Aktuelle KfV-Studie zeigt: Zu geringer Sicherheitsabstand und zu hohe
Geschwindigkeit sind Hauptunfallursachen in Autobahn- und Schnellstraßentunnels
Wien (kfv) - Unglücke wie jenes am 29. Mai 1999 im Tauerntunnel haben sich in den letzten Jahren
Gott sei Dank nicht wiederholt. Man hat die Lehren aus dem Horror-Unfall gezogen und die Sicherheit von Straßentunnels
kontinuierlich verbessert. Die Diskussion unter Fachleuten und in den Medien ist aber nach wie vor im Gange, denn
es gibt keinen Grund, sich auf Errungenschaften auszuruhen. Durchschnittlich 88 Unfälle gibt es pro Jahr in
Tunnels, die sich im Verlauf von Autobahnen und Schnellstraßen befinden. Auf dieser Straßenart bedeutet
das einen Unfallanteil von 3,2 Prozent. Deshalb hat das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) - im Auftrag
des BMVIT - auch heuer einen Sicherheitsvergleich angestellt. Untersucht wurden dabei das Unfallaufkommen und die
Unfallursachen in 130 österreichischen Tunnels (ab einer Länge von 200 Metern) mit und ohne Gegenverkehr
im Verlauf von Autobahnen und Schnellstraßen. Neben der Gegenüberstellung zu anderen Straßenarten
wurden auch Empfehlungen für eine weitere Steigerung der Tunnelsicherheit ausgearbeitet.
Tunnel: Wenige Unfälle, aber hohe Verletzungsschwere
Die europäische Studie SARTRE (Social Attitudes to Road Traffic Risk in Europe) hat ergeben, dass
sich 25 Prozent der österreichischen Autofahrer davor fürchten, durch einen Tunnel zu fahren. "Tatsächlich
ist die Wahrscheinlichkeit, im Tunnel zu verunglücken, wesentlich geringer als auf Autobahnen, Schnell- und
Landesstraßen im Freiland", merkt Studienautor DI Klaus Robatsch an. Auf Landesstraßen im Freiland
ereignen sich bei gleicher Fahrleistung etwa vier Mal mehr Unfälle. "Wenn in einem Tunnel ein Unfall
passiert, fällt er allerdings wesentlich schwerer aus", weiß Robatsch. "Das Risiko, bei einem
Tunnelunfall getötet zu werden, ist etwa doppelt so hoch wie auf Autobahnen." Dadurch schnellt auch die
Unfallkostenrate in die Höhe: Während sie auf Autobahnen zehn Euro pro 1.000 Fahrzeugkilometern beträgt,
liegt sie im Tunnel bei 15,2 Euro.
Mehr Verkehrssicherheit in Tunnels mit Richtungsverkehr
Gegenverkehr-Tunnels sind meistens vier bis fünf Mal so lang wie Röhren, durch die nur Richtungsverkehr
fließt. Deshalb wurden für den Vergleich dieser zwei Arten ausschließlich Tunnels mit mehr als
einem Kilometer Länge herangezogen. An den Unfällen pro 1.000 Fahrzeugkilometer gemessen liegen Gegen-
und Richtungsverkehrstunnel etwa gleich auf. Ganz anders sieht es aber bei Verletzungsschwere und Unfallkosten
aus. "Dass Tunnels, die nur in eine Richtung verlaufen, eindeutig verkehrssicherer sind, wird vor allem an
der Zahl der Getöteten deutlich", erläutert Robatsch. "Mit rund 17 Toten pro einer Milliarde
Fahrzeugkilometer ist die Getötetenrate in Tunnels mit Gegenverkehr mehr als doppelt so hoch wie in Richtungsverkehrtunnels.
Dort liegt die Rate bei etwa acht Toten pro Milliarde gefahrener Kilometer."
Am gefährlichsten: Das Tunnelportal
Das Portal ist die heikelste Stelle eines Tunnels. Sowohl bei Gegen- als auch Richtungsverkehrstunnels
ist die Unfallrate hier am höchsten und bei beiden Arten fällt auch der hohe Anteil der Alleinunfälle
im Portalbereich auf. Zu 86 Prozent werden diese Unfälle von Pkw-Lenkern verursacht. "Meistens ist dabei
überhöhte Geschwindigkeit im Spiel", erklärt Robatsch. Kritisch ist vor allem bei Tunnels mit
Gegenverkehr auch der so genannte "Vor- und Nachlauf" - damit ist der etwa 250 Meter lange Bereich vor
dem Portal und nach der Tunnelausfahrt gemeint. Im Vorlauf wird der Richtungsverkehr in den Gegenverkehr übergeleitet.
Die damit zusammenhängende Geschwindigkeitsreduktion scheinen viele Autofahrer nicht im Griff zu haben, da
54 Prozent der Unfälle, die an dieser Stelle passieren, Auffahrunfälle sind.
Auf geringe Abstände, Rückstaus und Missachtung der Tunnelampel ist es zurückzuführen, dass
der Anteil der Auffahrunfälle in der Einfahrt - also 50 bis 150 Meter nach dem Portal - bei Gegenverkehrtunnels
auf 60 Prozent steigt. Begegnungsunfälle ereignen sich in Tunnels mit Gegenverkehr hauptsächlich in der
Tunnelmitte, trotzdem ist aber auch an dieser Stelle jeder zweite Unfall ein Auffahrunfall. Bei der Frage nach
der Vollschuld an Auffahrunfällen zeigt sich, dass jeder fünfte Unfall von einem Lkw verursacht wurde,
an Begegnungsunfällen sind Lkw - wahrscheinlich wegen ihres größeren Platzbedarfs - sogar zu etwa
einem Drittel schuld.
Auch in Richtungsverkehrtunnels kommen Auffahrunfälle aufgrund zu geringer Sicherheitsabstände am häufigsten
vor, wobei besonders im Einfahrtsbereich und der Tunnelmitte der höchste Anteil verzeichnet wird.
Hauptunfallursache mangelnde Wachsamkeit
Sucht man nach der Ursache von Allein- und Auffahrunfällen, so zeigt sich, dass bei beiden Unfallarten
mangelnde Wachsamkeit in etwa zwei Drittel der Fälle der Auslöser war - wobei Tunnels mit Gegenverkehr
besonders hervorstechen. Vor allem in der Tunnelmitte scheint die Konzentration stark nachzulassen. Fehlverhalten
des Lenkers in Form von zu geringem Sicherheitsabstand, Überholen oder Spurhaltung ist die zweithäufigste
Unfallursache und häuft sich vor allem im Vor- und Nachlauf sowie in der Tunnelmitte. "Vor allem in Gegenverkehrtunnels
ist Fehlverhalten ein besonders gravierendes Problem, da hier zusätzlich die Gefahr von Frontalkollisionen
gegeben ist", merkt Robatsch an.
In Tunnels mit Richtungsverkehr liegen mangelnde Wachsamkeit und Fehlverhalten des Lenkers mit etwa je einem Viertel
als Ursachen gleich auf, gefolgt von Fehleinschätzungen des Lenkers in punkto Straßenführung, Witterung
und anderen Fahrzeugen. Vor allem im Portalbereich lösen außerdem zu hohe Geschwindigkeiten zahlreiche
Unfälle aus.
Sicherheitsrisiko Verkehrsmoral
"Die Analyse der Tunnelunfälle hat gezeigt, dass nicht der Tunnel an sich, sondern die oft niedrige
Verkehrsmoral das Hauptproblem ist", zieht Dr. Othmar Thann, Direktor des Kuratoriums für Verkehrssicherheit
(KfV), den Schluss aus der Untersuchung. "Jeder zweite Tunnelunfall ist auf zu geringen Sicherheitsabstand
zurück zu führen und viele Unfälle ließen sich vermeiden, indem man einfach vom Gas geht."
Da zu hohe Geschwindigkeiten vor allem im Vorlauf und Portalbereich ein Problem sind, würden sich etwa 250
Meter vor dem Tunnel Section Control Anlagen anbieten. Abstandsmessgeräte und Radargeräte wären
eine alternative Lösung. Um die Folgen von Alleinunfällen im Portalbereich abzuschwächen, könnten
Anpralldämpfer zum Einsatz kommen. Speziell bei Gütertransporten sollten das Geschwindigkeits- und Abstandsverhalten,
Gewicht und Ladungssicherung vor Tunnels stärker überprüft werden.
Weit schwieriger gestalten sich wahrscheinlich Maßnahmen gegen die Hauptunfallursache "mangelnde Wachsamkeit".
"Um hier gegen zu steuern, müssten die Ruhezeiten von Lkw-Lenkern und die Fahrtüchtigkeit von Pkw-Fahrern
intensiver kontrolliert werden", fordert Thann. "Parallel dazu müssen wir der Öffentlichkeit
ins Bewusstsein rufen, welche fatalen Folgen Übermüdung, Ablenkung oder Alkoholisierung in einem Tunnel
haben können." Dabei sollte auch transportiert werden, wie man sich bei Unfällen, Pannen und Bränden
richtig verhält. Denn wie die Vergangenheit gezeigt hat, entscheidet das richtige Verhalten in den meisten
Fällen über Leben und Tod. |