Wien (bmaa) - Ein Eröffnungsstatement von Außenministerin Dr. Ursula Plassnik stand am Dienstag
(15. 11.) am Beginn der Islamkonferenz "Islam in einer pluralistischen Welt".
Dabei nannte die Außenministerin als eines der Ziele der Konferenz, "gegen Vereinfachungen, Vorurteile
und Feindbilder zu Felde zu ziehen", und betonte, dass Muslime und Musliminnen in aller Welt unter einer unzulässigen
Verbindung von Islam mit Gewalt oder gar Terrorismus leiden würden. "Es darf nicht einer Handvoll Terroristen
gelingen, den Blick auf die Realität der muslimischen Gesellschaften in der Welt zu verstellen", so die
Außenministerin.
Plassnik warnte auch davor, "Terrorismus als Produkt eines Krieges der Kulturen und der Religionen darzustellen",
gerade bei "dieser schwierigen Auseinandersetzung müssen wir uns vor gefährlichen Vereinfachungen
hüten", so Plassnik. Die Außenministerin forderte einen behutsameren Umgang mit Worten und betonte
"es ist unakzeptabel, das Existenzrecht des anderen in Frage zu stellen."
Unter Bezugnahme auf die beiden Hauptredner des heutigen Tages, die Staatspräsidenten Afghanistans und des
Irak sagte Plassnik "Afghanistan und der Irak sind beide durch eine starke islamische Tradition geprägt.
Die Menschen in beiden Staaten haben viele Jahre der Unterdrückung und der Tyrannei durchlitten. Heute arbeiten
sie mit aktiver Unterstützung der gesamten internationalen Gemeinschaft am Aufbau einer demokratischen Gesellschaftsordnung.
Sie haben unter schwierigsten Bedingungen und Gewaltdrohungen Wahlen durchgeführt und Verfassungen entwickelt
- mit komplexen Fragen, die in islamischen Gesellschaften zu klären sind, wie etwa dem Islam als Rechtsquelle
und der Stellung der Frauen".
Für den heutigen Konferenztag nannte Plassnik drei zentrale Fragen, die im Vordergrund stehen würden:
die Frage, wie verschiedene islamisch geprägte Gesellschaften heute mit den Herausforderungen einer zunehmend
pluralistischen Welt umgehen; die Frage, was in Europa getan werden könne, um das friedliche Zusammenleben
von Muslimen und Nicht-Muslimen zu fördern; die Frage, wie universelle Werte, die allen Menschen und Kulturen
gemeinsam sind, mit spezifischen nationalen, regionalen oder religiösen Traditionen vereinbart werden könnten.
Plassnik verwies weiters auf die Weltkonferenz für Menschenrechte in Wien im Juni 1993 und sagte "Unser
gemeinsames Verständnis von Menschenrechten geht aus von einem Menschenbild, zu dem sich alle drei großen
monotheistischen Weltreligionen bekennen: Christen, Juden und Muslime verbindet die Überzeugung von der Einmaligkeit
des Menschen; es verbindet sie zugleich das Bewusstsein, dass Würde und Wert des Menschen von keiner äußeren
Gewalt, keiner Regierung und keiner staatlichen Autorität bestimmt werden, sondern unmittelbar aus seiner
Natur herrühren".
"Die gesellschaftlich-kulturelle Praxis der Religionen würde aber nicht immer ihren fundamentalen Prinzipien
entsprechen; diese Praxis bestimme das breite religiöse Selbstverständnis oft mehr als die hohe Theologie
das tut", so Plassnik. "Es ist daher wohl auch die sehr praktische Herausforderung für religiöse
Führer, einem Auseinanderklaffen von geistiger Grundlage und gesellschaftlicher Praxis entgegen zu wirken.
Damit kann ein wichtiger Beitrag geleistet werden, zu einer Stärkung von Identität, die integrierend
und nicht isolierend wirkt", sagte Plassnik.
Plassnik sagte weiters "Wir müssen den Dialog der Kulturen daher realitätsnäher führen,
mit mehr "Bodenkontakt" als bisher. Theologische Debatten geben uns nicht immer brauchbare Antworten
für die drängenden und ganz konkreten Probleme des täglichen Umganges miteinander. Argwohn und Misstrauen
dürfen sich nicht tiefer einfressen in unsere Gesellschaft und unsichtbare Gräben reißen oder unsichtbare
Mauern bauen zwischen den Gemeinschaften. Wir sind gemeinsam dafür verantwortlich, den Alltag der kulturellen
Vielfalt lebensnah zu gestalten: in der Schule, bei den Wohnverhältnissen, in der Glaubensausübung, bei
der Einbindung in das Gastland, aber auch bei der Vermittlung von Gemeinschaftssinn und Verantwortung".
Als richtunggebend bezeichnete Plassnik die Schlusserklärung der Grazer Imame Konferenz 2003, die eine Absage
an jegliche Form von Fanatismus, Extremismus und Fatalismus beinhalte; die die Menschenrechte als zentralen Bestandteil
des Islam nenne; die Loyalität gegenüber Verfassung und Gesetz betone und Pluralismus als im Islam von
Gott gewolltes Prinzip bezeichnet.
Plassnik bezog sich auch auf die große Österreicherin, Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner
und forderte "Erst wenn die Erfahrungen und Einsichten der Frauen auch direkt Eingang finden in den Aufbau
und in das Funktionieren einer Gesellschaft, wird diese Gesellschaft auch den Bedürfnissen aller entsprechen
können".
"Um in der pluralistischen Gesellschaft des globalen Dorfes von heute in Frieden zusammenleben zu können,
brauchen wir ein neues Denken, ein neues Fühlen und ein neues Handeln", sagte die Außenministerin
und forderte einen stärkeren offenen Dialog im Alltag.
"Wir müssen uns anspruchsvolle Etappenziele geben: als Minimalstandard das friedliche Nebeneinander.
Als nächste Stufe das gedeihliche Miteinander. Und als wünschbares Fernziel das wirkliche Füreinander
in einer gemeinsamen Gesellschaft, in einer gemeinsamen Welt", so Plassnik abschließend mit dem Verweis
"Wenn ich einen Wunsch habe, dann den, dass aus unseren Diskussionen möglichst viele Impulse füreinander
ausgehen, die uns weiterführen und uns helfen bei der Lösung der ganz konkreten Probleme". |