EU-Gerichtshof kippt Oberösterreichs Gentechnik-Verbot  

erstellt am
06. 10. 05

Klage gegen EU-Kommission in allen Punkten abgewiesen
Luxemburg/Wien (aiz.info) - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das flächendeckende Verbot zum Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) in Oberösterreich endgültig gekippt. Die Luxemburger EU-Richter gaben am Mittwoch (05. 10.) in ihrem Urteil in allen von Oberösterreich beanstandeten Punkten der EU-Kommission Recht. Diese hatte bereits 2003 den Antrag abgelehnt, das gesamte Bundesland zur gentechnikfreien Zone zu erklären. Das Urteil gilt als richtungweisend für die Möglichkeit der EU-Regionen, selbst Verbote für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zu erlassen.

Einwände der EU-Lebensmittelbehörde nicht widerlegt
Oberösterreich und die Republik, die die Klage unterstützte, hätten keinen Beweis erbracht, "um die Ergebnisse der EFSA (der EU-Lebensmittelbehörde) zu widerlegen, nach denen die Republik Österreich nicht nachgewiesen habe, dass das Gebiet des Landes Oberösterreich über ein ungewöhnliches oder einzigartiges Ökosystem verfüge", heißt es laut APA in dem Urteil des EuGH. Die EU-Kommission hatte sich in ihrer Entscheidung auf das EFSA-Gutachten berufen.

In seiner Klage gegen die EU-Kommission hatte Oberösterreich unter Berufung auf ein Gutachten des Genetechnikexperten von Global 2000, Werner Müller, argumentiert, dass ein Nebeneinander von Gentechnikanbau und biologischer beziehungsweise konventioneller Landwirtschaft auf Grund der klein strukturierten Landwirtschaft nicht möglich sei. "Als sie in der mündlichen Verhandlung dazu aufgefordert wurden, sich zum Umfang des von GVO ausgehenden Problems im Gebiet des Landes Oberösterreich zu äußern, waren die Kläger nicht in der Lage, anzugeben, ob das Vorhandensein solcher Organismen überhaupt festgestellt worden war", stellte der EuGH fest.

Auch die anderen Klagegründe verwarfen die EU-Richter. So hätten Oberösterreich und die Republik Österreich nicht nachweisen können, von der Kommission nicht angehört worden zu seien. Auch habe die EU-Kommission ihre Entscheidung von 2003 hinreichend begründet. Zum vierten von Oberösterreich beanstandeten Klagepunkt, wonach die EU-Behörde das Vorsorgeprinzip verletzt habe, entschied der EU-Gerichtshof: Der Einwand sei "nicht geeignet, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu führen". Die Entscheidung der EU-Kommission sei "fehlerfrei" gewesen. "Somit konnte die Kommission den von ihr vorgelegten Antrag jedenfalls nur ablehnen", wird betont.

Chronik des Kampfes "David gegen Goliath"
Der nunmehr gescheiterte Versuch, mit einem Verbotsgesetz die Aussaat und die Anpflanzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu verhindern, ist aus der Sicht Oberösterreichs mit dem Kampf von "David gegen Goliath" zu vergleichen: Eine EU-Region kämpft gegen die Zentrale in Brüssel. Seit einiger Zeit gibt es aber in dieser Frage wachsende Unterstützung von weiteren Regionen.

In Oberösterreich hatte es, wie berichtet, im Jahr 2002 eine All-Parteien-Einigung über ein befristetes Verbotsgesetz gegeben, wonach Anbau und Aussaat von GVO auf dem gesamten Landesgebiet verboten werden sollen. Begründet wurde es damit, dass viele Risiken noch ungeklärt seien, deshalb sollte es keine vorschnelle Aussaat geben. Weiters sei das Selbstbestimmungsrecht der Regionen beim Anbau notwendig. Die Absicht, dieses Verbotsgesetz zu machen, wurde "notifiziert" - also bei der EU angezeigt.

Am 02.09.2003 verweigerte die EU-Kommission die Notifikation des Verbotsgesetzes. Sie begründete ihr Veto mit einer Verletzung der EU-Wettbewerbsregeln und argumentierte, dass alle Sicherheitsfragen rund um den Gentechnikeinsatz von der EU bereits im Zulassungsverfahren ausreichend geprüft worden seien.

Am 04.11.2003 reichte Oberösterreich beim Europäischen Gerichtshof Nichtigkeitsklage ein und argumentierte, dass es keine ausreichende Risikoprüfung vor der Zulassung des GVO-Saatgutes gegeben hätte. Das Land habe keine Möglichkeit gehabt, in diesem Zulassungsverfahren mitzuwirken. Weiters verwies Oberösterreichs darauf, dass ein Nebeneinander von Gentechnik-Saaten, konventionellem Anbau und Bio-Landwirtschaft in einem klein strukturierten Agrarland wie Oberösterreich technisch gar nicht möglich sei, weshalb die Existenz gentechnikfrei produzierender Betriebe ohne das vom Land angestrebte "Aussaat-Verbotsgesetz" ernsthaft bedroht sei.

Am 17.03.2005 fand eine mündliche Verhandlung vor dem EuGH statt. Dieser folgte schlussendlich den Argumenten Oberösterreichs nicht. Die Region hat somit den Kampf "David gegen Goliath" verloren. Aber in der Zwischenzeit hat das Bundesland eine europäische Allianz gentechnikfreier Regionen gebildet, der derzeit 30 angehören. Sie treten unter der Führung von Oberösterreich und der Toskana für das Selbstbestimmungsrecht beim Einsatz von Gentechnik ein.
     
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