Vortrag von Außenministerin Ursula Plassnik im Berner Rathaus am 4. November 2005
Bern (bmaa) - Außenministerin Ursula Plassnik hielt am 4. November im Berner Rathaus einen Vortrag
über die Erfahrungen Österreichs als EU-Mitglied und die Perspektiven der österreichischen EU-Präsidentschaft
2006. Einleitend würdigte sie die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen: "Gute Nachbarschaft ist eine
Kunst, die des laufenden Engagements bedarf. Wir sind dankbar für diese gute Zusammenarbeit mit der Schweiz."
Plassnik skizzierte zunächst die positiven Auswirkungen der 10-jährigen EU-Mitgliedschaft auf Österreichs
Wirtschaft, wo die Ergebnisse am besten nachvollziehbar seien. Österreich sei wettbewerbsfähiger geworden,
habe einen Öffnungs- und Internationalisierungsschub erfahren und als Wirtschaftsstandort an Attraktivität
gewonnen. Die Exporte haben sich verdoppelt. 70 000 zusätzliche Arbeitsplätze seien geschaffen worden.
Der Befürchtung einer 'Überschwemmung des Arbeitsmarktes' habe man durch Übergangsfristen und andere
Maßnahmen entgegen wirken können.
Die wichtigste Veränderung sei für Österreich die Befreiung aus einer Peripherielage gewesen. Die
EU-Mitgliedschaft habe einen Sicherheitsgewinn gebracht, besonders durch verbesserte Zusammenarbeit beim Grenzschutz
und bei der Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung. "Aber etwa auch bei Naturkatastrophen oder
Epidemien sind wir aufeinander angewiesen und werden in Zukunft gemeinsam deutliche Akzente setzen. Die Bürger
erwarten von der EU ein Mehr an Schutz."
Als wesentlichen Vorteil der EU-Mitgliedschaft nannte Plassnik die Möglichkeit, selbst mitbestimmen und mitgestalten
zu können.
Österreich habe die Erfahrung gemacht, dass man in Gemeinschaft mit anderen etwas bewegen könne. Dafür
müsse man sich jeweils Allianzen und Partner in der EU suchen. Als ein Beispiel nannte die Außenministerin
die Regionale Partnerschaft.
Österreich habe die Mitgliedschaft in der EU als Stärkung seiner Identität erlebt. 'Einheit in der
Vielfalt' sei das Motto des europäischen Verfassungsvertrages, das stets unbestritten gewesen sei. Die Vielfalt
sei die größte Kraftquelle Europas.
Plassnik führte weiter aus, dass nach dem Erfolgsjahr 2004 - das Jahr der EU-Erweiterung und der Unterzeichnung
des Verfassungsvertrages - eine Stimmungsänderung eingesetzt habe. "Wir werden in der Praxis konkrete
Arbeit leisten müssen, um das Vertrauen wieder zu stärken. Wir müssen den Bürgern zuhören
und Antworten geben." Sie habe selbst über die Website des Außenministeriums mit der Kampagne "Europa
hört zu" dafür einen Impuls gegeben.
Außenministerin Plassnik gab einen Ausblick auf die Themen der österreichischen EU-Präsidentschaft:
Verhandlungen mit der Türkei und Kroatien, Finanzvorschau, Beschäftigung und Wachstum, europäisches
Lebensmodell. Im Bereich der europäischen Außenpolitik hob sie vor allem den Balkan, den Nahen und Mittleren
Osten, den UNO-Reformprozess mit der Einrichtung eines Menschenrechtsrates und einer Kommission für Friedenskonsolidierung
sowie das vierte Gipfeltreffen der EU mit Lateinamerika und der Karibik hervor.
Österreich werde - so Plassnik abschließend - für die Schweiz immer ein Freund und Partner sein.
Dies gelte auch für die österreichische EU-Präsidentschaft. Die Schweiz habe ihren festen Platz
in Europa, sie sei ein zentraler Partner der erweiterten Union. |