Außenpolitischer Bericht 2004 liegt vor
Wien (pk) - "Das Jahr 2004 war für Österreich und die Europäische Union
zweifellos ein historisches Jahr: Am 1. Mai traten zehn neue Mitgliedstaaten der Union bei. Mit dieser Erweiterungsrunde,
der größten in der Geschichte der Europäischen Union, wurde die jahrzehntelange Spaltung Europas
endgültig überwunden. Diese Wiedervereinigung Europas war ein bedeutender Schritt für ein neues,
modernes und zukunftorientiertes Europa." Diese euphorische Bilanz zieht Außenministerin Ursula Plassnik
in ihrem Vorwort zum Außenpolitischen Bericht der Bundesregierung, der dieser Tage dem Parlament zugeleitet
wurde. ( III-177 d.B.)
EU-Erweiterung, ein Jahrhundertprojekt
Österreich sei mit der jüngsten Erweiterungsrunde vom Rand der Union ins geographische Zentrum einer
veränderten Europäischen Union gerückt, heißt es in dem Bericht. Aus alten Nachbarn seien
neue Partner geworden, Partner, mit denen das Friedensprojekt Europa weiterentwickelt werde. "Eine aktive
Nachbarschaftspolitik ist einer der Schwerpunkte der österreichischen Außenpolitik", erklärt
Plassnik denn auch. Nachbarschaft sei keine exakte Wissenschaft, sondern eine Kunst. Im neuen Europa und in einer
grundlegend veränderten Welt fordere Nachbarschaft andere Qualitäten und biete neue Möglichkeiten.
Gerade Österreich mache diese praktische Erfahrung wie kaum ein anderes Land in Europa - im Alltagsleben der
Bürgerinnen und Bürger, in der Wirtschaft, in der Politik. "Mein Ziel ist es, dass österreichische
Außenpolitik als echtes Angebot der Partnerschaft verstanden wird. Österreich ist daher stets bestrebt,
die bereits enge Kooperation mit den Nachbarn weiter zu vertiefen. Die Regionale Partnerschaft mit Tschechien,
der Slowakei, Ungarn, Slowenien und Polen ist dabei ein wertvolles Instrument, das sich in der Praxis bewährt."
Der Prozess der Wiedervereinigung Europas sei damit noch nichtvollendet. Bulgarien und Rumänien haben am 14.
Dezember die Beitrittsverhandlungen abgeschlossen. Deren Beitritt ist für das Jahr 2007 geplant. Kroatien
hat in den vergangenen Jahren bedeutende politische und wirtschaftliche Fortschritte erzielt und übt dadurch
Vorbildwirkung für die Länder in Südosteuropa aus. Österreich tritt daher nachdrücklich
für dessen EU-Beitritt ein, hält die Außenministerin fest: "Die Stabilisierung von Südosteuropa,
insbesondere des Westlichen Balkan, ist ein Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik, weshalb ich
mich für die Heranführung dieser Staaten an die Europäische Union einsetze. Die Zukunft und Hoffnung
aller Länder des Westlichen Balkan liegt in der Europäischen Union, sie alle werden eines Tages Mitglieder
sein."
Das Friedensprojekt Europa habe hier seine nächste große praktische Bewährungsprobe zu bestehen.
Denn es gebe keine vernünftige Alternative zum europäischen Weg von Kroatien, Serbien und Montenegro,
dem Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Albanien. Diese Perspektive sei mittlerweile eindeutig zur
mächtigsten Triebfeder aller zukunftsgerichteten Kräfte der Gesellschaften in dieser Region geworden,
stellt Plassnik in diesem Zusammenhang fest.
Die Türkei sei politisch, wirtschaftlich und strategisch ein wichtiger Partner Europas. Man messe daher einer
engen und dynamischen Partnerschaft große Bedeutung bei, ergänzt Plassnik.
Europa in guter Verfassung
Trotz der Ablehnung des Verfassungsentwurfs für Europa durch die Bürgerinnen und Bürger der Union
sieht Plassnik in diesem Dokument einen großen Erfolg: "Der Vertrag über eine Verfassung für
Europa war ein weiterer europapolitischer Meilenstein des Jahres 2004. Am 29. Oktober haben Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel und ich gemeinsam mit allen Mitgliedstaaten der Union den Verfassungsvertrag in Rom unterzeichnet.
Ich finde es bemerkenswert, dass sich 25 Länder auf einen gemeinsamen Verfassungstext für 456 Millionen
Bürgerinnen und Bürger einigen konnten. Dies alleine ist ein großer Erfolg."
Engagiert für Frieden und Sicherheit
Bedeutsam ist Österreichs Engagement zur Friedenssicherung. Konkret wurde die NATO-Operation SFOR in Bosnien
und Herzegowina durch die EU-Friedenstruppe EUFOR-ALTHEA, an der sich auch Österreich mit einem Bundesheerkontingent
beteilige, ersetzt: "Die österreichischen Soldatinnen und Soldaten leisten damit einen wichtigen Beitrag
zur Stabilisierung von Bosnien und Herzegowina und sind Teil einer konkreten und sichtbaren österreichischen
Außenpolitik."
Außenpolitik bedeute auch die Bewältigung von Krisen im Ausland.
Eine gigantische Flutwelle verursachte am 26. Dezember enorme Zerstörungen in Südostasien und
Ostafrika und brachte auch fürviele Österreicherinnen und Österreicher großes Leid. Plassnik:
"Ich war berührt von der umfassenden Hilfsbereitschaft unserer Landsleute für die Opfer des Tsunami.
Mit Spenden und unermüdlichem Einsatz vor Ort wurde einmal mehr Solidarität weit über unsere Grenzen
hinweg geübt. Die österreichische Bundesregierung stellte unmittelbar nach der Seebebenkatastrophe umfangreiche
Mittel zur Durchführung von humanitären Notmaßnahmen zur Verfügung und unterstützt darüber
hinaus gemeinsam mit den Bundesländern, Städten und Gemeinden ein weit reichendes Wiederaufbauprogramm
für die Region."
Der UNO-Amtssitz Wien sei über die Jahre zum veritablen "Sicherheitszentrum" in der Arbeit der Vereinten
Nationen geworden: Atomsicherheit, Abrüstung, Drogen- und Verbrechensbekämpfung stünden im Zentrum
der Arbeit der Wiener Einheiten der Vereinten Nationen. Genau jene Teilorganisationen sind in Wien angesiedelt,
die an aktuellen Fragen arbeiten, welche die tägliche Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger direkt
betreffen: das Büro der Vereinten Nationen für die Bekämpfung von Drogen und Kriminalität;
das Informationsnetzwerk gegen Geldwäsche; die Internationale Atomenergiebehörde und die Organisation
zur Überwachung des Atomtestsperrvertrags: "Die Kandidatur für einen nicht-ständigen Sitz im
Sicherheitsrat für die Periode 2009/2010 unterstreicht Österreichs Engagement und Wertschätzung
für die Vereinten Nationen."
Die Organisation stand 2004 ganz im Zeichen der Reform. Sie soll die Vereinten Nationen stärken und in die
Lage versetzen, den globalen Sicherheitsbedrohungen des 21. Jahrhunderts wirksam zu begegnen. Im Lichte der sich
dynamisch entwickelnden Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union unterstützt
Österreich mittelfristig einen EU-Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Beim Reformprozess gehe es
aber auch um die Förderung der Menschenrechte, den Kampf gegen Armut, Hunger und Krankheit. Die Stärkung
der Menschenrechte, insbesondere die Rechte von Frauen und Kindern, der Schutz von Minderheiten, die weltweite
Durchsetzung des Folterverbots und die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus seien
ein großes Anliegen der österreichischen Außenpolitik.
Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit sei Bestandteil der österreichischen Außenpolitik
sowie der Entwicklungspolitik der Europäischen Union. Das Jahr 2004 sei ein Jahr gewesen, das für die
Österreichische Entwicklungszusammenarbeit eine Restrukturierung mit sich gebracht habe. Mit 1. Jänner
nahm die Austrian Development Agency, die für die Umsetzung der Projekte und Programme der Österreichischen
Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit verantwortlich ist, ihre Tätigkeit auf. Erstmals verfüge Österreich
über eine professionelle Agentur, die für die treffsichere Umsetzung der Projekte und Programme in den
Partnerländern zuständig ist.
Für eine aktive Auslandskulturpolitik
Die österreichische Außenpolitik bekenne sich zu einer aktiven, gestaltenden und zeitgemäßen
Auslandskulturpolitik. Die kulturelle Zusammenarbeit mit unseren ost- und südosteuropäischen Staaten
werde weiter verstärkt. In diesem Zusammenhang komme den zahlreichen Österreich-Instituten und Österreich-Bibliotheken
eine große Bedeutung zu. Plassnik: "Ich möchte auch auf das kulturelle Engagement Österreichs
außerhalb Europas hinweisen und dabei die Errichtung des Kulturforums in Peking unterstreichen. Besonders
freue ich mich, dass das neu errichtete österreichische Kulturforum in New York zu einem der künftigen
Wahrzeichen der Stadt avancierte."
Bürgernahe Außenpolitik
Die Außenministerin setzt sich auch für eine transparente Außenpolitik ein: "In der
modernen Welt ist es auch unsere Aufgabe, Europa- und Außenpolitik für die einzelne Bürgerin und
den einzelnen Bürger stärker sichtbar zu machen. Glaubwürdigkeit wächst, wenn klar wird, dass
große Ideen auch im Kleinen konsequent umgesetzt werden und dass große Ideen zu einem greifbaren Mehrwert
für jeden einzelnen führen. Nur wenn die Öffentlichkeit im Großen wie im Kleinen nachvollziehen
kann, was wir machen, warum wir es machen und wie wir es machen, werden wir für die Außen-, Europa-
und Entwicklungspolitik auch die notwendige begleitende Unterstützung haben."
Schwerpunkte des Berichts
Naturgemäß nimmt die Europäische Union den Schwerpunkt des Außenpolitischen Berichts ein.
Neben der Erweiterung der Union stehen die Reform der Union und ihrer Institutionen, die GASP, die europäische
Nachbarschaftspolitik, aber auch Wirtschaftsthemen im Vordergrund des diesbezüglichen Abschnitts. Andere politische
Foren Europas wie der Europarat, die Zentraleuropäische Initiative und die OSZE nehmen gleichfalls bedeutenden
Raum im Bericht ein. Ein eigenes Kapitel ist der Seebebenkatastrophe zu Jahresende gewidmet.
Ein weiterer Abschnitt widmet sich der globalen Zusammenarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen. In diesem Zusammenhang
werden auch internationale Initiativen zur Abrüstung und Friedenssicherung, die Wahrung der Menschenrechte,
globale Nachhaltigkeits- und multilaterale Wirtschaftspolitik abgehandelt. Gesondert wird auf die heimische Entwicklungszusammenarbeit
eingegangen, für die zuletzt mehr Budget zur Verfügung gestellt wurde. Nach wie vor konzentriert sich
die heimische Aktivität auf mehrere Schlüsselregionen, so auf Zentralamerika (Nicaragua, Guatemala, El
Salvador), auf Westafrika (Burkina Faso, Kap Verde, Senegal), auf Ostafrika (Äthiopien, Uganda, Kenia, Tansania,
Ruanda und Burundi), auf das südliche Afrika (Mosambik, Simbabwe, Namibia, Südafrika) und auf den Hindukush
(Bhutan, Nepal, Pakistan). Sonderprogramme gibt es für Palästina, Afghanistan und den Irak. Im Rahmen
der Ostzusammenarbeit arbeitet Österreich auch weiterhin an Programmen in Albanien, Bosnien, Serbien-Montenegro,
Makedonien und Moldawien sowie in den EU-Beitrittskandidatenländern Kroatien, Rumänien und Bulgarien.
Besonders bedeutsam, zumal für ein Land wie Österreich, ist die Auslandskulturpolitik. Auch 2004 wurden
alle Kulturformen entsprechend im Ausland präsentiert, die Bandbreite reicht dabei von Ausstellungen über
Musikdarbietungen bis zu Lesungen und Theateraufführungen. Die Verleihung des Nobelpreises für Literatur
an Elfriede Jelinek hat dabei das Interesse an ihren Werken merklich steigen lassen, doch auch Autoren wie Thomas
Bernhard, Peter Handke oder Peter Turrini erfreuen sich im Ausland nach wie vor großer Beliebtheit. Von besonderer
Wichtigkeit sind die 50 Österreich-Bibliotheken in 23 Ländern, die mittlerweile nahezu 300.000 österreichische
Medieneinheiten vorzuweisen haben. Knapp 100.000 Entlehnungen pro Jahr zeigen das nachhaltige Interesse an heimischer
Literatur. Österreich-Lehrstühle und Studienzentren im Ausland runden das diesbezügliche Engagement
der heimischen Außenpolitik ab.
Ein Statistikteil über den österreichischen auswärtigen Dienst, die einzelnen Vertretungsbehörden
und das Personal des Außenamtes sowie ein umfangreicher Anhang mit Länderinformationen von Afghanistan
bis Zypern, das diplomatische und konsularische Korps in Wien, die Diplomatische Akademie, Österreich in internationalen
Organisationen, Wien als Sitz internationaler Organisationen und die wesentlichsten außenpolitischen Gremien
beschließen den 400 Seiten starken Bericht. |