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Sonnenenergie billiger als Öl und Gas durch neuartiges Solarthermie-System |
erstellt am |
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Kassel (universität) - Weltweit einmalig hat ein Wissenschaftlerteam
der Universität Kassel eine solarthermische Anlage zur Wassererwärmung entwickelt, die tags und nachts
funktioniert und Energie unterhalb der Preise fossiler Brennstoffe bereitstellt. Das so genannte Multikomponenten-System
erreicht dies, weil es neben der Sonneneinstrahlung auch die Luftwärme nutzt. Entwickler der Anlage ist die
Forschergruppe um den promovierten Physiker Professor Klaus Vajen vom Institut für Thermische Energietechnik.
Derzeit wird das Multikomponenten-System in einem deutsch-kirgisischen Kooperationsprojekt auf einem Heizwerk in
der kirgisischen Hauptstadt Bishkek erprobt. Es wird dort maßgeschneidert auf klimatische und technologische
Bedingungen in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Fernziel der Wissenschaftler ist es, bis zum Ende des Jahrzehnts
in Kirgisistan die größte solarthermische Anlage der Welt zu bauen. Eine chancenreiche Entwicklungsperspektive
für die Rohstoff arme Kirgisische Republik, aber auch für den deutschen Export. Das Projekt wird von
der VolkswagenStiftung mit 360 000 Euro gefördert. Das Multikomponenten-System ist derzeit als Experimentieranlage auf dem Dach und an der Fassade eines Fernwärmeheizwerkes in Bishkek angebracht. Mit Hilfe moderner Simulations- und Optimierungsmethoden wird daran gearbeitet, seine Effizienz weiter zu erhöhen und es für eine kommerzielle Anwendung fit zu machen. Das System besteht aus drei Komponenten: Einem Luftkollektor, einem Luft-Wasser-Wärmeübertrager und einem wasserdurchströmten Solarkollektor. Diese drei Einheiten sind miteinander gekoppelt, so dass sich ihre Wirkung tagsüber addiert. Der Luftkollektor macht den Anfang in der Serie: Er sieht aus wie ein schwarzer Heizkörper, durch den über mehrere Lochleisten Luft nach innen gesogen wird. Über die absorbierte Sonneneinstrahlung heizt sich die Umgebungsluft bis auf 45° Celsius auf. Ein Ventilator bläst diese Luft weiter in einen Block, so groß wie ein Kleiderschrank. Das ist der Luft-Wasser-Wärmeübertrager, die zweite Komponente. Die eingeblasene Luft erwärmt hier Grundwasser, das durch dünne Kupferrohre fließt, von 12° auf etwa 20° Celsius. In der dritten Komponente, dem wasserdurchströmten Solarkollektor, läuft das Wasser durch einen dichten Teppich schwarzer Gummischläuche. Die Absorption der Sonnenstrahlen bringt die Austrittstemperatur des Wassers hier auf etwa 35° Celsius. Das durchgeleitete Fernwärmewasser wird danach zwar noch konventionell weiter auf 60° Celsius erhitzt. Vorgewärmt durch die solarthermische Experimentieranlage muss dafür aber ein Drittel weniger fossiler Energieträger, wie Kohle, Gas oder Öl, verbrannt werden. Wenn nachts der Solar- und der Luftkollektor keine Wirkung mehr erzielen, stellt der Luft-Wasser-Wärmeübertrager immer noch Energie bereit. So erbringt die Anlage auch nachts etwa ein Viertel ihrer Spitzenleistung am Tage. Der Luft-Wasser-Wärmeübertrager nutzt die Umgebungsluft, die am Tag zuvor von der Sonne erwärmt wurde und die sich im sommerheißen Kontinentalklima Kirgisistans auch nachts nur wenig abkühlt. Beispiellos preiswerte Sonnenenergie Das Multikomponenten-System nutzt durch seine neuartige serielle Schaltung die lokalen geoklimatischen und technologischen Bedingungen in einer bisher beispiellosen Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Dadurch kann es eine Kilowattstunde Sonnenenergie zum Preis von lediglich ein bis zwei Cent bereitstellen. Das ist etwas weniger, als Energie aus fossilen Brennstoffen, wie Kohle oder Gas, auf Großhandelsebene kostet. Die Kosten für Energie aus konventionellen solarthermischen Anlagen liegen bisher noch weitaus höher. So preiswert kann Sonnenenergie mit dem Multikomponenten-System allerdings nur gewonnen werden, wenn ein günstiges Klima mithilft und die Anlage in einem so genannten offenen Fernwärmenetz arbeitet: In riesigen zentralen Fernheizwerken wird das kalte Trinkwasser erhitzt und über unterirdische Leitungen in die Häuser gepumpt, wo es direkt zum Duschen oder Wäsche waschen verbraucht wird. Dass dadurch in den Fernwärmekraftwerken kontinuierlich große Mengen sehr kalten Frischwassers erwärmt werden müssen, begünstigt den Wirkungsgrad des Multikomponenten-Systems. Offene Fernwärmenetze findet man nicht nur in Kirgisistan sondern in allen ehemaligen Sowjetrepubliken, der heutigen Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS). Fernziel: Weltgrößte solarthermische Anlage Noch erwärmt die Experimentieranlage in Bishkek nur einen Bruchteil des Warmwasserausstoßes des Fernwärmeheizwerkes. Doch damit will sich die Kasseler Forschergruppe nicht zufrieden geben: "Wir planen mit deutscher Technologie in Kirgisistan als Fernziel die weltgrößte solarthermische Anlage zu bauen", sagt Elimar Frank, Projektkoordinator des Multikomponenten-Systems. In Bishkek könnten wir eine Anlage mit einer Größe von zehn Fußballfeldern bauen, die zum konkurrenzlos günstigen Energiepreis im Sommer alles Wasser des Fernheizwerkes vorwärmt. Die bisher größte Anlage im dänischen Marstall auf der Insel Aero misst nur vier Fußballfelder. Flächendeckend in Kirgisistan angewendet, könnte das Land deutlich weniger fossile Brennstoffe verbrauchen als bisher: Ein Plus für den Geldbeutel und die Umwelt. Importiert werden soll jedoch deutsche Solartechnologie nur für ein Übergangsstadium. Mittelfristig wollen die Kasseler Wissenschaftler die Entwicklung und den Bau solarthermischer Anlagen in Kirgisistan selbst verankern. "Es ist unser Ziel, dass die Kirgisen eine solarthermische Multikomponenten-Anlage mit Fachkräften, Technologie und Materialien aus ihrem Land bauen. Sie könnten die Anlage sowohl selbst nutzen als auch auf dem russischen Markt anbieten", sagt Professor Dr. Klaus Vajen. Daher wird derzeit auf der Grundlage der deutscher Technik ein zweites System entwickelt, dass allein aus kirgisischen Komponenten besteht. Hierbei arbeiten die Kasseler mit dem halbstaatlichen kirgisischen Institut für die Erforschung Erneuerbarer Energien KUN und der Kirgisischen Technischen Universität in Bishkek zusammen. Informationen: http://www.uni-kassel.de/ |
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