Bartenstein: Die guten Wirtschaftsbeziehungen zur Türkei sollen ausgebaut werden, aber: Reformprozess
hat sich verlangsamt
Wien (bmwa) - "Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und der Türkei sind schon seit
langer Zeit gut, können aber zweifellos weiter ausgebaut und intensiviert werden", erklärte Wirtschafts-
und Arbeitsminister Dr. Martin Bartenstein am Donnerstag (10. 11.) zur Eröffnung der 5. Tagung der Gemischten
Österreichisch-Türkischen Wirtschaftskommission in Wien. Bartenstein führt dabei gemeinsam mit dem
türkischen Innenminister Abdülkadir Aksu den Vorsitz. In den letzten Jahren habe die Türkei den
Reformprozess im Land verstärkt und damit dynamische Veränderungen ausgelöst, jetzt hoffe man auf
eine Fortsetzung dieses Prozesses, bekräftigte Bartenstein. Neben der gemischten Wirtschaftskommission gebe
es, so Bartenstein weiter, auch weitere Formen organisierter Zusammenarbeit auf dem Energiesektor, im Gesundheitswesen
sowie zwischen den Wirtschaftskammern der beiden Länder.
Vor Beginn der Tagung der Gemischten Kommission sprach Wirtschaftsminister Bartenstein in einem bilateralen Treffen
mit dem türkischen Innenminister Aksu aber auch den gestern von der EU-Kommission vorgelegten Fortschrittsbericht
an. Aus der Sicht der Europäischen Union gehe der politische Umgestaltungsprozess in der Türkei zwar
weiter, wichtige gesetzliche Bestimmungen seien in Kraft getreten, der Reformprozess habe sich insgesamt aber verlangsamt.
Die Türkei sei nunmehr als eine funktionierende Marktwirtschaft anzusehen, betonte Bartenstein, in dem äußerst
sensiblen Bereich Menschenrechte mit den Schwerpunkten Minderheitenschutz, Religionsfreiheit, Frauenrechte und
Meinungsfreiheit gebe es aber weiterhin signifikanten Reformbedarf.
Österreich Key Player auf türkischem Energiesektor
Auf dem türkischen Energiesektor ist Österreich ein "Key Player". Die Türkei ist der wichtigste
Auslandsmarkt für die österreichische Kraftwerksindustrie. Bis Sommer 2005 wurde rund ein Drittel aller
in Bau befindlichen Wasserkraftwerksprojekte in Konsortien mit österreichischen Firmen errichtet.
Insgesamt ist der bilaterale Handel zwischen Österreich und der Türkei in den letzten Jahren gestiegen
und hat seinen bisherigen Höhepunkt im Jahr 2004 mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Euro erreicht. Dabei
erzielte die österreichische Wirtschaft einen positiven Saldo von 46,8 Millionen Euro. Im Zeitraum Jänner
bis August 2005 liegt der Handelsbilanzüberschuss dagegen auf der Seite der Türkei, und zwar in der Höhe
von 54,8 Millionen Euro. Allerdings gibt es schon seit fünf Jahren einen stark schwankenden Saldo.
In der Reihung der Exportdestinationen Österreichs belegt die Türkei mit einem Marktanteil von 0,8 %
nach Kanada und vor Dänemark den 23. Rang. Der Anteil der türkischen Lieferungen an den österreichischen
Gesamtimporten beträgt 0,9 %. In der Skala der Lieferländer Österreichs nimmt die Türkei -
nach Finnland und vor der Republik Korea den 21. Rang ein.
Die Türkei ist ein wichtiger Partner im Rahmen des "Nabucco"-Gas-Pipeline-Projekts, einer etwa 3.300
km langen Gaspipeline, die von der kaspischen Region bis nach Baumgarten in Niederösterreich führen wird.
An diesem Projekt sind neben Österreich und der Türkei Ungarn, Rumänien und Bulgarien beteiligt.
Österreich misst diesem Projekt, das zu einer bedeutenden Diversifizierung der Gasversorgungsrouten, zu mehr
Marktliquidität und Wettbewerb und zu einer Verbesserung der Versorgungssicherheit beitragen wird, große
Bedeutung bei.
Aksu wird im Rahmen dieser Tagung auch mit WKÖ-Vizepräsident Dr. Richard Schenz zu einem Arbeitsgespräch
zusammentreffen. Dabei haben österreichische Firmenvertreter die Möglichkeit, ihre Anliegen vorzubringen. |