Brüssel (europarl) - Nach einer geringfügigen Beschleunigung im ersten Quartal des Jahres, hat
sich das BIP-Wachstum im zweiten Quartal geringfügig auf 0,3 % verlangsamt, doch gibt es Anzeichen dafür,
dass die Erholung im Eurogebiet im zweiten Halbjahr 2005 an Fahrt gewinnt. Das Unternehmervertrauen nimmt zu, die
Industrieproduktion hat angezogen, und die Weltwirtschaft hat ihre zu Jahresbeginn verzeichnete vorübergehende
Schwäche überwunden. Dennoch haben die hohen Ölpreise nach dem Eurogebiet-Quartalsbericht bei der
Wirtschaft ihren Tribut gefordert und bleiben kurzfristig eine der Hauptquellen der Unsicherheit. In der “Focus
Section” liefert der Bericht Gründe für weitere Strukturreformen, indem er argumentiert, dass sie neben
der Steigerung des Wachstumspotenzials auch dazu beitragen, das Eurogebiet auf eine seit langem befürchtete
ungeregelte Korrektur der globalen Leistungsbilanzungleichgewichte besser vorzubereiten.
Nach einem im ersten und zweiten Quartal verzeichneten Anstieg es Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,4 % bzw. 0,3
% – eine (immer noch bescheidene) Verbesserung gegenüber dem letzten Quartal 2004 – gibt es nach dem Eurogebiet-Quartalsbericht
der Kommission Anzeichen für eine Beschleunigung der Wirtschaftstätigkeit in der zweiten Jahreshälfte
2005.
Faktoren wie die Festigung des Unternehmervertrauens, eine Zunahme der Industrieproduktion und anhaltend günstige
Finanzierungsbedingungen deuten darauf hin, dass die Erholung im Eurogebiet an Fahrt gewinnt.
Insbesondere infolge des steilen Ölpreisanstiegs überwiegen jedoch die Abwärtsrisiken. Der Preis
für Brent-Rohöl (in Euro) hat sich seit Jahresbeginn um fast 70 % verteuert und dürfte vor allem
angesichts der starken Nachfrage hoch bleiben. So deuten die Preise der gegenwärtigen Terminkontrakte darauf
hin, dass sich der Ölpreis mittel- bis langfristig bei über 60 Dollar halten wird. Dies erhöht die
Gefahr inflationärer Spannungen, auch wenn die Kerninflation (Inflationsrate unter Ausschluss der Preise für
unverarbeitete Nahrungsmittel und Energie) seit Juni unverändert ist und die Preiserhöhungen beispielsweise
im Verkehrssektor durch Preissenkungen bei anderen Verbrauchskategorien wie Kleidung und Freizeitdienstleistungen
ausgeglichen werden.
Positiv zu vermelden ist, dass die Importe der ölexportierenden Länder zugenommen haben. Davon profitieren
die Exporteure aus dem Eurogebiet, die ihre Verkäufe an die OPEC-Staaten, nach Norwegen und in die Gemeinschaft
Unabhängiger Staaten seit Anfang 2003 mehr als verdoppelt haben. In demselben Zeitraum sind die Gesamtausfuhren
des Eurogebiets um 25 % angestiegen.
Auf der Verbraucherseite deuten gesicherte Daten darauf hin, dass der Verbrauch – wenn man die Einzelhandelsdaten
zugrunde legt - nach wie vor nicht richtig in Schwung kommt. Allerdings gibt der Automobilabsatz (der in den Daten
nicht enthalten ist) Grund zu mehr Optimismus, da die Neuzulassungen im Juni ihren höchsten Stand seit April
2001 erreichten. Auch bei der Arbeitslosenquote war ein leichter Rückgang von 8,8 % im April auf 8,6 % im
Juli zu verzeichnen.
Der dritte Quartalsbericht macht auch deutlich, dass die globalen Leistungsbilanzungleichgewichte einen weiteren
Risikofaktor für die Wirtschaft des Eurogebiets darstellen. 2004 verzeichneten die Vereinigten Staaten ein
Leistungsbilanzdefizit von 670 Mrd. USD bzw. 5,7 % des BIP, dem Überschüsse in Ostasien und Nahost gegenüberstanden.
Demgegenüber ist die Leistungsbilanz des Eurogebiets in etwa ausgeglichen .
Eine ungeregelte Beseitigung dieses Defizits, das eine nie da gewesene Dauer und Höhe erreicht hat, könnte
eine starke Abwertung des Dollars und eine Rezession in den USA nach sich ziehen, mit erheblichen Auswirkungen
auf das weltweite Wachstum. Der Bericht zeigt, dass das Eurogebiet nur einen begrenzten Beitrag zur Verringerung
der globalen Ungleichgewichte leisten kann. Stattdessen sollte es weitere Strukturreformen verfolgen, um die Wirtschaft
in die Lage zu versetzen, externe Schocks besser zu verkraften, sowie das eigene Wachstum steigern.
Schließlich weist der Bericht auch darauf hin, dass die Renditen für Staatsanleihen und die Risikoprämien
für Industrieanleihen auf einen historischen Tiefstand gesunken sind. Durch den Anstieg der Aktienkurse und
die Verbesserung der Kreditbedingungen ergibt sich alles in allem das Bild einer weiteren Lockerung der Konditionen
für langfristige Finanzierungen im Eurogebiet in Verbindung mit ersten Anzeichen einer Belebung der Nachfrage
der Unternehmen nach externen Mitteln und einer anhaltend raschen Zunahme der Kredite an private Haushalte. |