5 Jahre Grazer Synagoge: Ausstellung, Gedenktafel, Feierstunde
Graz (stadt) - „Minhag Styria - Jüdisches Leben in der Steiermark“ heißt die kleine, aber
exquisite Ausstellung, die ab Mittwoch, 9. November, im Keller der Grazer Synagoge zu sehen ist. Das Datum der
Ausstellungseröffnung ist sehr bewusst gewählt: Am 9. November 2000 hat die Stadt Graz ihrer jüdischen
Gemeinde die in der Reichspogromnacht abgefackelte Synagoge zurückgeben. Da, wo am 9. November 1938 nationalsozialistische
Rassisten unendliches Leid über die jüdischen Bürgerinnen und Bürger von Graz gebracht hatten,
entstand 60 Jahre später ein neues Bet- und Versammlungshaus.
Freuten sich über fünf Jahre Grazer Synagoge und gedachten der
Opfer der Shoah: Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg, Bgm. Mag. Siegfried Nagl, LH Mag. Franz Voves, Bundespräsident
Dr. Heinz Fischer, Gérard Sonnenschein, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Graz (v. l.) Foto:
Stadt Graz
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Und genau hier, am David-Herzog-Platz 1, enthüllten am Montag (07. 11.) Vormittag die Spitzen der
österreichischen und Grazer Gesellschaft - Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, Staatssekretär Franz
Morak, Landeshauptmann Mag. Franz Voves mit KollegInnen der Landesregierung, Bürgermeister Mag. Siegfried
Nagl mit KollegInnen aus Stadtregierung und Gemeinderat sowie Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg vor zahlreichen
Persönlichkeiten aus Religion, Wirtschaft, Kultur, Medien, Caritas, Polizei, Bundesheer - eine Gedenktafel
mit den Namen aller Grazer Opfer der Shoah und eröffneten die Ausstellung „Minhag Styria - Jüdisches
Leben in der Steiermark“.
Bekenntnis gegen den Antisemitismus
Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, der genau einen Monat vor der Reichspogromnacht in Graz geboren wurde,
forderte die Anwesenden zu einem gemeinsamen Bekenntnis gegen den Ungeist, gegen den Antisemitismus auf. „Sinn
der heutigen Zusammenkunft ist das Einbekenntnis, was passiert ist und nicht verhindert wurde“, so das Staatsoberhaupt.
Fischer betonte, dass in den letzten Jahren die obersten Gremien der Republik Österreich verstärkt selbstkritisch
über das Thema Shoah denken und handeln und verwies auch auf den Nationalfonds. „Ich freue mich sehr über
fünf Jahre Grazer Synagoge! Die Gedenktafel mit den Namen der Opfer der Shoah ist notwendig, um dem Verbrechen
Individualität zu geben.“ Der Ausstellung „Minhag Styria“ wünschte Bundespräsident Fischer eine
große Anzahl von BesucherInnen.
Ein Leben in Würde ermöglichen
Die Ausstellung über das jüdische Leben in der Steiermark erinnere „an die Unzulänglichkeit
der Gesellschaft“, gab Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl zu bedenken. In einem geschichtlichen Rückblick
erinnerte er daran, dass in den 877 Jahren der Grazer Stadtgeschichte mehr als 350 Jahre lang die Juden völlig
ausgesperrt waren: „Die jüdische Bevölkerung war immer ein Teil des Alltags, aber auch ein fremdes Element;
war geschützt, aber auch rechtlos.“ Für ihn sei es heute die wohl wichtigste Aufgabe der Politik, allen
Menschen, egal welcher Hautfarbe oder Religion, in Graz ein Leben in Würde zu ermöglichen. „Toleranz
und friedliches Zusammenleben soll auf drei Säulen aufbauen", die er mit aller Kraft fördern wolle:
"Auf Integration, auf Graz als Stadt der Menschenrechte und auf den Dialog der Religionen“, so der Bürgermeister
abschließend.
„Ich freue mich, dass die Grazer Synagoge nicht nur zu einem Bet-, sondern auch zu einem Versammlungshaus geworden
ist, das von der jüdischen Gemeinde mit viel Leben erfüllt wird“, sagte Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg.
„Heute ist nicht nur ein Trauer- und Gedenktag, sondern auch ein Tag der Hoffnung und Begegnung.“
Außergewöhnliche Urkunden
Gérard Sonnenschein, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Graz, erklärte das Wort „Minhag“:
Es bedeute Brauch, aber auch religiöse Tradition. Er dankte den GestalterInnen der Ausstellung, allen voran
Kuratorin Dr. Evi Fuks vom Jüdischen Museum Wien, und Karen Engel vom Jüdischen Kulturzentrum Graz. Die
Ausstellung „Minhag Styria“ werde durch ein umfangreiches Rahmenprogramm, das auch spezielle Veranstaltungen für
Kinder und Jugendliche biete, ergänzt.
In „Minhag Styria - Jüdisches Leben in der Steiermark“ erzählen die Schicksale einzelner Personen von
den Geschichten, die hinter „der Geschichte“ liegen. Gezeigt werden unter anderem historische Kostbarkeiten, wie
außergewöhnliche Urkunden aus dem Mittelalter, aber auch Gebrauchs- und Kultgegenstände, Bilder
etc.
Die offizielle Eröffnung findet am Mittwoch, 9. November 2005, 18 Uhr, in der Synagoge statt. Nähere
Informationen zur Ausstellung auf www.jkg.at, E-Mail office@jkd.at, Tel. 0 31 6/72 34 48. „Minhag Styria“ ist bis
30. Juni 2006 jeweils Dienstag bis Donnerstag von 14 bis 20 Uhr, Freitag von 10 bis 14 Uhr und Sonntag von 10 bis
17 Uhr geöffnet. Eintritt: 5 bzw. 2,50 Euro.
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