebühren auf niedrigerem Niveau, welche sowohl
Anreize für den Wettbewerb als auch für Investitionen in die notwendige Infrastruktur setzen.
- Besserstellung der Kunden: Umsetzung von bindenden Standards für Transparenz und Vergleichbarkeit der
Leistungen und Tarife aller Stromversorger, Senkung der Wechselkosten.
- Reduzierung der Stromvertriebskosten, Integration der drei Regelzonen in eine österreichweite Zone.
Quelle: WIFO, Autor: Michael Böheim
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