Weniger Tierversuche: Kommission vereinbart Partnerschaft mit Industrie  

erstellt am
09. 11. 05

Brüssel (eu-int) - Ziel einer neuen "Europäischen Partnerschaft für die Förderung von Alternativkonzepten zu Tierversuchen" ist es, die Zahl der Tierversuche zu verringern. Industrieverbände aus den Sektoren Pharmazeutik, Chemie, Kosmetik und Biotechnologie haben diese Partnerschaft anlässlich der Konferenz über Alternativen zu Tierversuchen, die am Montag (07. 11.) unter dem Motto "Europe Goes Alternative“ in Brüssel stattfand, mit der Europäischen Kommission vereinbart. Gemeinsame Gastgeber waren der Vizepräsident der Europäischen Kommission Günter Verheugen und Kommissar Janez Potocnik. Die Entwicklung neuer Methoden wird nicht nur die Tierversuche reduzieren, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie stärken. Das auf dem Markt erfolgreichste Alternativverfahren, das den „Kaninchen-Pyrogen-Test“ zur Ermittlung bakterieller Verunreinigungen in Arzneimitteln durch einen Test mit Humanzellen ersetzt, hat ein weltweites Marktvolumen von 200 Mio. EUR und rettet pro Jahr 200 000 Kaninchen das Leben (siehe IP/03/662).

Günter Verheugen, der für das Ressort Unternehmens- und Industriepolitik zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, äußerte sich wie folgt: „Die Vereinbarung unterstreicht, dass die EU beim Tierschutz eine führende Rolle spielt. Wir wollen die Tierversuche nicht nur reduzieren, sondern sie langfristig ganz abschaffen. Darüber hinaus sind alternative Prüfmethoden Innovationen, die der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zugute kommen.“

Der für Wissenschaft und Forschung zuständige Kommissar Janez Potoc(nik fügte hinzu: „Die Vereinbarung mit mehreren Industriesektoren ist ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung unseres Ziels, validierte Alternativverfahren verfügbar zu machen. Wir werden die Partnerschaft unterstützen, indem wir unsere Bemühungen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Bewertung alternativer Prüfmethoden unter dem neuen Forschungsrahmenprogramm intensivieren.“

Industrieverbände (CEFIC, EFPIA, COLIPA, EuropaBio, ECPA, AISE)[1] und Europäische Kommission einigten sich heute auf die “3-R-Erklärung”. Mit ihr wird eine freiwillige europäische Partnerschaft zur Verfeinerung, zur Verringerung und zum Ersatz (replacement, reduction, refinement – das “3-R-Prinzip”) im Bereich der Tierversuche geschaffen.

Eine Taskforce wird ein Aktionsprogramm mit konkreten Tätigkeiten für das erste Quartal 2006 aufstellen. So soll ermittelt werden, welche Hindernisse sich Fortschritten in diesem Bereich in den Weg stellen, und es sollen geeignete Lösungen vorgeschlagen werden, damit Entwicklung, Validierung und rechtliche Akzeptanz alternativer Ansätze folgender Art gefördert werden:

* Kartierung von Forschungsarbeiten und derzeitigen Strategien
* Forschungszusammenarbeit
* Entwicklung alternativer Ansätze, einschließlich intelligenter Prüfstrategien
* Vereinfachung des Validierungsprozesses durch verfügbares Wissen
* praktische Mechanismen zur Vereinfachung der Akzeptanz alternativer Verfahren in den Rechtssystemen

Das Programm wird jährlich überarbeitet und veröffentlicht.

Unter dem Forschungsrahmenprogramm der EU sollen folgende Projekte die Entwicklung der „3 R“ fördern:

* neue In-vitro-Tests zum Ersatz von Tierversuchen (mit besonderen Chancen für KMU)
* Workshop über Geschäftsideen für die In-vitro-Pharmakologie und -Toxikologie
* Beurteilung der Qualität der derzeitigen Testmethoden
* intelligente Prüfstrategien für chemische Stoffe

Trotz aller bisherigen Bemühungen werden jährlich etwa 10,7 Mio. Tiere für Versuche benutzt (2002). Mehr als die Hälfte davon entfallen auf Forschung und Entwicklung in den Bereichen Humanmedizin, Zahnmedizin und biologische Grundlagenforschung, etwa 16 % auf die Produktions- und Qualitätskontrolle von Arzneimitteln und Produkten der Human-, Tier und Zahnmedizin sowie 10 % auf toxikologische oder sonstige Unbedenklichkeitsprüfungen. Von diesen 10 % wurden etwa 0,25 % (+/- 2 600 Tiere) für die toxikologische oder sonstige Unbedenklichkeitsprüfung von Produkten/Stoffen benutzt, die hauptsächlich zur Verwendung als Kosmetika oder Körperpflegemittel bestimmt sind.

Heutzutage ist die Wissenschaft immer besser imstande, Tierversuche durch Zellkulturmethoden, Computermodelle und Extrapolationen bestehender Daten zu verfeinern, zu verringern und zu ersetzen. Das Hauptproblem, das dem vollständigen Ersatz von Tierversuchen im Wege steht, ist das Erfordernis, dass die hohen Sicherheitsstandards für Verbraucher, Arbeitnehmer und Patienten nicht durch den Wechsel zu neuen Unbedenklichkeitsprüfungen gefährdet werden dürfen. Daher sind Tierversuche u. a. in den Bereichen Arzneimittel, Lebens- und Futtermittel, chemische Stoffe, Kosmetika und Medizinprodukte immer noch erforderlich.

Manche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit lassen sich heute bereits durch Ersatzmethoden feststellen, z. B. hautätzende Wirkungen, Hautresorption und akute fototoxische Wirkungen. Andere, wie akute systemische Toxizität oder Hautallergien, können inzwischen unter Verwendung von weniger Tieren mit weniger schweren Auswirkungen für diese getestet werden.
     
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