Innsbruck (universität) - Der Brenner ist ein Ort von internationaler Bedeutung. Bekannt ist er nicht
nur als der meist befahrene Alpenpass sondern auch als eine der vormals schwierigsten Grenzen Europas. Die Ausstellung
ist eine Gemeinschaftsarbeit des Archivs für Baukunst und des Kuratoriums für technische Kulturgüter
in Südtirol. Sie thematisiert nun erstmals das Bauensemble rund um den ehemaligen Schlagbaum.
Die Entstehungsgeschichte des Gebäudeensembles an der sogenannten Schicksalsgrenze von 1918 und der Veränderungsprozess
des Grenzortes bis zur Aufhebung der Kontrollen durch das Schengener Abkommen 1998 werden im politischen und kulturellen
Kontext dargestellt. Historische und aktuelle Fotografien, Pläne und Dokumente geben Einblick in eine Alltagskultur
jenseits von gewohnter Alltäglichkeit und Normalität.
Über den Brenner waren schon im Mittelalter Kaiser und Könige zur Krönung nach Rom gezogen. Die
Zolleinnahmen aus dem Warenverkehr bereicherten zuerst die Grafen von Tirol und dann die Fugger. Die Brenner-Eisenbahn
von 1867 bewirkte den mächtigen Aufschwung des Fremdenverkehrs, Gossensaß und der Brenner lockten mit
einem mondänen Badebetrieb bereits zu Zeiten der österreichischen Monarchie ein prominentes Publikum
an, von Henrik Ibsen bis Richard Strauss und Franz Lehar.
Nach dem Ersten Weltkrieg fielen Südtirol und der Brenner an Italien: Die Annexion wurde mit dem Frieden von
Saint Germain 1919 endgültig besiegelt. Der neue Grenzstein wurde im Oktober 1921 enthüllt. Aus der friedlichen
und idyllischen Passlandschaft wurde der Brenner zu einem Ort von strategischer und politischer Bedeutung. Die
unter dem Mussolini-Regime entstandenen Grenzbauten wurden nach den Südtiroler Sprengstoffanschlägen
vom Juni 1961, als am Brenner auch zeitweise eine Visumpflicht für einreisende Österreicher verhängt
wurde, zur Grenzbastion mit massiver Polizeipräsenz hochgerüstet. Erst die Lockerung der Kontrollmaßnahmen
in den siebziger Jahren begünstigte einen Boom der Brennermärkte mit Lebensmitteln und Billigwaren. Der
Transitraum, ein beliebter Haltepunkt und florierender Warenumschlagplatz, hat sich mit der Fertigstellung der
Autobahn 1972 als Tor zum Süden bei Millionen von Reisenden eingeprägt.
Der Grenzabbau und die Einführung des Euro in der Europäischen Union haben die Jahrhunderte alte Zoll-,
Tausch- und Verkehrsstation am Brenner lahm gelegt, Läden und Märkte haben ihre ehemalige Anziehungskraft
verloren. Der Bau des Brennerbasistunnels wird voraussichtlich auch den Bahnhof zum regionalen Haltepunkt degradieren.
Der durch die Brennerbahn einst florierende Höhenkurort Brennerbad hat längst seine touristische Bedeutung
verloren. Die Einwohnerzahl ist auf ein Zehntel gesunken. Derzeit vermittelt der Brenner einen trostlosen Eindruck
inmitten der spektakulären Hochgebirgslandschaft am Alpenhauptkamm. Dieser "Unort" Brenner ist
heute eine Stätte, die nicht mit anderen anonymen Bauzonen, Verkehrszentren und Gewerbegebieten zu vergleichen
ist. Die Vergangenheit des Brenners liefert genügend Argumente sich behutsam und sorgfältig auch um seine
Zukunft zu kümmern. Der denkmalpflegerische Sonderfall "Geschichtsort" ist nicht nur im Ensembleschutzgedanken
gut verankert, es kommt ihm auch in einer allgemeinen Kulturdebatte ein Stellenwert zu, den man mit Gedenkstätte
und Erinnerungsort zu beschreiben hat und den es zu einem seriösen Fortbestand zu verhelfen gilt.
Die Ausstellung im Archiv für Baukunst in Innsbruck will mit der Dokumentation den geschichtsträchtigen
Ort im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern. Die unterschiedlichen Bauten reichen vom Lokschuppen aus
dem 19. Jahrhundert und der Militärkaserne aus den zwanziger Jahren bis zur Kirche und zur Autobahn-Zollstation
der sechziger und siebziger Jahre. Die künftige Funktion und Gestalt der Bauten und der Landschaft am Brenner
mit seiner herben Romantik wird eine erfolgversprechende Zukunft haben, wenn die Planungen von einem umfassenden
kulturellen und wirtschaftlichen Ansatz getragen werden.
Grenze-Brenner-Pass
Eine Ausstellung des Archivs für Baukunst der Universität Innsbruck und des Kuratoriums für
technische Kulturgüter in Südtirol im Archiv für Baukunst
Lois Welzenbacher Platz 1 im Adambräu
6020 Innsbruck
7. Dezember 2005 - 31. Jänner 2006
Di-Fr 11.00-18.00, Sa 11.00-17.00, Do 11.00-21.00 Uhr
Parallel zur Ausstellung in Innsbruck werden Plakate mit Fotografien von Christof Lackner auf den Raststätten
der Brennerautobahn von Brenner bis Modena gezeigt. Als Publikation erscheint: (Grenze) Brenner-Pass mit
einem vollständigen Bautenglossar Hrsg. von Wittfrida Mitterer, Athesia-Verlag Bozen mit Beiträgen von
Othmar Barth, Günther Ennemoser, Ettore Frangipane, Umberto Gandini, Rainer Graefe, Horst Hambrusch, Magdalena
Weingartner-Hörmann, Herlinde Menardi, Wittfrida Mitterer, Roland Riz, Hugo Senoner, Gunther Waibl. |