Paris (esa) - Seit dem 1. Oktober 2005 ist die zweite Versuchsreihe der Women's International Space Simulation
for Exploration (WISE – Internationale Forschungsstudie an Frauen zur Weltraumsimulation) voll angelaufen. Alle
zwölf an den Versuchen teilnehmenden Frauen liegen nun in Betten, bei denen das Kopfende um 6° gegenüber
der Horizontalen abgesenkt ist, sodass sie mit dem Kopf etwas tiefer als mit den Füßen liegen. 60 Tage
lang werden die Teilnehmerinnen sämtliche Tätigkeiten aus dieser Position heraus verrichten. Das andauernde
Beibehalten dieser Stellung mit nach unten abgesenktem Kopf führt zu physiologischen Veränderungen, wie
sie auch bei Astronauten während eines Weltraumfluges auftreten. Mit der Studie wird der Einfluss der Ernährung
und des körperlichen Trainings auf die negativen Effekte eines längeren Aufenthalts in der Schwerelosigkeit
erforscht, die durch die Bettruhe simuliert wird.
Die ersten Teilnehmerinnen dieser zweiten Versuchsreihe sind am 6. September 2005 in der MEDES-Weltraumklinik im
Rangueil-Krankenhaus in Toulouse (Frankreich) eingetroffen, in der die Studie durchgeführt wird. Vor Beginn
der 60-tägigen Bettruhe wurden erst 20 Tage lang medizinische Daten erhoben, um eine Vergleichsbasis für
die während der Studie gewonnenen Daten zu schaffen. Die ersten Teilnehmerinnen konnten daher am 26. September
ihre Betten mit nach unten abgesenktem Kopfende beziehen.
Diese zweite Versuchsreihe war bei Frauen in ganz Europa auf Interesse gestoßen. Zwölf der Bewerberinnen
wurden als Studienteilnehmerinnen ausgewählt. Sieben davon kommen aus Frankreich, drei aus Finnland, eine
aus der Schweiz und eine aus Großbritannien. Die Testpersonen wurden in drei Gruppen zu je vier Personen
eingeteilt. Eine Gruppe ist die so genannte Referenzgruppe, die während der Zeit ihrer Bettruhe keine besondere
Behandlung erfährt. Die zweite Gruppe absolviert während ihrer Bettruhe ein spezielles Trainingsprogramm.
Die dritte Gruppe erhält während der 60-tägigen Bettruhe eine spezielle Zusatznahrung.
„Ich freue mich, dass jetzt die zweite Versuchsreihe begonnen hat,” sagte Peter Jost, Projektmanager der ESA für
die WISE-Studie. „Auch wenn es noch zu früh ist, um sichere Schlussfolgerungen zu ziehen, haben die Ergebnisse
der ersten Reihe doch gezeigt, dass die angewandten Gegenmittel positive Effekte auf die Gesundheit unserer Testpersonen
hatten. Das spezielle Trainingsprogramm scheint die Aufrechterhaltung der Fähigkeit zu körperlichen Ausdauerleistungen
(aerobe Leistungsfähigkeit) zu unterstützen und half bei Beendigung der Bettruhe, die orthostatische
Toleranz zu erhalten, d.h. die Fähigkeit, sich ohne Schwindelgefühl in eine aufrechte Position zu begeben.
Beide Gegenmittel scheinen die Insulinresistenz zu reduzieren. Überraschend war das Ergebnis, dass die Zusatznahrung
einen Schutzeffekt für das kardiovaskuläre System zu haben scheint. Wir brauchen aber diese zweite Versuchsreihe,
bevor wir valide Ergebnisse vorlegen können, auch für die anderen Forschungsziele der zwölf verschiedenen
Versuchsabläufe. Diese Ergebnisse müssen auf einer statistischen Signifikanz basieren und werden in wissenschaftlichen
Zeitschriften veröffentlicht.”
Während der 20-tägigen Rehabilitationsphase, die auf die Bettruhe folgt, absolvieren die Teilnehmerinnen
ähnliche Tests wie vor Beginn der Bettruhe, zwecks Vergleich der dabei gewonnenen Daten mit den Basisdaten.
Die mit der WISE-Studie gewonnenen Daten werden Schlussfolgerungen zu Themen wie dem Zustand der Muskeln und des
Herz-Kreislauf-Systems, den Blutparametern, der Bewegungskoordination, Veränderungen des Immunsystems, der
Knochenbildung und dem psychologischen Befinden möglich machen.
Die aus der WISE-Studie erwarteten Ergebnisse werden einen wertvollen Beitrag zur Planung langfristiger Aufenthalte
von Menschen im Weltraum liefern. Diese Forschungstätigkeit ist aber auch für irdische Zwecke von klinischer
Bedeutung, da sie den Wissensstand zur Bettlägerigkeit von Patienten erweitert und Möglichkeiten zu ihrer
besseren Unterstützung bei der Rehabilitation aufzeigt. Die Erforschung der ersten Auswirkungen einer reduzierten
körperlichen Aktivität auf molekularer Ebene soll auch weitere Beweise zum Nutzen regelmäßiger
körperlicher Aktivitäten bei der Vermeidung von Krankheiten wie Typ 2-Diabetes und hohem Blutdruck liefern.
Die WISE-Studie ist ein gemeinsames Wissenschaftsprojekt der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), der
französischen Raumfahrtagentur (CNES), der amerikanischen Weltraumbehörde (NASA) und der kanadischen
Raumfahrtagentur (CSA). Die Versuchsabläufe wurden von einer internationalen Wissenschaftlergruppe entwickelt.
MEDES, das französische Institut für Weltraummedizin und Physiologie, hat die Testpersonen ausgewählt
und stellt die medizinischen und technischen Mitarbeiter sowie die Pflegekräfte, die zur Unterstützung
der Versuche nötig sind. |