Darmstadt (esa) - Die europäische Raumsonde Venus Express wurde erfolgreich
auf eine Bahn gebracht, von der aus sie Kurs auf den Planeten Venus nehmen wird, den sie im April nächsten
Jahres erreichen wird.
Venus Express, die „kleine Schwester“ von Mars Express, die sich seit Dezember 2003 auf einer Umlaufbahn um den
Roten Planeten befindet, ist die zweite Raumsonde, die von der Europäischen Weltraumorganisation zu einem
anderen Planeten geschickt wird.
Venus Express wird auf eine Umlaufbahn um die Venus gebracht, um Struktur, Chemie und Dynamik ihrer Atmosphäre,
die durch extreme Temperaturen, sehr starken Druck, einen Treibhauseffekt sehr großen Ausmaßes und
eine noch nicht geklärte „Superrotations“-Bewegung (die Atmosphäre umrundet den Planeten einmal alle
vier Erdtage) gekennzeichnet ist, eingehend zu erforschen. Venus Express ist auch die erste Venus-Raumsonde, die
die Oberfläche des Planeten durch kürzlich im Infrarotbereich entdeckte Sichtfenster beobachten wird.
Die 1 240 kg schwere Sonde wurde für die ESA von einem europäischen Konsortium unter der Leitung von
EADS Astrium mit 25 Hauptvertragspartnern aus 14 Ländern gebaut. Sie hat die Erde an Bord eines von Starsem
betriebenen Sojus-Fregat-Trägers verlassen. Der Start fand heute um 09.33 Uhr Ortszeit (4.33 Uhr MEZ) in Baikonur,
Kasachstan, statt. Nach 9 Flugminuten hat die Fregat-Oberstufe zum ersten Mal gezündet, um eine Wartebahn
um die Erde zu erreichen. Mit der zweiten Zündung 82 Minuten später wurde die Sonde dann auf ihre interplanetare
Flugbahn befördert.
Das Europäische Raumflugkontrollzentrum (ESOC) der ESA in Darmstadt hat den Kontakt mit Venus Express etwa
zwei Stunden nach dem Start hergestellt. Die Sonde hat sich im Verhältnis zur Sonne richtig orientiert und
ihre Sonnensegel entfaltet. Alle Bordsysteme funktionieren einwandfrei, und die Sonde kommuniziert über ihre
Schwachgewinn-Antenne mit der Erde. In drei Tagen wird die Verbindung über ihre Hochgewinn-Antenne stehen.
Mit Vollgas zur Venus
Venus Express entfernt sich nun mit Vollgas von der Erde und wird in den nächsten fünf Monaten
eine 350 Millionen Kilometer lange Reise durch das innere Sonnensystem machen. Nach der Überprüfung,
ob ihre Ausrüstung und ihre Nutzlast korrekt funktionieren, wird die Sonde „abgeschaltet“ und tritt nur noch
einmal am Tag mit der Erde in Kontakt. Erforderlichenfalls wird im Januar eine Kurskorrektur auf halbem Wege vorgenommen.
Bei ihrem Eintritt in den Anziehungsbereich der Venus wird Venus Express mit schwierigeren Bedingungen konfrontiert
sein als Mars Express bei ihrer Ankunft am Roten Planeten. Bei einer Größe, die in etwa der der Erde
entspricht, ist die Venus nämlich 7,6-mal massiver als der Mars - mit entsprechendem Gravitationsfeld. Um
diese stärkere Gravitation auszugleichen, wird die Sonde ihr Haupttriebwerk 53 Minuten lang einschalten, so
dass sie um 1,3 km/s abbremst und auf eine stark elliptische Umlaufbahn um den Planeten gelangt. Dabei wird sie
den Großteil ihrer 570 kg Treibstoff verbrauchen.
Damit die Sonde ihre endgültige polare Einsatzbahn erreichen kann, muss das Triebwerk ein weiteres Mal gezündet
werden. Die Umlaufzeit beträgt 12 Stunden. Dabei nähert sie sich dem Planeten bis auf 250 km und entfernt
sich bis auf 66 000 km von ihm, um sowohl Beobachtungen aus der Nähe als auch eine globale Sicht zu ermöglichen.
Planeten erforschen, um die Erde besser zu verstehen
„Die Mission der Venus Express ist eine erneute Illustration der europäischen Entschlossenheit, die verschiedenen
Erdkörper des Sonnensystems zu erforschen“, sagt Dr. David Southwood, Direktor des Wissenschaftsprogramms
der ESA. „Wir haben 2003 angefangen, als wir Mars Express zum Mars und SMART-1 zum Mond geschickt haben. Beide
haben unsere Hoffnungen bei weitem übertroffen. Venus Express stellt eine neue Etappe auf dem Weg dar, der
mit der Mission BepiColombo, die 2013 zum Merkur starten wird, einen vorläufigen Abschluss finden wird“.
„Mit Venus Express wollen wir einmal mehr beweisen, dass die Erforschung der Planeten für unser eigenes Leben
auf der Erde von größter Bedeutung ist“, sagt Jean-Jacques Dordain, Generaldirektor der ESA. „Um die
Entwicklung des Klimas auf der Erde und alle damit zusammenhängenden Phänomene zu verstehen, können
wir uns nicht damit zufrieden geben, nur unseren Planeten zu beobachten. Wir müssen die Mechanismen entschlüsseln,
die die Planetenatmosphären allgemein bestimmen. Mit Mars Express untersuchen wir die Atmosphäre des
Mars, mit Huygens haben wir die des Titan erforscht, und mit Venus Express werden wir unserer Sammlung ein weiteres
Stück hinzufügen. Die Venus und die Erde müssen sich einmal sehr ähnlich gewesen sein, und
wir müssen verstehen, warum und wie sie sich ab einem bestimmten Punkt so unterschiedlich entwickeln konnten,
dass der eine Planet die Wiege des Lebens wurde, während sich der andere in eine wahre Hölle verwandelte“.
Die Mission Venus Express soll mindestens zwei Venus-Tage (486 Erdtage) dauern und kann je nach Zustand der Sonde
verlängert werden.
Die „kleine Schwester“ von Mars Express
Da bei Venus Express ein Großteil der für die Mars Express entwickelten Architektur wieder verwendet
wurde, konnten - unter Beibehaltung der wissenschaftlichen Ziele - die Fertigungszyklen reduziert und die Kosten
der gesamten Mission auf die Hälfte gekürzt werden. So konnte die Ende 2002 genehmigte Sonde in Rekordzeit
gebaut werden, so dass sie für das Venus-„Startfenster“ 2005 rechtzeitig fertig war.
Die Bedingungen, die rund um die Venus herrschen, sind indes völlig anders als die im Umkreis des Mars. Der
solare Flux ist dort 4-mal intensiver. Die Konzeption der Sonde musste an diese neue Umgebung angepasst werden;
insbesondere musste die ganze Wärmesteuerung überarbeitet werden. Wo Mars Express versucht, die Wärme
aufzunehmen, damit ihre Elektronik richtig funktioniert, muss Venus Express sie größtenteils ableiten.
Die Sonnensegel der Sonde wurden vollständig neu gestaltet. Sie sind kürzer, und die Sonnenzellenreihen
wechseln sich mit Spiegeln ab, um einen Teil des solaren Fluxes zu reflektieren und damit Spitzentemperaturen von
bis zu 250 °C zu vermeiden. Es war sogar erforderlich, den hinteren Teil der Sonnensegel, der normalerweise
im Schatten bleibt, zu schützen, um die Wärme abzuleiten, die durch die von der Atmosphäre der Venus
reflektierte Sonnenstrahlung entsteht.
Eine mysteriöse Atmosphäre
Nach den etwa 20 amerikanischen und sowjetischen Missionen, die seit 1962 durchgeführt wurden, wird mit der
Mission Venus Express versucht, die vielen Fragen zu beantworten, die im Verlauf der früheren Missionen aufgeworfen
wurden und bis heute unbeantwortet sind. Sie konzentriert sich auf die Eigenschaften der Atmosphäre, ihre
Zirkulation, Struktur und Zusammensetzung je nach Höhe sowie auf ihre Wechselwirkungen mit der Oberfläche
und mit dem Sonnenwind in der Höhe.
Zur Durchführung dieser Forschungstätigkeiten führt Venus Express 7 Instrumente mit, von denen 3
von Instrumenten abgeleitet wurden, die bereits auf Mars Express verwendet werden, und 2 auf Instrumenten der Kometensonde
Rosetta beruhen, 2 weitere Instrumente sind Neuentwicklungen.
Das Spektrometer PFS soll die Temperatur und die Zusammensetzung der Atmosphäre je nach Höhe bestimmen
und auch die Temperatur der Oberfläche messen und nach einer eventuellen vulkanischen Aktivität forschen.
Auch das Infrarot- und Ultraviolett-Spektrometer SpicaV/SOIR und das VeRa-Experiment werden die Atmosphäre
sondieren, indem sie Verdeckungen von Sternen oder Funksignalen beobachten. SpicaV/SOIR wird insbesondere versuchen,
Wasser- und Sauerstoff-Moleküle sowie Moleküle von Schwefelverbindungen ausfindig zu machen, die in der
Atmosphäre der Venus vermutet werden. Das Spektrometer VIRTIS wird eine Karte der verschiedenen Atmosphärenschichten
erstellen und die Wolken in mehreren Wellenlängen beobachten, um die atmosphärische Dynamik aufzuzeigen.
In Verbindung mit einem Magnetometer wird das Instrument ASPERA-4 die Wechselwirkungen zwischen der hohen Atmosphäre
und dem Sonnenwind ohne den Schutz einer Magnetosphäre wie die der Erde untersuchen - die Venus besitzt kein
planetares Magnetfeld. ASPERA-4 wird das von diesen Wechselwirkungen erzeugte Plasma, das Magnetometer das durch
dieses Plasma induzierte Magnetfeld untersuchen.
Die Kamera VMC schließlich wird Aufnahmen in vier Wellenlängen machen, insbesondere in einem der von
der Sonde Galileo (beim Überflug der Venus auf dem Weg zum Jupiter) 1990 entdeckten „Infrarotfenster“, dank
derer man durch die Wolkenschicht auf die Oberfläche sehen kann. Diese Kamera wird außerdem der Erforschung
der atmosphärischen Dynamik und vor allem der Beobachtung der doppelten Spiralwolken der Pole dienen, deren
Ursprung noch immer mysteriös ist. |